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Abschied vom Provisorium
Geschichte der Bundesrepublik 1982-1990
Buch von Andreas Wirsching
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
Einführung: Epochenwechsel

Dies ist der sechste Band der Reihe »Geschichte der Bundesrepublik Deutschland«, die von 1981 bis 1987 erschien. Daß er anders aussieht als seine Vorgänger, hängt mit seinem Gegenstand zusammen. Denn als die Reihe begründet wurde, spiegelte sie einen sehr spezifischen Zeitgeist wider. In den achtziger Jahren verabschiedete sich die »alte« Bundesrepublik endgültig von ihrem Selbstverständnis als Provisorium, und als sie im Mai 1989 auf vier Jahrzehnte ihres Bestehens zurückblicken konnte, war sie tatsächlich viel mehr, ja im Grunde »ein ganz normaler Staat«: Sie war zu einem weitgehend souveränen deutschen Teilstaat mit einer eigenständigen Staatsräson und einem etablierten Platz im westlichen Bündnis geworden. In ihr hatten sich neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse ebenso entfaltet wie eine spezifische politische Kultur. Als Teilstaat verfügte die Bundesrepublik über eigene Traditionen und eine eigene Geschichte: eine Geschichte, von der viele glaubten, der Zeitpunkt sei nunmehr gekommen, ihr einen angemessenen Platz in der interessierten Öffentlichkeit zu verschaffen. Die Idee, die Geschichte der Bundesrepublik als Teilstaat in einem großen, mehrbändigen und repräsentativ ausgestatteten Werk darzulegen, atmete mithin den gleichen Geist wie das ebenfalls in den achtziger Jahren vorangetriebene Vorhaben, ihre Geschichte im Museum auszustellen. »Wie sehr sie sich dagegen gesträubt hat, die Bundesrepublik Deutschland hat eine Geschichte, und diese soll erzählt werden.«
Nun gehört es zu den größten Ironien der neuesten deutschen Geschichte, daß der tatsächliche Abschied vom Provisorium zu eben jenem Zeitpunkt gleichsam »passierte«, als sich die »alte« Bundesrepublik definitiv von ihrem Selbstverständnis als Provisorium löste. 1989/90 vollzog sich der Abschied vom Provisorium also in ganz anderer Weise, als ihn die große Mehrheit der Westdeutschen gerade vorzunehmen im Begriff war. Dem entspricht es, wenn das vorliegende Buch eine doppelte Sichtweise eröffnet. Zum einen weiß es sich seinen Vorgängern und der Konzeption der Reihe insofern verpflichtet, als es mehr oder minder strikt aus der Perspektive der (alten) Bundesrepublik geschrieben ist. Zum anderen aber kann und will es natürlich nicht verleugnen, daß sein Standort in der »neuen« Bundesrepublik liegt. Äußerlich ist dies schon
daran erkennbar, daß ihm die bewußt repräsentative Ausstattung seiner Vorgänger fehlt.
Verführerisch, aber aus den bereits genannten Gründen inadäquat wäre es, den achtziger Jahren ex post einen wiedervereinigungsgeschichtlichen Subtext einzuschreiben. Den dramatis personae mag sich eine solche Anschauung aufdrängen, faktisch aber hat es ihn nicht gegeben. Andererseits verändert die weltgeschichtliche Zäsur von 1989/91 den Blick auf den Gegenstand, was dieses Buch von seinen Vorgängern unterscheidet. Sie erleichtert zugleich die Antwort auf die Frage, ob es der Historiker überhaupt wagen könne, sich auf einen solchen Stoff der jüngsten Geschichte einzulassen. Denn unstreitig entkräftet der Epochenwechsel den klassischen Einwand einer zu geringen zeitlichen Distanz zum Gegenstand.
