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Olaf Breidbach
Wissen in der digital vernetzten Welt scheint - so meine These - nur vordergründig freigesetzt. Es sind nicht nur die alten Konzepte von Mind and Cognition, es sind auch die alten Konzepte von System und Ordnung, die die Wissensbewertung und Wissensorganisation der Moderne bestimmen. Verdeckt wird dies Alte durch den Verweis auf das so unendlich groß erschei-nende Reservoir der technologisch erschlossenen Novitäten. Im Netz der Informationswege ist jeder Mensch ein Informer. Das klingt offen, demokratisch und lebendig - und doch scheint mir Vorsicht gegenüber diesem Bild der offen organisierten neuen Wissensgesellschaft und der damit proklamierten Öffnung der Wissensordnungen angebracht. Insoweit möchte ich hier einige Gedanken zu dem Problem der Vernetzung offerieren, die zunächst kritisieren, dann aber ausgehend von dieser Kritik mit aller Vorsicht auch eine neue Perspektive formulieren.
Dabei scheint mir das Moment des Digitalen im Verweis auf die neuen Technologien selbst weniger problematisch. An sich ist es nicht mehr als der Ausweis eines sich diskretisiert abfangenden Alls von Zuordnungsbestimmungen. Das Kontinuum eines Zuordnungsfeldes wird hier in eine Folge von Ja-Nein-Entscheidungen umgesetzt in denen - so Turing - jeder mögliche Satz formulierbar ist. 'Digital' ist dabei nichts Modernes, es ist in der Organisation der digitalen Welt vielmehr nach der Struktur der Logik des Porphyrios gezeichnet. Und wie bei Platon eine Einzelheit in einer Folge von Ja-Nein-Entscheidungen im Konzert der uns verfügbaren Begriffe identifiziert und bezeichnet wurde, so sind auch in den Entscheidungs-bäumen unserer Expertensysteme solche dichotomen Schlusswege aufgebaut. Nicht dass es - mit Aristoteles - nicht auch multi-tom ginge, nur wäre in der dann nachzuvollziehenden Logik das einfache Ja-Nein in eine Matrize umzulesen, in der nun in der Kopplung einer Folge von Matrizen die Eindeutigkeit einer Zuordnungsfolge sehr rasch aufgelöst würde. Das parallel processing, jene Anfang der 1980er Jahre als Verheißung des neuen digitalen Zeitalters erscheinende Programmierung nahm solch eine Idee eines Nebeneinanders von Entscheidungsmöglichkeiten auf. Allerdings sind die klassischen Verrechnungs- und Berechnungsverfahren auch dieser Alternative zu einer strikt dichotomen Sichtung von Entscheidungsprozessen sehr schnell in ein dann doch hierarchisch strukturiertes, und damit die Parallelität nur emulgierendes Controlling überführt. Von der Alternative zu klassisch logisch operierenden Verfahren bleibt nur soviel erkennbar, wie es auch in den klassisch logischen Operationen darstellbar - und kontrollierbar - ist. Das Digitale gibt die Sicherheit, auch in der unermesslichen Weite der im Großrechner erarbeiteten Berechungsfolgen doch ei-ner strikten Observanz zu folgen. Ausreißer aus dieser Logik sind so schnell zu kennzeichnen, das unendlich rasch erscheinende Verfahren bleibt in seiner Logik so immer noch in den Formen gefangen, die uns verfügbar sind - und die somit von uns zumindest im Prinzip gewusst werden können. Viel ist zwar mehr, aber eben noch nichts wirklich Anderes.
