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Die Internationale der Rassisten
Aufstieg und Niedergang der internationalen eugenischen Bewegung im 20. Jahrhundert
Taschenbuch von Stefan Kühl
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
Einleitung

Der Versuch, die Qualität der Erbanlagen einer bestimmten Menschengruppe zu verbessern, wurde über lange Zeit unmittelbar mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht. Die Begriffe »Eugenik« und »Rassenhygiene«, die auf die genetische »Verbesserung« der Rasse zielen, rufen unweigerlich Erinnerungen an das Deutschland von 1933 bis 1945 hervor, da die Nationalsozialisten mithilfe dieser Konzepte die Zwangssterilisation von geistig Behinderten und psychisch Kranken, das Verbot der Heirat zwischen Behinderten und Nichtbehinderten und die Massenmorde an Behinderten und Kranken legitimiert hatten. Dies führte nach dem Zweiten Weltkrieg dazu, dass Rassenhygiene und Eugenik häufig auf die reaktionären, pseudowissenschaftlichen und menschenverachtenden Praktiken des Nationalsozialismus reduziert wurden.

In der kontroversen Diskussion über die möglichen Risiken von Maßnahmen wie vorgeburtliche Diagnostik, Befruchtung außerhalb des Mutterleibes, genetische Keimbahntherapie und Erzeugung genetisch identischer menschlicher Lebewesen, die durch die immensen Fortschritte der Gentechnologie in den 1970er und 1980er Jahren ausgelöst wurde, war diese Reduzierung der Eugenik auf die Rolle einer Vorreiterin für die nationalsozialistische Rassenpolitik ein zentraler Aspekt. Der Verweis auf die systematische Anwendung von Eugenik und Rassenhygiene im Nationalsozialismus diente Kritikern humangenetischer Maßnahmen als bequemes Totschlagargument gegenüber allen Versuchen, das Thema Eugenik wieder auf die politische und wissenschaftliche Tagesordnung zu setzen.

In der Zwischenzeit ist jedoch das noch Anfang der 1980er Jahre dominierende Bild von Eugenik und Rassenhygiene als reaktionär-konservativen Wegbereitern des Nationalsozialismus weitgehend zerbröckelt. Studien über verschiedene nationale eugenische Bewegungen haben gezeigt, dass die Eugenik keineswegs auf Deutschland, einige andere europäische Staaten und die USA begrenzt war, sondern in Brasilien genauso wie in China, in der Sowjetunion genauso wie in Japan propagiert wurde. Es ist dabei deutlich geworden, dass eine Politik zur Verbesserung des Erbgutes keinesfalls ein Monopol der Nationalsozialisten war. Vertreter fast aller politischen Richtungen haben die Eugenik als ein Konzept zur genetischen Aufbesserung der menschlichen Rasse propagiert. Weder Sozialisten noch Anarchisten, weder Konservative noch Liberale waren gegen die Verlockungen der wissenschaftlich begründeten Sozialtechnologie der Eugenik immun. Auch religiöse Verankerungen beispielsweise im Katholizismus, Protestantismus oder Judentum verhinderten in keiner Form die Propagierung einer eugenischen Politik. Im Gegenteil: Es entwickelten sich sowohl katholische und protestantische als auch jüdische Spielarten der Eugenik, die teilweise die Gesetzgebung in einzelnen Ländern beeinflussen konnten. Ferner hat sich in historischen Fallstudien über einzelne Eugeniker gezeigt, dass Eugenik nicht per se auf eine pseudowissenschaftliche Ideologie reduziert werden kann. Einige Eugeniker des 20. Jahrhunderts zählten zweifellos zu den führenden Wissenschaftlern ihrer Zeit.

Das neue, von Eugenikforschern und zunehmend auch von Journalisten umrissene Bild der Eugenik ist gekennzeichnet durch die Hervorhebung der Vielfältigkeit dieser Bewegung. Immer neue nationale, politische oder wissenschaftliche Sonderwege der Eugenik werden entdeckt, sodass ein Netz von solchen Sonderwegen in der Zwischenzeit schon fast das Normalbild der Eugenik konstituiert. Die ursprüngliche orthodox-rassistische, an den mendelschen Vererbungsgesetzen orientierte Eugenik wird in der Zwischenzeit lediglich als eine der vielen Varianten der Eugenik betrachtet.

Mit diesem Bild von der Verschiedenartigkeit der Eugenik kann jedoch nicht das letzte Wort in Sachen Eugenik und Rassenhygiene gesprochen sein. Die lobenswerten Studien über die sozialistische Eugenik in Deutschland und in der Sowjetunion, über wissenschaftlich brillante Eugeniker in de

Einleitung

Der Versuch, die Qualität der Erbanlagen einer bestimmten Menschengruppe zu verbessern, wurde über lange Zeit unmittelbar mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht. Die Begriffe »Eugenik« und »Rassenhygiene«, die auf die genetische »Verbesserung« der Rasse zielen, rufen unweigerlich Erinnerungen an das Deutschland von 1933 bis 1945 hervor, da die Nationalsozialisten mithilfe dieser Konzepte die Zwangssterilisation von geistig Behinderten und psychisch Kranken, das Verbot der Heirat zwischen Behinderten und Nichtbehinderten und die Massenmorde an Behinderten und Kranken legitimiert hatten. Dies führte nach dem Zweiten Weltkrieg dazu, dass Rassenhygiene und Eugenik häufig auf die reaktionären, pseudowissenschaftlichen und menschenverachtenden Praktiken des Nationalsozialismus reduziert wurden.