Wie tief die Zäsur und wie weit entfernt der im folgenden verhandelte Gegenstand zum Teil bereits ist, zeigt sich nicht nur an den politischen Daten. Auch andere, gleichsam stillere Beispiele wie etwa die Geschichte der Wiedergutmachung weisen in die gleiche Richtung. So stimmten in den achtziger Jahren viele Experten darin überein, darunter auch der Nestor der Materie, Walter Schwarz, die Wiedergutmachung sei nun zum Abschluß gekommen.
Auch die technisch-kulturelle Entwicklung unterstreicht den Epochenwandel. So stellte etwa die Bundesregierung nach ihrem Wahlsieg vom 2. Dezember 1990 Überlegungen zur künftigen Finanzierung der deutschen Einheit an. Am 8. Januar 1991 beschloß die Koalitionsrunde unter anderem, den Telefontakt um einige Sekunden zu verkürzen, um die dadurch erzielten Mehreinnahmen der Bundespost in die Gestaltung der inneren Einheit zu investieren. Bedenkt man, welche Entwicklung das Telekommunikationswesen seitdem genommen hat, so wird die Geschwindigkeit des Umbruchs ebenso deutlich wie die Untauglichkeit des damaligen Vorschlags.
Solche Beispiele, deren Liste sich unschwer vermehren ließe, zeigen schlaglichtartig, wie groß die Distanz zu den achtziger Jahren inzwischen geworden ist. Und nimmt man Hans-Peter Schwarz beim Wort mit seinem Plädoyer für ein Schreiben der »neuesten Zeitgeschichte«, wenn sie noch »qualmt«, und das heißt nach der »tiefen, weltgeschichtlichen Zäsur« von 1989 bis 1991, dann befinden wir uns auf den folgenden Seiten schon auf hinreichend sicherem Terrain. Tatsächlich qualmt die Geschichte der achtziger Jahre nicht mehr, wenngleich sie zweifellos noch glüht, um im Bilde zu bleiben. Während daher die »Primärerfahrung« der Akteure und Zeitzeugen noch einen wichtigen zeitgeschichtlichen Zugang zu den achtziger Jahren bildet, lassen sie sich doch zugleich schon als Gegenstand wissenschaftlicher Geschichtsschreibung konstituieren. Das gilt auch, wenn entscheidende Kontinuitäten wie etwa im Bereich der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik sowie der kulturellen Entwicklungen bis in die unmittelbare Gegenwart hineinreichen. Sie sind unübersehbar und werden im Verlauf der Darstellung gebührend zur Geltung kommen.
Der andere klassische Einwand gegen die historische Beschäftigung mit der jüngsten Zeitgeschichte betrifft den Quellenzugang. Zwar unterlagen auch die Forschungen zu diesem Buch der dreißigjährigen Sperrfrist staatlicher Akten. Allerdings gilt dies nicht für die Bestände der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO), auf die vor allem für die Analyse der Deutschlandpolitik exemplarisch zurückgegriffen werden konnte. Hauptsächlich aber ließ sich die Quellenlage durch einen gänzlich unbeschränkten Zugriff auf die Parteiarchive substantiell erweitern. Am wichtigsten war das Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung, das insbesondere mit den Wortprotokollen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine reiche Mine an Information bereithält. Aber auch die Materialien der Friedrich-Naumann-Stiftung (Archiv des Liberalismus) und der Friedrich-Ebert-Stiftung (Archiv der sozialen Demokratie) erlaubten eine Vielzahl von Einsichten. Gleiches gilt für das Archiv Grünes Gedächtnis, dessen Bestände gerade die Aufstiegsphase der GRÜNEN als politische Kraft plastisch dokumentieren.
Schlechterdings unübersehbar ist die Fülle der gedruckten Quellen und Literatur. Die achtziger Jahre selbst und und das Nachdenken über sie haben eine Flut von Veröffentlichungen hervorgebracht; jeder Anspruch auf Vollständigkeit wäre Illusion. Es würde daher den Rahmen sprengen, an dieser Stelle einen umfassenden Forschungsbericht geben zu wollen, zumal sich auch von einem Forschungsstand im engeren Sinne nur eingeschränkt sprechen läßt. Historiker haben sich der Dekade als ganzer ohnehin erst ausnahmsweise zugewandt. Demgegenüber läßt sich die Masse der vorliegenden, äußerst heterogenen Literatur grosso modo in drei Kategorien einteilen.
