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Christopher Daase/Stefan Engert/Julian Junk
Sichere Gesellschaften fordern immer mehr Sicherheit. Der Staat, traditionell verantwortlich für die Sicherheitsgewährleistung, gerät dadurch an die Grenzen seiner Steuerungsfähigkeit. In Zeiten globaler Risiken ist er allein schon durch seine territoriale Begrenztheit in seinen Kapazitäten eingeschränkt, die wachsenden Sicherheitsbedürfnisse seiner vielfach verunsicherten Bevölkerung vollständig zu befriedigen. Gleichwohl machen politische Entscheidungsträger immer größere Sicherheitsversprechen, die ihr Verwaltungsapparat in Zeiten begrenzter Haushaltsbudgets kaum mehr einzulösen vermag. Damit befindet sich der Staat in einer paradoxen Situation. Je mehr Sicherheit er bereitstellt, desto weitgehender werden die gesellschaftlichen Sicherheitsanforderungen und desto weniger ist er selber in der Lage, diese zu befriedigen. Der Staat wird zum Opfer seines eigenen Erfolgs. Dies, so legen es die Beiträge des ersten Bandes dieser Buchreihe nahe, ist einer der Haupteffekte des Wandels der Sicherheitskultur (vgl. Daase et al. 2012).
Während der erste Band den Begriff der Sicherheitskultur konzeptionell schärfte sowie den Wandel der Sicherheitskultur auf gesellschaftlicher und staatlicher Ebene beschrieb, untersucht der vorliegende Band die Folgen dieses Wandels für die Sicherheitspolitik in unterschiedlichen Politikfeldern. Die Analysen basieren auf einem liberalen Politikmodell, das die innenpolitischen Faktoren von Sicherheitspolitik ins Zentrum rückt und das wir im Folgenden kurz umreißen werden. Im zweiten Abschnitt gehen wir nochmals auf die Erweiterung des Sicherheitsverständnisses in den letzten Jahrzehnten ein und formulieren anhand von vier Dimensionen die dadurch entstandenen Herausforderungen für die Sicherheitspolitik. In diesem Zusammenhang kommt der Kommunikation von Gefahr und Sicherheit und dem Zusammenwirken von Laien- und Expertenwissen im Rahmen einer demokratischen Sicherheitspolitik eine zentrale Rolle zu. Der dritte Teil dieser Einleitung widmet sich daher in aller Kürze dem Zusammenwirken von Politik, Gesellschaft und Wissenschaft bevor im vierten Teil ein Überblick über die Beiträge dieses Bandes gegeben wird.
Das liberale Politikmodell und die verschiedenen Ebenen der Sicherheitspolitik
Das liberale Politikmodell, das diesem Band zugrunde liegt (vgl. Putnam 1988; Gourevitch 2002), bricht mit der immer noch verbreiteten Annahme, dass die Formulierung von Sicherheitspolitik allein Sache des Staates - also der Regierung - ist und ausschließlich 'von oben' entschieden wird. Die Vorstellung, dass der Staat eine monolithische Handlungseinheit ist (vgl. Waltz 1979), Sicherheitspolitik eine exklusive Domäne der Regierung und ein "Primat der Außenpolitik" existiert (Ranke in Heffter 1951: 1), greift in Zeiten weitgehend entterritorialisierter funktionaler Räume zu kurz: Sie ist nicht länger angemessen, um die moderne, durch Interdependenz und Akteurspluralität gekennzeichnete internationale Gesellschaft und ihre Entscheidungsprozesse zu verstehen. Zwar bestätigen auch die hier vorgelegten Analysen, dass dem Staat immer noch eine zentrale Rolle als policy maker zukommt, sie verstehen ihn aber gleichzeitig als Produkt der dominanten gesellschaftlichen Interessengruppen und Präferenzen (Moravcsik 1997: 519). Die liberale Perspektive bricht mit dem unitären Staatsmodell, indem sie die black box 'Staat' öffnet und den Blick auf die innenpolitische Arena lenkt. Damit gelangen die politischen Entscheidungsprozesse und die konkurrierenden gesellschaftlichen Sicherheitsinteressen - das sogenannte "second image" (Gourevitch 1978; Waltz 1959: 12-13) - wieder in den Fokus.
Der Abschied von der Vorstellung des Nationalstaats (oder einer internationalen Organisation) als einheitlich handelnden Akteur macht die Analyse von Sicherheitspolitik einerseits komplexer, öffnet andererseits aber den
Christopher Daase/Stefan Engert/Julian Junk
Sichere Gesellschaften fordern immer mehr Sicherheit. Der Staat, traditionell verantwortlich für die Sicherheitsgewährleistung, gerät dadurch an die Grenzen seiner Steuerungsfähigkeit. In Zeiten globaler Risiken ist er allein schon durch seine territoriale Begrenztheit in seinen Kapazitäten eingeschränkt, die wachsenden Sicherheitsbedürfnisse seiner vielfach verunsicherten Bevölkerung vollständig zu befriedigen. Gleichwohl machen politische Entscheidungsträger immer größere Sicherheitsversprechen, die ihr Verwaltungsapparat in Zeiten begrenzter Haushaltsbudgets kaum mehr einzulösen vermag. Damit befindet sich der Staat in einer paradoxen Situation. Je mehr Sicherheit er bereitstellt, desto weitgehender werden die gesellschaftlichen Sicherheitsanforderungen und desto weniger ist er selber in der Lage, diese zu befriedigen. Der Staat wird zum Opfer seines eigenen Erfolgs. Dies, so legen es die Beiträge des ersten Bandes dieser Buchreihe nahe, ist einer der Haupteffekte des Wandels der Sicherheitskultur (vgl. Daase et al. 2012).