In der kontroversen Diskussion über die möglichen Risiken von Maßnahmen wie vorgeburtliche Diagnostik, Befruchtung außerhalb des Mutterleibes, genetische Keimbahntherapie und Erzeugung genetisch identischer menschlicher Lebewesen, die durch die immensen Fortschritte der Gentechnologie in den 1970er und 1980er Jahren ausgelöst wurde, war diese Reduzierung der Eugenik auf die Rolle einer Vorreiterin für die nationalsozialistische Rassenpolitik ein zentraler Aspekt. Der Verweis auf die systematische Anwendung von Eugenik und Rassenhygiene im Nationalsozialismus diente Kritikern humangenetischer Maßnahmen als bequemes Totschlagargument gegenüber allen Versuchen, das Thema Eugenik wieder auf die politische und wissenschaftliche Tagesordnung zu setzen.

In der Zwischenzeit ist jedoch das noch Anfang der 1980er Jahre dominierende Bild von Eugenik und Rassenhygiene als reaktionär-konservativen Wegbereitern des Nationalsozialismus weitgehend zerbröckelt. Studien über verschiedene nationale eugenische Bewegungen haben gezeigt, dass die Eugenik keineswegs auf Deutschland, einige andere europäische Staaten und die USA begrenzt war, sondern in Brasilien genauso wie in China, in der Sowjetunion genauso wie in Japan propagiert wurde. Es ist dabei deutlich geworden, dass eine Politik zur Verbesserung des Erbgutes keinesfalls ein Monopol der Nationalsozialisten war. Vertreter fast aller politischen Richtungen haben die Eugenik als ein Konzept zur genetischen Aufbesserung der menschlichen Rasse propagiert. Weder Sozialisten noch Anarchisten, weder Konservative noch Liberale waren gegen die Verlockungen der wissenschaftlich begründeten Sozialtechnologie der Eugenik immun. Auch religiöse Verankerungen beispielsweise im Katholizismus, Protestantismus oder Judentum verhinderten in keiner Form die Propagierung einer eugenischen Politik. Im Gegenteil: Es entwickelten sich sowohl katholische und protestantische als auch jüdische Spielarten der Eugenik, die teilweise die Gesetzgebung in einzelnen Ländern beeinflussen konnten. Ferner hat sich in historischen Fallstudien über einzelne Eugeniker gezeigt, dass Eugenik nicht per se auf eine pseudowissenschaftliche Ideologie reduziert werden kann. Einige Eugeniker des 20. Jahrhunderts zählten zweifellos zu den führenden Wissenschaftlern ihrer Zeit.

Das neue, von Eugenikforschern und zunehmend auch von Journalisten umrissene Bild der Eugenik ist gekennzeichnet durch die Hervorhebung der Vielfältigkeit dieser Bewegung. Immer neue nationale, politische oder wissenschaftliche Sonderwege der Eugenik werden entdeckt, sodass ein Netz von solchen Sonderwegen in der Zwischenzeit schon fast das Normalbild der Eugenik konstituiert. Die ursprüngliche orthodox-rassistische, an den mendelschen Vererbungsgesetzen orientierte Eugenik wird in der Zwischenzeit lediglich als eine der vielen Varianten der Eugenik betrachtet.

Mit diesem Bild von der Verschiedenartigkeit der Eugenik kann jedoch nicht das letzte Wort in Sachen Eugenik und Rassenhygiene gesprochen sein. Die lobenswerten Studien über die sozialistische Eugenik in Deutschland und in der Sowjetunion, über wissenschaftlich brillante Eugeniker in de

Details
Erscheinungsjahr: 2014
Genre: Geschichte
Jahrhundert: 20. Jahrhundert
Rubrik: Geisteswissenschaften
Medium: Taschenbuch
Seiten: 401
Inhalt: 401 S.
ISBN-13: 9783593399867
ISBN-10: 3593399865
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Kühl, Stefan
Auflage: 2/2014
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 213 x 142 x 25 mm
Von/Mit: Stefan Kühl
Erscheinungsdatum: 15.02.2014
Gewicht: 0,506 kg
preigu-id: 112033748
Details
Erscheinungsjahr: 2014
Genre: Geschichte
Jahrhundert: 20. Jahrhundert
Rubrik: Geisteswissenschaften
Medium: Taschenbuch
Seiten: 401
Inhalt: 401 S.
ISBN-13: 9783593399867
ISBN-10: 3593399865
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Kühl, Stefan
Auflage: 2/2014
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 213 x 142 x 25 mm
Von/Mit: Stefan Kühl
Erscheinungsdatum: 15.02.2014
Gewicht: 0,506 kg
preigu-id: 112033748
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