Erstens sind jene Arbeiten zu nennen, die in der einen oder anderen Weise aus den politischen Auseinandersetzungen der Zeit selbst hervorgegangen sind. In nachdrücklicher Form tragen sie das Zeichen des zeitgenössischen Engagements, zugleich aber beruhen sie auf den wertvollen
Informationen und Reflexionen der Mitlebenden, sei es der Akteure selbst oder der beobachtenden und analysierenden Publizisten.
Zweitens entstand in den achtziger Jahren selbst eine Fülle an Politik und sozialwissenschaftlicher Literatur über die zeitgenössische Politik, Gesellschaft und Kultur der Bundesrepublik. Ihre Themen betreffen eine kaum zu überblickende Spannbreite. Sie reicht von der Erforschung der Parteien, des Regierungssystems und des Sozialstaats bis hin zu empirischen Datenerhebungen und Analysen über Wertewandel und neue Milieus, Arbeitsbedingungen und Armutskarrieren.
Beide genannten Kategorien kennzeichnet es, daß sich bei ihrem Gebrauch durch den Historiker die Grenzen zwischen Quelle und Sekundärforschung häufig verflüssigen. Anders verhält es sich indes bei der dritten Kategorie, das heißt jenen politik- und sozialwissenschaftlichen sowie zeithistorischen Forschungen, die mit einem gewissen zeitlichen Abstand auf die Dekade verfaßt worden sind und daher bereits von der oben diskutierten Distanz zum Gegenstand profitieren. Schwerpunkte bestehen insbesondere in der Außen- und Deutschlandpolitik, der Erforschung konkreter innenpolitischer Entscheidungsprozesse und Politikfelder sowie der Geschichtskultur. Überdies wurden eingehende Forschungen zur inzwischen weitgehend ausgeleuchteten Geschichte der Wiedervereinigung sowie zur Geschichte der Sozialpolitik noch von der Regierung Kohl in Auftrag gegeben. Sie konnten von einem privilegierten Zugang zu ansonsten gesperrten staatlichen Archivalien profitieren.
An diese Forschungslage anknüpfend, weiß sich das vorliegende Buch als Gesamtdarstellung des letzten Jahrzehnts der »alten« Bundesrepublik einem weiten Geschichtsverständnis verpflichtet. Zwar orientiert es sich an dem Gliederungsprinzip der Reihe, nämlich an den Amtszeiten der Bundeskanzler; dementsprechend setzt auch die Darstellung chronologisch mit dem Regierungswechsel vom 1. Oktober 1982 ein. Aber die zentralen politischen Herausforderungen und Entscheidungen dieser Zeit müßten weitgehend unverständlich bleiben, würden sie nicht verknüpft mit den Bedingungen des Parteien- und Regierungssystems, den großen ökonomischen und sozialen Strukturen und Prozessen sowie mit der Entfaltung neuer kultureller Tendenzen. Die strukturanalytisch verfahrenden Kapitel, die in einem interdisziplinären Zugriff den Determinanten und der Dynamik jener Prozesse nachzuspüren suchen, greifen daher immer wieder in die siebziger Jahre zurück.
Mithin rahmen ein überwiegend...
