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Dekorationsartikel gehören nicht zum Leistungsumfang.
Arbeiter in der Moderne
Arbeitsbedingungen, Lebenswelten, Organisationen
Taschenbuch von Jürgen Schmidt
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
Einleitung

Arbeit, Arbeiter, Arbeiterbewegung, Arbeitergeschichte - das klingt wie die Steigerungsform eines Verschwindens. Arbeit, körperliche Arbeit, spielt in den europäischen Gesellschaften eine immer geringere Rolle. In Großbritannien, dem Pionierland der Industrialisierung, sind Arbeitsplätze in der Industrie fast völlig verschwunden. 2,7 Millionen registrierte Arbeitslose in Deutschland 2015, rund zwanzig Millionen im Euro-Raum der Europäischen Union im Sommer 2013 deuten darauf hin, dass Arbeit nicht für alle vorhanden ist. Die Bezeichnung "Arbeiter" wirkt in unserer Mittelstands- und Angestellten-Gesellschaft geradezu antiquiert. Kannte bis vor wenigen Jahren das deutsche Tarifsystem noch die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten, so ist bei den letzten Reformen diese tarifliche Differenzierung aufgelöst worden. In Deutschland werden in einer von Technik und Elektronik beherrschten Industrie keine Automechaniker - ein Begriff, der das Manuelle der Arbeit noch mitschwingen lässt - mehr ausgebildet, sondern Kraftfahrzeugmechatroniker. Und die Arbeiterbewegung scheint in ritualisierten Formeln von 1.-Mai-Demonstrationen oder medial inszenierten Tarifkonflikten erstarrt. Die beiden politischen Parteien in Deutschland, die "Sozialdemokratische Partei Deutschlands" sowie "Die Linke", die sich in der Tradition der deutschen Arbeiterbewegung sehen, begingen politischen Selbstmord, würden sie sich als bloße Interes-senvertreter der Arbeiterschaft definieren. Schließlich spielte in der Ge-schichtswissenschaft die Erforschung der Geschichte der Arbeiter und Arbeiterbewegung in den letzten zwanzig Jahren eine geringe Rolle.

Das ist die eine Seite, es gibt aber auch die andere. Überwindet man, erstens, die deutsche und europäische Perspektive und verschafft sich einen globalen Überblick, bleibt von dem scheinbar eindeutigen Auflö-sungsprozess nichts übrig. Arbeitergeschichte boomt beispielsweise in Indien und Lateinamerika. Zum einen zeigte das Plantagensystem in den Kolonien die Ausbeutung von Arbeitskraft in all ihrer Brutalität. Unfreie Arbeit ließ sich unter diesen Arbeitsbedingungen als Kategorie in vielfa-cher Weise analysieren. Die jüngere Forschung ging so in diesen Regionen neue Wege und suchte nicht nach Klassen im europäischen Sinn, sondern analysierte die kulturellen Bedingungen und Reaktionen der Arbeiterschaft im kolonialen Kontext. Zum anderen lenkten die aktuellen Entwicklungen in den außereuropäischen Regionen, in denen Arbeitsverhältnisse im informellen Sektor gang und gäbe sind, den Blick auf Arbeitsformen jenseits regulierter und normierter europäischer Lohnarbeit in Fabriken oder Werkstätten.

Eng verbunden mit diesen Entwicklungen ist, zweitens, ein Faktor, der die Geschichte der Arbeiter in der Moderne attraktiv und anschlussfähig für neuere Trends in der Geschichtswissenschaft macht. Die zunehmende globale Verflechtung von Menschen, Strukturen, Organisationen und Ent-wicklungen verhalf globalgeschichtlichen Ansätzen und Fragestellungen in der Geschichtswissenschaft in den letzten Jahren zum Durchbruch. Ar-beitergeschichte fügt sich in dieses Forschungsparadigma auf mehrfache Weise ein. Auf den 'Export' von europäischen Arbeitsformen und -prozessen in die koloniale Welt wurde bereits hingewiesen. Arbeiter waren darüber hinaus in der Moderne hochmobil und überwanden dabei oft regionale und nationale Grenzen. Außerdem dachte die Arbeiterbewegung stets international (auch wenn sie in entscheidenden Situationen oft national handelte). Zahlreiche Anknüpfungsmöglichkeiten sind hier also für die Arbeitergeschichte gegeben.

Die Krise der Arbeitsgesellschaft, sei es in Form des Arbeitsmangels (wie seit den 1970er-Jahren prophezeit und bis heute erlebt) oder in Form des Arbeitskräftemangels (wie es die neuesten Zukunftsszenarien an die Wand malen), forcierte sozialwissenschaftliche Fragestellungen zur Welt der Arbeit. Dies bietet, drittens, die Möglichkeit zum interdisziplinären
Einleitung