Während der erste Band den Begriff der Sicherheitskultur konzeptionell schärfte sowie den Wandel der Sicherheitskultur auf gesellschaftlicher und staatlicher Ebene beschrieb, untersucht der vorliegende Band die Folgen dieses Wandels für die Sicherheitspolitik in unterschiedlichen Politikfeldern. Die Analysen basieren auf einem liberalen Politikmodell, das die innenpolitischen Faktoren von Sicherheitspolitik ins Zentrum rückt und das wir im Folgenden kurz umreißen werden. Im zweiten Abschnitt gehen wir nochmals auf die Erweiterung des Sicherheitsverständnisses in den letzten Jahrzehnten ein und formulieren anhand von vier Dimensionen die dadurch entstandenen Herausforderungen für die Sicherheitspolitik. In diesem Zusammenhang kommt der Kommunikation von Gefahr und Sicherheit und dem Zusammenwirken von Laien- und Expertenwissen im Rahmen einer demokratischen Sicherheitspolitik eine zentrale Rolle zu. Der dritte Teil dieser Einleitung widmet sich daher in aller Kürze dem Zusammenwirken von Politik, Gesellschaft und Wissenschaft bevor im vierten Teil ein Überblick über die Beiträge dieses Bandes gegeben wird.
Das liberale Politikmodell und die verschiedenen Ebenen der Sicherheitspolitik
Das liberale Politikmodell, das diesem Band zugrunde liegt (vgl. Putnam 1988; Gourevitch 2002), bricht mit der immer noch verbreiteten Annahme, dass die Formulierung von Sicherheitspolitik allein Sache des Staates - also der Regierung - ist und ausschließlich 'von oben' entschieden wird. Die Vorstellung, dass der Staat eine monolithische Handlungseinheit ist (vgl. Waltz 1979), Sicherheitspolitik eine exklusive Domäne der Regierung und ein "Primat der Außenpolitik" existiert (Ranke in Heffter 1951: 1), greift in Zeiten weitgehend entterritorialisierter funktionaler Räume zu kurz: Sie ist nicht länger angemessen, um die moderne, durch Interdependenz und Akteurspluralität gekennzeichnete internationale Gesellschaft und ihre Entscheidungsprozesse zu verstehen. Zwar bestätigen auch die hier vorgelegten Analysen, dass dem Staat immer noch eine zentrale Rolle als policy maker zukommt, sie verstehen ihn aber gleichzeitig als Produkt der dominanten gesellschaftlichen Interessengruppen und Präferenzen (Moravcsik 1997: 519). Die liberale Perspektive bricht mit dem unitären Staatsmodell, indem sie die black box 'Staat' öffnet und den Blick auf die innenpolitische Arena lenkt. Damit gelangen die politischen Entscheidungsprozesse und die konkurrierenden gesellschaftlichen Sicherheitsinteressen - das sogenannte "second image" (Gourevitch 1978; Waltz 1959: 12-13) - wieder in den Fokus.
Der Abschied von der Vorstellung des Nationalstaats (oder einer internationalen Organisation) als einheitlich handelnden Akteur macht die Analyse von Sicherheitspolitik einerseits komplexer, öffnet andererseits aber den
Erscheinungsjahr: | 2013 |
---|---|
Medium: | Taschenbuch |
Inhalt: | 391 S. |
ISBN-13: | 9783593398730 |
ISBN-10: | 3593398737 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Paperback |
Autor: |
Daase, Christopher
Engert, Stefan Junk, Julian Brock, Lothar Debiel, Tobias Dunn Cavelty, Myriam Faas, Thorsten Friedrichs, Jörg Gaycken, Sandro Hanrieder, Tine |
Redaktion: |
Daase, Christopher
Engert, Stefan Junk, Julian |
Herausgeber: | Christopher Daase/Stefan Engert/Julian Junk |
Auflage: | 1/2013 |
campus verlag: | Campus Verlag |
Maße: | 214 x 142 x 25 mm |
Von/Mit: | Christopher Daase |
Erscheinungsdatum: | 18.04.2013 |
Gewicht: | 0,498 kg |
Erscheinungsjahr: | 2013 |
---|---|
Medium: | Taschenbuch |
Inhalt: | 391 S. |
ISBN-13: | 9783593398730 |
ISBN-10: | 3593398737 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Paperback |
Autor: |
Daase, Christopher
Engert, Stefan Junk, Julian Brock, Lothar Debiel, Tobias Dunn Cavelty, Myriam Faas, Thorsten Friedrichs, Jörg Gaycken, Sandro Hanrieder, Tine |
Redaktion: |
Daase, Christopher
Engert, Stefan Junk, Julian |
Herausgeber: | Christopher Daase/Stefan Engert/Julian Junk |
Auflage: | 1/2013 |
campus verlag: | Campus Verlag |
Maße: | 214 x 142 x 25 mm |
Von/Mit: | Christopher Daase |
Erscheinungsdatum: | 18.04.2013 |
Gewicht: | 0,498 kg |