Einführung: Epochenwechsel

Dies ist der sechste Band der Reihe »Geschichte der Bundesrepublik Deutschland«, die von 1981 bis 1987 erschien. Daß er anders aussieht als seine Vorgänger, hängt mit seinem Gegenstand zusammen. Denn als die Reihe begründet wurde, spiegelte sie einen sehr spezifischen Zeitgeist wider. In den achtziger Jahren verabschiedete sich die »alte« Bundesrepublik endgültig von ihrem Selbstverständnis als Provisorium, und als sie im Mai 1989 auf vier Jahrzehnte ihres Bestehens zurückblicken konnte, war sie tatsächlich viel mehr, ja im Grunde »ein ganz normaler Staat«: Sie war zu einem weitgehend souveränen deutschen Teilstaat mit einer eigenständigen Staatsräson und einem etablierten Platz im westlichen Bündnis geworden. In ihr hatten sich neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse ebenso entfaltet wie eine spezifische politische Kultur. Als Teilstaat verfügte die Bundesrepublik über eigene Traditionen und eine eigene Geschichte: eine Geschichte, von der viele glaubten, der Zeitpunkt sei nunmehr gekommen, ihr einen angemessenen Platz in der interessierten Öffentlichkeit zu verschaffen. Die Idee, die Geschichte der Bundesrepublik als Teilstaat in einem großen, mehrbändigen und repräsentativ ausgestatteten Werk darzulegen, atmete mithin den gleichen Geist wie das ebenfalls in den achtziger Jahren vorangetriebene Vorhaben, ihre Geschichte im Museum auszustellen. »Wie sehr sie sich dagegen gesträubt hat, die Bundesrepublik Deutschland hat eine Geschichte, und diese soll erzählt werden.«
Nun gehört es zu den größten Ironien der neuesten deutschen Geschichte, daß der tatsächliche Abschied vom Provisorium zu eben jenem Zeitpunkt gleichsam »passierte«, als sich die »alte« Bundesrepublik definitiv von ihrem Selbstverständnis als Provisorium löste. 1989/90 vollzog sich der Abschied vom Provisorium also in ganz anderer Weise, als ihn die große Mehrheit der Westdeutschen gerade vorzunehmen im Begriff war. Dem entspricht es, wenn das vorliegende Buch eine doppelte Sichtweise eröffnet. Zum einen weiß es sich seinen Vorgängern und der Konzeption der Reihe insofern verpflichtet, als es mehr oder minder strikt aus der Perspektive der (alten) Bundesrepublik geschrieben ist. Zum anderen aber kann und will es natürlich nicht verleugnen, daß sein Standort in der »neuen« Bundesrepublik liegt. Äußerlich ist dies schon
daran erkennbar, daß ihm die bewußt repräsentative Ausstattung seiner Vorgänger fehlt.
Verführerisch, aber aus den bereits genannten Gründen inadäquat wäre es, den achtziger Jahren ex post einen wiedervereinigungsgeschichtlichen Subtext einzuschreiben. Den dramatis personae mag sich eine solche Anschauung aufdrängen, faktisch aber hat es ihn nicht gegeben. Andererseits verändert die weltgeschichtliche Zäsur von 1989/91 den Blick auf den Gegenstand, was dieses Buch von seinen Vorgängern unterscheidet. Sie erleichtert zugleich die Antwort auf die Frage, ob es der Historiker überhaupt wagen könne, sich auf einen solchen Stoff der jüngsten Geschichte einzulassen. Denn unstreitig entkräftet der Epochenwechsel den klassischen Einwand einer zu geringen zeitlichen Distanz zum Gegenstand.
Wie tief die Zäsur und wie weit entfernt der im folgenden verhandelte Gegenstand zum Teil bereits ist, zeigt sich nicht nur an den politischen Daten. Auch andere, gleichsam stillere Beispiele wie etwa die Geschichte der Wiedergutmachung weisen in die gleiche Richtung. So stimmten in den achtziger Jahren viele Experten darin überein, darunter auch der Nestor der Materie, Walter Schwarz, die Wiedergutmachung sei nun zum Abschluß gekommen.