Positioniere ich nun dieses Viele in einem Gefüge, und setze so eine kaum mehr abzählbare Reihe möglicher Bestimmungen in Bezug zueinander, so gewinne ich augenscheinlich eine Dynamik des mir nicht mehr unmittelbar Nachzuvollziehenden. Doch generiere ich darin kein Chaos, ich sehe vielmehr auf einen Ordnungszustand. Diesen im Blick, kann ich mich dann anscheinend beruhigt zurücklehnen. Schließlich weiß ich all das Viele doch in Bahnen geführt, die ich vorab angelegt habe. Es gibt in den derart kanalisierten Strömen, in den in ihren Zusammenflüssen induzierten Turbulenzen dabei doch noch viel an Neuem und damit immer wieder Neues zu entdecken. Aufzuweisen vermag ich so mit den neuen Mitteln die Freude der alten Kombinatorik, jenes Berechnen des Neuen im Abwägbaren eines in seiner Gesamtheit zwar unermesslich Erscheinende
Olaf Breidbach
Wissen in der digital vernetzten Welt scheint - so meine These - nur vordergründig freigesetzt. Es sind nicht nur die alten Konzepte von Mind and Cognition, es sind auch die alten Konzepte von System und Ordnung, die die Wissensbewertung und Wissensorganisation der Moderne bestimmen. Verdeckt wird dies Alte durch den Verweis auf das so unendlich groß erschei-nende Reservoir der technologisch erschlossenen Novitäten. Im Netz der Informationswege ist jeder Mensch ein Informer. Das klingt offen, demokratisch und lebendig - und doch scheint mir Vorsicht gegenüber diesem Bild der offen organisierten neuen Wissensgesellschaft und der damit proklamierten Öffnung der Wissensordnungen angebracht. Insoweit möchte ich hier einige Gedanken zu dem Problem der Vernetzung offerieren, die zunächst kritisieren, dann aber ausgehend von dieser Kritik mit aller Vorsicht auch eine neue Perspektive formulieren.
Dabei scheint mir das Moment des Digitalen im Verweis auf die neuen Technologien selbst weniger problematisch. An sich ist es nicht mehr als der Ausweis eines sich diskretisiert abfangenden Alls von Zuordnungsbestimmungen. Das Kontinuum eines Zuordnungsfeldes wird hier in eine Folge von Ja-Nein-Entscheidungen umgesetzt in denen - so Turing - jeder mögliche Satz formulierbar ist. 'Digital' ist dabei nichts Modernes, es ist in der Organisation der digitalen Welt vielmehr nach der Struktur der Logik des Porphyrios gezeichnet. Und wie bei Platon eine Einzelheit in einer Folge von Ja-Nein-Entscheidungen im Konzert der uns verfügbaren Begriffe identifiziert und bezeichnet wurde, so sind auch in den Entscheidungs-bäumen unserer Expertensysteme solche dichotomen Schlusswege aufgebaut. Nicht dass es - mit Aristoteles - nicht auch multi-tom ginge, nur wäre in der dann nachzuvollziehenden Logik das einfache Ja-Nein in eine Matrize umzulesen, in der nun in der Kopplung einer Folge von Matrizen die Eindeutigkeit einer Zuordnungsfolge sehr rasch aufgelöst würde. Das parallel processing, jene Anfang der 1980er Jahre als Verheißung des neuen digitalen Zeitalters erscheinende Programmierung nahm solch eine Idee eines Nebeneinanders von Entscheidungsmöglichkeiten auf. Allerdings sind die klassischen Verrechnungs- und Berechnungsverfahren auch dieser Alternative zu einer strikt dichotomen Sichtung von Entscheidungsprozessen sehr schnell in ein dann doch hierarchisch strukturiertes, und damit die Parallelität nur emulgierendes Controlling überführt. Von der Alternative zu klassisch logisch operierenden Verfahren bleibt nur soviel erkennbar, wie es auch in den klassisch logischen Operationen darstellbar - und kontrollierbar - ist. Das Digitale gibt die Sicherheit, auch in der unermesslichen Weite der im Großrechner erarbeiteten Berechungsfolgen doch ei-ner strikten Observanz zu folgen. Ausreißer aus dieser Logik sind so schnell zu kennzeichnen, das unendlich rasch erscheinende Verfahren bleibt in seiner Logik so immer noch in den Formen gefangen, die uns verfügbar sind - und die somit von uns zumindest im Prinzip gewusst werden können. Viel ist zwar mehr, aber eben noch nichts wirklich Anderes.
