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Soziologie der Geburt
Diskurse, Praktiken und Perspektiven
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
Über Geburt soziologisch - durchaus in einem weiten Sinne - zu reflektieren ist ungewöhnlich. Es existieren zwar eine Reihe an anthropologischen, ethnologischen und kulturgeschichtlichen Texten und Studien zu Geburt, zum Beispiel über ethnomedizinische Perspektiven des Gebärens oder über Frau und Geburt im Kulturvergleich (vgl. u. a. Davis-Floyd/Sargent 1997; Gottschalk-Batschkus/Schievenhövel/Sich 1995; Schlumbohm/ Duden/Gelis 1998). Wirft man aber einen Blick in die Geschichte der Soziologie, so ist erstaunlicherweise festzustellen, dass es allgemein an soziologischer Fachliteratur und soziologischer Forschung zum Thema Geburt mangelt. Der blinde Fleck, den die Geburt in der Soziologie darstellt ist umso erstaunlicher, als doch gerade die Geburt sowohl für die Gesellschaft als auch für das Individuum schlicht existenziell ist. Doch zugleich, so lässt sich etwa aus der Geschichte der Thematisierung von Geschlecht, Körper oder Sexualität in der Soziologie begründet vermuten, dürfte genau diese existenzielle Dimension der Grund dafür sein, dass die Soziologie sich schwer mit dem Phänomen Geburt tut. Denn der Logik der Moderne folgend, gelten gebären und geboren werden auch sozialwissenschaftlich als 'natürliche' Prozesse - als 'asozial' und ahistorisch. Dieses Buch will dazu beitragen, das Gegenteil zu zeigen: Dass nämlich all das, was mit dem wörtlichen 'zur Welt kommen' von Menschen zu tun hat, eine genuin gesellschaftliche Dimension enthält. Auch Geburt ist durchtränkt von sozialer Ungleichheit (von den so genannten 'Komplikationsraten' über die Risiken für Mutter und Kind und dem Grad der medizinischen Intervention bis hin zu den bevorzugten Modi der Geburt je nach Milieu), konstituiert durch lebensweltliches und Expertenwissen, wird in raumzeitlich spezifischer Weise tradiert und findet in unterschiedlichen institutionellen Rahmungen statt. Man denke hier nur an die zunehmende Präsenz von Männern in den Kreißsälen der Bundesrepublik in den letzten Jahrzehnten - und daran, dass dies in bestimmten Milieus nunmehr zu einem Imperativ geworden ist. Man denke auch an die Klassifizierungen verschiedener Geburten als 'natürliche', 'gelungene', 'sanfte', 'traumatische', 'schnelle' und so weiter. An diesen zeigen sich gesellschaftliche Wissensbestände beziehungsweise Deutungsmuster, die sich im Geflecht von Medizin, kulturellen Traditionen, sozial- und gesundheitspolitischen Interventionen, leiblichen Erfahrungen und mehr bilden und beständig verändern. Man denke schließlich auch an den Einfluss sozialer Bewegungen, hier vor allem der Frauen- und genauer der Frauengesundheitsbewegungen, die die Erfahrungsmöglichkeiten von Geburt für Frauen (und Männer) wesentlich beeinflusst haben. Es gibt also zahlreiche empirische Indizien dafür, dass auch Geburt ein soziales Phänomen ist. Wir werden nachfolgend einige soziologische Perspektiven skizzieren, die uns geeignet scheinen, sich diesem zu nähern. Ganz sicher sind diese nicht erschöpfend in ihrer Vielfalt, noch sind sie hinreichend diskutiert. Vielmehr sind sie als eine erste Annäherung an ein komplexes Thema zu verstehen, dem sich die Beiträge im Sammelband auf sehr unterschiedliche Weise widmen.