Auch die technisch-kulturelle Entwicklung unterstreicht den Epochenwandel. So stellte etwa die Bundesregierung nach ihrem Wahlsieg vom 2. Dezember 1990 Überlegungen zur künftigen Finanzierung der deutschen Einheit an. Am 8. Januar 1991 beschloß die Koalitionsrunde unter anderem, den Telefontakt um einige Sekunden zu verkürzen, um die dadurch erzielten Mehreinnahmen der Bundespost in die Gestaltung der inneren Einheit zu investieren. Bedenkt man, welche Entwicklung das Telekommunikationswesen seitdem genommen hat, so wird die Geschwindigkeit des Umbruchs ebenso deutlich wie die Untauglichkeit des damaligen Vorschlags.
Solche Beispiele, deren Liste sich unschwer vermehren ließe, zeigen schlaglichtartig, wie groß die Distanz zu den achtziger Jahren inzwischen geworden ist. Und nimmt man Hans-Peter Schwarz beim Wort mit seinem Plädoyer für ein Schreiben der »neuesten Zeitgeschichte«, wenn sie noch »qualmt«, und das heißt nach der »tiefen, weltgeschichtlichen Zäsur« von 1989 bis 1991, dann befinden wir uns auf den folgenden Seiten schon auf hinreichend sicherem Terrain. Tatsächlich qualmt die Geschichte der achtziger Jahre nicht mehr, wenngleich sie zweifellos noch glüht, um im Bilde zu bleiben. Während daher die »Primärerfahrung« der Akteure und Zeitzeugen noch einen wichtigen zeitgeschichtlichen Zugang zu den achtziger Jahren bildet, lassen sie sich doch zugleich schon als Gegenstand wissenschaftlicher Geschichtsschreibung konstituieren. Das gilt auch, wenn entscheidende Kontinuitäten wie etwa im Bereich der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik sowie der kulturellen Entwicklungen bis in die unmittelbare Gegenwart hineinreichen. Sie sind unübersehbar und werden im Verlauf der Darstellung gebührend zur Geltung kommen.
Der andere klassische Einwand gegen die historische Beschäftigung mit der jüngsten Zeitgeschichte betrifft den Quellenzugang. Zwar unterlagen auch die Forschungen zu diesem Buch der dreißigjährigen Sperrfrist staatlicher Akten. Allerdings gilt dies nicht für die Bestände der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO), auf die vor allem für die Analyse der Deutschlandpolitik exemplarisch zurückgegriffen werden konnte. Hauptsächlich aber ließ sich die Quellenlage durch einen gänzlich unbeschränkten Zugriff auf die Parteiarchive substantiell erweitern. Am wichtigsten war das Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung, das insbesondere mit den Wortprotokollen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine reiche Mine an Information bereithält. Aber auch die Materialien der Friedrich-Naumann-Stiftung (Archiv des Liberalismus) und der Friedrich-Ebert-Stiftung (Archiv der sozialen Demokratie) erlaubten eine Vielzahl von Einsichten. Gleiches gilt für das Archiv Grünes Gedächtnis, dessen Bestände gerade die Aufstiegsphase der GRÜNEN als politische Kraft plastisch dokumentieren.
Schlechterdings unübersehbar ist die Fülle der gedruckten Quellen und Literatur. Die achtziger Jahre selbst und und das Nachdenken über sie haben eine Flut von Veröffentlichungen hervorgebracht; jeder Anspruch auf Vollständigkeit wäre Illusion. Es würde daher den Rahmen sprengen, an dieser Stelle einen umfassenden Forschungsbericht geben zu wollen, zumal sich auch von einem Forschungsstand im engeren Sinne nur eingeschränkt sprechen läßt. Historiker haben sich der Dekade als ganzer ohnehin erst ausnahmsweise zugewandt. Demgegenüber läßt sich die Masse der vorliegenden, äußerst heterogenen Literatur grosso modo in drei Kategorien einteilen.
Erstens sind jene Arbeiten zu nennen, die in der einen oder anderen Weise aus den politischen Auseinandersetzungen der Zeit selbst hervorgegangen sind. In nachdrücklicher Form tragen sie das Zeichen des zeitgenössischen Engagements, zugleich aber beruhen sie auf den wertvollen
Informationen und Reflexionen der Mitlebenden, sei es der Akteure selbst oder der beobachtenden und analysierenden Publizisten.