Positioniere ich nun dieses Viele in einem Gefüge, und setze so eine kaum mehr abzählbare Reihe möglicher Bestimmungen in Bezug zueinander, so gewinne ich augenscheinlich eine Dynamik des mir nicht mehr unmittelbar Nachzuvollziehenden. Doch generiere ich darin kein Chaos, ich sehe vielmehr auf einen Ordnungszustand. Diesen im Blick, kann ich mich dann anscheinend beruhigt zurücklehnen. Schließlich weiß ich all das Viele doch in Bahnen geführt, die ich vorab angelegt habe. Es gibt in den derart kanalisierten Strömen, in den in ihren Zusammenflüssen induzierten Turbulenzen dabei doch noch viel an Neuem und damit immer wieder Neues zu entdecken. Aufzuweisen vermag ich so mit den neuen Mitteln die Freude der alten Kombinatorik, jenes Berechnen des Neuen im Abwägbaren eines in seiner Gesamtheit zwar unermesslich Erscheinende
Erscheinungsjahr: | 2013 |
---|---|
Fachbereich: | Kommunikationswissenschaften |
Genre: | Medienwissenschaften, Recht, Sozialwissenschaften, Wirtschaft |
Rubrik: | Wissenschaften |
Medium: | Taschenbuch |
Titelzusatz: | Kommunikative Kulturtechniken im digitalen Zeitalter, Interaktiva, Schriftenreihe des Zentrums für Medien und Interaktivität, Gießen 13 |
Inhalt: | 324 S. |
ISBN-13: | 9783593399515 |
ISBN-10: | 3593399512 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Paperback |
Autor: |
Lobin, Henning
Leitenstern, Regine Klawitter, Jana Breidbach, Olaf Conrad, Michael Lehnen, Katrin Dix, Annika Hoeres, Peter Klappert, Annina Klein, Björn |
Redaktion: |
Lobin, Henning
Leitenstern, Regine Lehnen, Katrin Klawitter, Jana |
Herausgeber: | Henning Lobin/Regine Leitenstern/Katrin Lehnen u a |
Auflage: | 1/2013 |
campus verlag: | Campus Verlag |
Maße: | 213 x 142 x 20 mm |
Von/Mit: | Henning Lobin |
Erscheinungsdatum: | 02.10.2013 |
Gewicht: | 0,41 kg |
Erscheinungsjahr: | 2013 |
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Fachbereich: | Kommunikationswissenschaften |
Genre: | Medienwissenschaften, Recht, Sozialwissenschaften, Wirtschaft |
Rubrik: | Wissenschaften |
Medium: | Taschenbuch |
Titelzusatz: | Kommunikative Kulturtechniken im digitalen Zeitalter, Interaktiva, Schriftenreihe des Zentrums für Medien und Interaktivität, Gießen 13 |
Inhalt: | 324 S. |
ISBN-13: | 9783593399515 |
ISBN-10: | 3593399512 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Paperback |
Autor: |
Lobin, Henning
Leitenstern, Regine Klawitter, Jana Breidbach, Olaf Conrad, Michael Lehnen, Katrin Dix, Annika Hoeres, Peter Klappert, Annina Klein, Björn |
Redaktion: |
Lobin, Henning
Leitenstern, Regine Lehnen, Katrin Klawitter, Jana |
Herausgeber: | Henning Lobin/Regine Leitenstern/Katrin Lehnen u a |
Auflage: | 1/2013 |
campus verlag: | Campus Verlag |
Maße: | 213 x 142 x 20 mm |
Von/Mit: | Henning Lobin |
Erscheinungsdatum: | 02.10.2013 |
Gewicht: | 0,41 kg |