Geburt und ihre Rituale

Eine der wenigen soziologischen Ausnahmen von der Blindheit gegenüber der Geburt als sozialem Phänomen stellt der Schüler und Neffe Émile Durkheims, Marcel Mauss, dar, der sich als einer der ersten Soziologen für das Thema Geburt interessiert hat. In seinem bahnbrechenden Aufsatz "Techniken des Körpers" (Mauss 1999 [1934]), zugleich einer der Gründungstexte der Körper- und Techniksoziologie, kommt er - wenn auch nur kurz - auf die je nach sozialem und kulturellen Kontext unterschiedlichen Techniken der Geburt zu sprechen, also beispielsweise unterschiedliche Gebärhaltungen oder Methoden der Geburtshilfe. Von Bedeutung ist hier Mauss' Annahme, dass Geburten nicht einfach biologische Prozesse sind. Sondern sie sind, wie Mauss es mit seinem Konzept des "l'homme totale", al
Über Geburt soziologisch - durchaus in einem weiten Sinne - zu reflektieren ist ungewöhnlich. Es existieren zwar eine Reihe an anthropologischen, ethnologischen und kulturgeschichtlichen Texten und Studien zu Geburt, zum Beispiel über ethnomedizinische Perspektiven des Gebärens oder über Frau und Geburt im Kulturvergleich (vgl. u. a. Davis-Floyd/Sargent 1997; Gottschalk-Batschkus/Schievenhövel/Sich 1995; Schlumbohm/ Duden/Gelis 1998). Wirft man aber einen Blick in die Geschichte der Soziologie, so ist erstaunlicherweise festzustellen, dass es allgemein an soziologischer Fachliteratur und soziologischer Forschung zum Thema Geburt mangelt. Der blinde Fleck, den die Geburt in der Soziologie darstellt ist umso erstaunlicher, als doch gerade die Geburt sowohl für die Gesellschaft als auch für das Individuum schlicht existenziell ist. Doch zugleich, so lässt sich etwa aus der Geschichte der Thematisierung von Geschlecht, Körper oder Sexualität in der Soziologie begründet vermuten, dürfte genau diese existenzielle Dimension der Grund dafür sein, dass die Soziologie sich schwer mit dem Phänomen Geburt tut. Denn der Logik der Moderne folgend, gelten gebären und geboren werden auch sozialwissenschaftlich als 'natürliche' Prozesse - als 'asozial' und ahistorisch. Dieses Buch will dazu beitragen, das Gegenteil zu zeigen: Dass nämlich all das, was mit dem wörtlichen 'zur Welt kommen' von Menschen zu tun hat, eine genuin gesellschaftliche Dimension enthält. Auch Geburt ist durchtränkt von sozialer Ungleichheit (von den so genannten 'Komplikationsraten' über die Risiken für Mutter und Kind und dem Grad der medizinischen Intervention bis hin zu den bevorzugten Modi der Geburt je nach Milieu), konstituiert durch lebensweltliches und Expertenwissen, wird in raumzeitlich spezifischer Weise tradiert und findet in unterschiedlichen institutionellen Rahmungen statt. Man denke hier nur an die zunehmende Präsenz von Männern in den Kreißsälen der Bundesrepublik in den letzten Jahrzehnten - und daran, dass dies in bestimmten Milieus nunmehr zu einem Imperativ geworden ist. Man denke auch an die Klassifizierungen verschiedener Geburten als 'natürliche', 'gelungene', 'sanfte', 'traumatische', 'schnelle' und so weiter. An diesen zeigen sich gesellschaftliche Wissensbestände beziehungsweise Deutungsmuster, die sich im Geflecht von Medizin, kulturellen Traditionen, sozial- und gesundheitspolitischen Interventionen, leiblichen Erfahrungen und mehr bilden und beständig verändern. Man denke schließlich auch an den Einfluss sozialer Bewegungen, hier vor allem der Frauen- und genauer der Frauengesundheitsbewegungen, die die Erfahrungsmöglichkeiten von Geburt für Frauen (und Männer) wesentlich beeinflusst haben. Es gibt also zahlreiche empirische Indizien dafür, dass auch Geburt ein soziales Phänomen ist. Wir werden nachfolgend einige soziologische Perspektiven skizzieren, die uns geeignet scheinen, sich diesem zu nähern. Ganz sicher sind diese nicht erschöpfend in ihrer Vielfalt, noch sind sie hinreichend diskutiert. Vielmehr sind sie als eine erste Annäherung an ein komplexes Thema zu verstehen, dem sich die Beiträge im Sammelband auf sehr unterschiedliche Weise widmen.

Geburt und ihre Rituale

Eine der wenigen soziologischen Ausnahmen von der Blindheit gegenüber der Geburt als sozialem Phänomen stellt der Schüler und Neffe Émile Durkheims, Marcel Mauss, dar, der sich als einer der ersten Soziologen für das Thema Geburt interessiert hat. In seinem bahnbrechenden Aufsatz "Techniken des Körpers" (Mauss 1999 [1934]), zugleich einer der Gründungstexte der Körper- und Techniksoziologie, kommt er - wenn auch nur kurz - auf die je nach sozialem und kulturellen Kontext unterschiedlichen Techniken der Geburt zu sprechen, also beispielsweise unterschiedliche Gebärhaltungen oder Methoden der Geburtshilfe. Von Bedeutung ist hier Mauss' Annahme, dass Geburten nicht einfach biologische Prozesse sind. Sondern sie sind, wie Mauss es mit seinem Konzept des "l'homme totale", al
Details
Erscheinungsjahr: 2011
Medium: Taschenbuch
Seiten: 243
Inhalt: 243 S.
ISBN-13: 9783593395258
ISBN-10: 3593395258
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Villa, Paula-Irene
Moebius, Stephan
Thiessen, Barbara
Beck, Stefan
Duden, Barbara
Fischer, Joachim
Hirschauer, Stefan
Kolip, Petra
Metz-Becker, Marita
Michaelsen, Anja
Nadig, Maya
Schetsche, Michael
Redaktion: Villa, Paula-Irene
Moebius, Stephan
Thiessen, Barbara
Herausgeber: Paula-Irene Villa-Braslawsky/Stephan Moebius/Barbara Thiessen
Auflage: 1/2011
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 213 x 140 x 15 mm
Erscheinungsdatum: 04.10.2011
Gewicht: 0,311 kg
preigu-id: 107009060
Details
Erscheinungsjahr: 2011
Medium: Taschenbuch
Seiten: 243
Inhalt: 243 S.
ISBN-13: 9783593395258
ISBN-10: 3593395258
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Villa, Paula-Irene
Moebius, Stephan
Thiessen, Barbara
Beck, Stefan
Duden, Barbara
Fischer, Joachim
Hirschauer, Stefan
Kolip, Petra
Metz-Becker, Marita
Michaelsen, Anja
Nadig, Maya
Schetsche, Michael
Redaktion: Villa, Paula-Irene
Moebius, Stephan
Thiessen, Barbara
Herausgeber: Paula-Irene Villa-Braslawsky/Stephan Moebius/Barbara Thiessen
Auflage: 1/2011
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 213 x 140 x 15 mm
Erscheinungsdatum: 04.10.2011
Gewicht: 0,311 kg
preigu-id: 107009060
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