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Der Besuch
Taschenbuch von Jeremias Gotthelf
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
Klassiker aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, , Sprache: Deutsch, Abstract: Sommer wars, nach dem Heuet ungefähr, denn die Wiesen waren frisch gemäht, und im Felde stund noch das Korn. Gegen Abend gings, aber noch brannte die Sonne heiß, und dunkle Wolken stocketen am Himmel. Da saß auf einem Abweissteine an einer staubichten Landstraße ein junges Weib, hatte ein Kind an der Brust, und ein Kinderwägelchen stund vor ihr. Es war offenbar kein arm Weib, denn im Wägelchen war schönes, reines Bettzeug, und es selbst trug ländliche Tracht, zwar nicht hoffärtige, aber reiche, und doch schien es unglücklich; denn so munter, als der Bube auf seinem Schoße sog, ebenso stark weinte es gar bitterlich. Als der Junge endlich seinen Durst gestillt, wischte es, so gut es ging, die Tränen ab, packte ihn sorgfältig ins Wägelchen und zog fürbaß, aber mühsam, offenbar ermatteten Schrittes.

Das war eine junge Baurenfrau, die Frau des Sohnes des Tanzbodenbauers, welche heimwollte zum Besuch über den Sonntag; denn es war Samstagsnachmittag. Stüdeli war da aus den Dörfern herauf, wie man im Emmental zu sagen pflegt, hatte auf dem Tanzboden sich eingemannet. Der Tanzboden ist dem Weibervolk sonst ein sehr beliebter Aufenthaltsort, wie bekannt, und dieser Tanzboden, von dem hier die Rede ist, noch dazu ein recht schöner Hof und der Bauer nicht verschuldet und doch Stüdeli da oben nicht wohl; denn das Heimweh wollte ihns nicht loslassen. Wenn schon nicht die Worte, so doch die Töne klangen ihm immer und immer im Herzen: »Herz, mys Herz, warum so trurig, und was soll das Ach und Weh? ¿s ist so schön im fremden Lande, Herz, mys Herz, was witt de meh? Was mr fehlt? Es fehlt mr alles, bi so gar verlasse hie, möcht zum Ätti, möcht zum Müetti, ha nit Lust und ha nit Fride, bis ih i mym Dörfli bi.« Nun, in fremdem Lande war das Fraueli noch lange nicht. Der Tanzboden war kaum vier Stund von Straudachigen, wo Stüdeli daheim gewesen, entfernt, und doch schien es ihm, es sei auch so, wie es im gleichen Liede heißt: »Es ist wohl schön da oben, doch zur Heimet wird es nie!« Dieses Weh nach einer Heimat, die nicht zwei Stunden weit entfernt liegt, findet man oft im Schweizerland. Ja, es gibt Bauern, denen es nicht wohl wird, bis sie wieder auf den Hof, in das Haus, in welchem sie geboren wurden, eingezogen. Drei Stunden sind eine große Weite im Schweizerlande; wo innige Liebe ist, sind hundert Ellen eine grausame Weite.[...]
Klassiker aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, , Sprache: Deutsch, Abstract: Sommer wars, nach dem Heuet ungefähr, denn die Wiesen waren frisch gemäht, und im Felde stund noch das Korn. Gegen Abend gings, aber noch brannte die Sonne heiß, und dunkle Wolken stocketen am Himmel. Da saß auf einem Abweissteine an einer staubichten Landstraße ein junges Weib, hatte ein Kind an der Brust, und ein Kinderwägelchen stund vor ihr. Es war offenbar kein arm Weib, denn im Wägelchen war schönes, reines Bettzeug, und es selbst trug ländliche Tracht, zwar nicht hoffärtige, aber reiche, und doch schien es unglücklich; denn so munter, als der Bube auf seinem Schoße sog, ebenso stark weinte es gar bitterlich. Als der Junge endlich seinen Durst gestillt, wischte es, so gut es ging, die Tränen ab, packte ihn sorgfältig ins Wägelchen und zog fürbaß, aber mühsam, offenbar ermatteten Schrittes.

Das war eine junge Baurenfrau, die Frau des Sohnes des Tanzbodenbauers, welche heimwollte zum Besuch über den Sonntag; denn es war Samstagsnachmittag. Stüdeli war da aus den Dörfern herauf, wie man im Emmental zu sagen pflegt, hatte auf dem Tanzboden sich eingemannet. Der Tanzboden ist dem Weibervolk sonst ein sehr beliebter Aufenthaltsort, wie bekannt, und dieser Tanzboden, von dem hier die Rede ist, noch dazu ein recht schöner Hof und der Bauer nicht verschuldet und doch Stüdeli da oben nicht wohl; denn das Heimweh wollte ihns nicht loslassen. Wenn schon nicht die Worte, so doch die Töne klangen ihm immer und immer im Herzen: »Herz, mys Herz, warum so trurig, und was soll das Ach und Weh? ¿s ist so schön im fremden Lande, Herz, mys Herz, was witt de meh? Was mr fehlt? Es fehlt mr alles, bi so gar verlasse hie, möcht zum Ätti, möcht zum Müetti, ha nit Lust und ha nit Fride, bis ih i mym Dörfli bi.« Nun, in fremdem Lande war das Fraueli noch lange nicht. Der Tanzboden war kaum vier Stund von Straudachigen, wo Stüdeli daheim gewesen, entfernt, und doch schien es ihm, es sei auch so, wie es im gleichen Liede heißt: »Es ist wohl schön da oben, doch zur Heimet wird es nie!« Dieses Weh nach einer Heimat, die nicht zwei Stunden weit entfernt liegt, findet man oft im Schweizerland. Ja, es gibt Bauern, denen es nicht wohl wird, bis sie wieder auf den Hof, in das Haus, in welchem sie geboren wurden, eingezogen. Drei Stunden sind eine große Weite im Schweizerlande; wo innige Liebe ist, sind hundert Ellen eine grausame Weite.[...]
Details
Erscheinungsjahr: 2008
Genre: Allg. & vergl. Sprachwissenschaft
Rubrik: Sprachwissenschaft
Medium: Taschenbuch
Reihe: Deutsche Klassiker
Inhalt: 40 S.
ISBN-13: 9783640234493
ISBN-10: 3640234499
Sprache: Deutsch
Ausstattung / Beilage: Paperback
Einband: Kartoniert / Broschiert
Autor: Gotthelf, Jeremias
Auflage: 1. Auflage
Hersteller: GRIN Publishing
Deutsche Klassiker
Maße: 210 x 148 x 4 mm
Von/Mit: Jeremias Gotthelf
Erscheinungsdatum: 18.12.2008
Gewicht: 0,073 kg
Artikel-ID: 101687412
Details
Erscheinungsjahr: 2008
Genre: Allg. & vergl. Sprachwissenschaft
Rubrik: Sprachwissenschaft
Medium: Taschenbuch
Reihe: Deutsche Klassiker
Inhalt: 40 S.
ISBN-13: 9783640234493
ISBN-10: 3640234499
Sprache: Deutsch
Ausstattung / Beilage: Paperback
Einband: Kartoniert / Broschiert
Autor: Gotthelf, Jeremias
Auflage: 1. Auflage
Hersteller: GRIN Publishing
Deutsche Klassiker
Maße: 210 x 148 x 4 mm
Von/Mit: Jeremias Gotthelf
Erscheinungsdatum: 18.12.2008
Gewicht: 0,073 kg
Artikel-ID: 101687412
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