Arbeit, Arbeiter, Arbeiterbewegung, Arbeitergeschichte - das klingt wie die Steigerungsform eines Verschwindens. Arbeit, körperliche Arbeit, spielt in den europäischen Gesellschaften eine immer geringere Rolle. In Großbritannien, dem Pionierland der Industrialisierung, sind Arbeitsplätze in der Industrie fast völlig verschwunden. 2,7 Millionen registrierte Arbeitslose in Deutschland 2015, rund zwanzig Millionen im Euro-Raum der Europäischen Union im Sommer 2013 deuten darauf hin, dass Arbeit nicht für alle vorhanden ist. Die Bezeichnung "Arbeiter" wirkt in unserer Mittelstands- und Angestellten-Gesellschaft geradezu antiquiert. Kannte bis vor wenigen Jahren das deutsche Tarifsystem noch die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten, so ist bei den letzten Reformen diese tarifliche Differenzierung aufgelöst worden. In Deutschland werden in einer von Technik und Elektronik beherrschten Industrie keine Automechaniker - ein Begriff, der das Manuelle der Arbeit noch mitschwingen lässt - mehr ausgebildet, sondern Kraftfahrzeugmechatroniker. Und die Arbeiterbewegung scheint in ritualisierten Formeln von 1.-Mai-Demonstrationen oder medial inszenierten Tarifkonflikten erstarrt. Die beiden politischen Parteien in Deutschland, die "Sozialdemokratische Partei Deutschlands" sowie "Die Linke", die sich in der Tradition der deutschen Arbeiterbewegung sehen, begingen politischen Selbstmord, würden sie sich als bloße Interes-senvertreter der Arbeiterschaft definieren. Schließlich spielte in der Ge-schichtswissenschaft die Erforschung der Geschichte der Arbeiter und Arbeiterbewegung in den letzten zwanzig Jahren eine geringe Rolle.

Das ist die eine Seite, es gibt aber auch die andere. Überwindet man, erstens, die deutsche und europäische Perspektive und verschafft sich einen globalen Überblick, bleibt von dem scheinbar eindeutigen Auflö-sungsprozess nichts übrig. Arbeitergeschichte boomt beispielsweise in Indien und Lateinamerika. Zum einen zeigte das Plantagensystem in den Kolonien die Ausbeutung von Arbeitskraft in all ihrer Brutalität. Unfreie Arbeit ließ sich unter diesen Arbeitsbedingungen als Kategorie in vielfa-cher Weise analysieren. Die jüngere Forschung ging so in diesen Regionen neue Wege und suchte nicht nach Klassen im europäischen Sinn, sondern analysierte die kulturellen Bedingungen und Reaktionen der Arbeiterschaft im kolonialen Kontext. Zum anderen lenkten die aktuellen Entwicklungen in den außereuropäischen Regionen, in denen Arbeitsverhältnisse im informellen Sektor gang und gäbe sind, den Blick auf Arbeitsformen jenseits regulierter und normierter europäischer Lohnarbeit in Fabriken oder Werkstätten.

Eng verbunden mit diesen Entwicklungen ist, zweitens, ein Faktor, der die Geschichte der Arbeiter in der Moderne attraktiv und anschlussfähig für neuere Trends in der Geschichtswissenschaft macht. Die zunehmende globale Verflechtung von Menschen, Strukturen, Organisationen und Ent-wicklungen verhalf globalgeschichtlichen Ansätzen und Fragestellungen in der Geschichtswissenschaft in den letzten Jahren zum Durchbruch. Ar-beitergeschichte fügt sich in dieses Forschungsparadigma auf mehrfache Weise ein. Auf den 'Export' von europäischen Arbeitsformen und -prozessen in die koloniale Welt wurde bereits hingewiesen. Arbeiter waren darüber hinaus in der Moderne hochmobil und überwanden dabei oft regionale und nationale Grenzen. Außerdem dachte die Arbeiterbewegung stets international (auch wenn sie in entscheidenden Situationen oft national handelte). Zahlreiche Anknüpfungsmöglichkeiten sind hier also für die Arbeitergeschichte gegeben.

Die Krise der Arbeitsgesellschaft, sei es in Form des Arbeitsmangels (wie seit den 1970er-Jahren prophezeit und bis heute erlebt) oder in Form des Arbeitskräftemangels (wie es die neuesten Zukunftsszenarien an die Wand malen), forcierte sozialwissenschaftliche Fragestellungen zur Welt der Arbeit. Dies bietet, drittens, die Möglichkeit zum interdisziplinären
Details
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Recht, Sozialwissenschaften, Wirtschaft
Medium: Taschenbuch
Inhalt: 285 S.
ISBN-13: 9783593503400
ISBN-10: 3593503409
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Schmidt, Jürgen
Auflage: 1/2015
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 214 x 140 x 17 mm
Von/Mit: Jürgen Schmidt
Erscheinungsdatum: 15.09.2015
Gewicht: 0,361 kg
Artikel-ID: 104700455
Details
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Recht, Sozialwissenschaften, Wirtschaft
Medium: Taschenbuch
Inhalt: 285 S.
ISBN-13: 9783593503400
ISBN-10: 3593503409
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Schmidt, Jürgen
Auflage: 1/2015
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 214 x 140 x 17 mm
Von/Mit: Jürgen Schmidt
Erscheinungsdatum: 15.09.2015
Gewicht: 0,361 kg
Artikel-ID: 104700455
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