Zweitens entstand in den achtziger Jahren selbst eine Fülle an Politik und sozialwissenschaftlicher Literatur über die zeitgenössische Politik, Gesellschaft und Kultur der Bundesrepublik. Ihre Themen betreffen eine kaum zu überblickende Spannbreite. Sie reicht von der Erforschung der Parteien, des Regierungssystems und des Sozialstaats bis hin zu empirischen Datenerhebungen und Analysen über Wertewandel und neue Milieus, Arbeitsbedingungen und Armutskarrieren.
Beide genannten Kategorien kennzeichnet es, daß sich bei ihrem Gebrauch durch den Historiker die Grenzen zwischen Quelle und Sekundärforschung häufig verflüssigen. Anders verhält es sich indes bei der dritten Kategorie, das heißt jenen politik- und sozialwissenschaftlichen sowie zeithistorischen Forschungen, die mit einem gewissen zeitlichen Abstand auf die Dekade verfaßt worden sind und daher bereits von der oben diskutierten Distanz zum Gegenstand profitieren. Schwerpunkte bestehen insbesondere in der Außen- und Deutschlandpolitik, der Erforschung konkreter innenpolitischer Entscheidungsprozesse und Politikfelder sowie der Geschichtskultur. Überdies wurden eingehende Forschungen zur inzwischen weitgehend ausgeleuchteten Geschichte der Wiedervereinigung sowie zur Geschichte der Sozialpolitik noch von der Regierung Kohl in Auftrag gegeben. Sie konnten von einem privilegierten Zugang zu ansonsten gesperrten staatlichen Archivalien profitieren.
An diese Forschungslage anknüpfend, weiß sich das vorliegende Buch als Gesamtdarstellung des letzten Jahrzehnts der »alten« Bundesrepublik einem weiten Geschichtsverständnis verpflichtet. Zwar orientiert es sich an dem Gliederungsprinzip der Reihe, nämlich an den Amtszeiten der Bundeskanzler; dementsprechend setzt auch die Darstellung chronologisch mit dem Regierungswechsel vom 1. Oktober 1982 ein. Aber die zentralen politischen Herausforderungen und Entscheidungen dieser Zeit müßten weitgehend unverständlich bleiben, würden sie nicht verknüpft mit den Bedingungen des Parteien- und Regierungssystems, den großen ökonomischen und sozialen Strukturen und Prozessen sowie mit der Entfaltung neuer kultureller Tendenzen. Die strukturanalytisch verfahrenden Kapitel, die in einem interdisziplinären Zugriff den Determinanten und der Dynamik jener Prozesse nachzuspüren suchen, greifen daher immer wieder in die siebziger Jahre zurück.
Mithin rahmen ein überwiegend...
Details
Erscheinungsjahr: 2006
Medium: Buch
Seiten: 848
Inhalt: 848 S.
ISBN-13: 9783421067371
ISBN-10: 3421067376
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Wirsching, Andreas
dva deutsche verlags-anstalt gmbh: DVA Deutsche Verlags-Anstalt GmbH
penguin random house verlagsgruppe gmbh: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Maße: 245 x 180 x 50 mm
Von/Mit: Andreas Wirsching
Erscheinungsdatum: 04.04.2006
Gewicht: 1,517 kg
preigu-id: 102254476
Details
Erscheinungsjahr: 2006
Medium: Buch
Seiten: 848
Inhalt: 848 S.
ISBN-13: 9783421067371
ISBN-10: 3421067376
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Wirsching, Andreas
dva deutsche verlags-anstalt gmbh: DVA Deutsche Verlags-Anstalt GmbH
penguin random house verlagsgruppe gmbh: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Maße: 245 x 180 x 50 mm
Von/Mit: Andreas Wirsching
Erscheinungsdatum: 04.04.2006
Gewicht: 1,517 kg
preigu-id: 102254476
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