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Leben ohne Leander
Roman
Buch von Michaela Seul
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
LeseprobeZweiter TagTomma war fort. So wollte ich es. Wollte wissen, wie es ist, allein in der Wohnung. Obwohl ich oft allein gewesen war, dieses Alleinsein war anders. Die Dinge sahen nicht mehr aus wie zuvor. Unsichtbare schwarze Schleier wehten durch die Luft. Atmeten den Verlust. Unsicher legte ich die CD mit unserer Lieblingsmusik ein. Wußte nicht, ob ich sie ertragen könnte, erinnerte mich an Trennungen ohne Tod, da fürchtete ich Musik, die mich erinnerte. Doch die Musik tat gut. Ich drehte sie laut, bis die Boxen krachten. Spürte dich. Ein Stück weiter entfernt als gestern, doch noch immer hier. Nicht angekommen an dem Ort, für den ich kein anderes Wort als Jenseits wußte, sondern suchend. Zurück, so wie ich es gestern empfunden hatte, wolltest du nicht mehr.Ich legte mich auf den Boden. Dorthin, wo ich dich gefunden hatte. Ein guter Ort. Friedlich und überhaupt nicht bedrohlich. Jetzt schwanger sein! Das Kind käme mit dem Frühling. Es wäre das größte Geschenk, die größte Gefahr. Aber warum sollte ich diesmal schwanger sein, wo wir immer Glück gehabt hatten. Auch Glück bedeutete nun etwas anderes. Hätte ich ein Kind, dachte ich, wäre ich nicht allein, und im selben Atemzug: ich bin nie mehr allein, jetzt bin ich für immer verbunden.Lang stand ich unter der Dusche. Das Licht im Bad ging an und aus. Etwas später entdeckte ich zwei kaputte Glühbirnen in verschiedenen Zimmern. Insgesamt sollten in fünf Tagen sieben Glühbirnen kaputtgehen. Ich duschte bis das Wasser kühl wurde, duschte den Boiler für uns beide leer, und dann nahm ich dein letztes Hemd und brachte es ins Krankenhaus, wo man dich zwischengelagert hatte, ehe man dich in die große Stadt überführen würde. Ich ging langsam. Die Tasche war schwer. Ich trug dein letztes Hemd durch die Stadt, die aussah wie immer. Frauen mit bunten Körben, leuchtende Frühlingsfarben, Motorräder. Vereinzelt Japaner mit schweren Fototaschen. Junge Familien mit Kinderwagen, und die Väter schoben. Alles war wie immer. Nichts war wie immer. Doch ich ging eingehüllt in dich. Du warst mit mir. Es kam mir vor, als paßte dieser Tod zu meinem Leben. Es war der erste tödliche Schicksalsschlag, doch in mir hatte es viele Tode gegeben. Bis ich Leander kennenlernte. Bei ihm war ich angekommen. Zum ersten Mal angekommen. Leander hatte die Scherben, die von mir übriggeblieben waren, gekittet. Es hatte lang gedauert. Jahre. Als der Kleber trocken war, hatte er mich verlassen. Wäre er drei Monate zuvor gestorben, hätte ich nicht so sicher gehen können. Leander war nicht mehr mein Felsen weit draußen in der Brandung. War es aber lang gewesen. Als ich es gemerkt hatte, war ich sehr erschrocken, denn es paßte nicht in das Bild, dem ich gerne entsprochen hätte. Ich hatte begonnen, mein Ufer zu suchen, eigenen Boden zu erobern. Zuerst ein kleiner Holzsteg, von dem Felsen zum Ufer. Brachte die ersten Sachen an mein Land, rannte immer wieder über den Steg und manchmal sogar in die andere Richtung, weit hinein ins Land, das aber fremd war und mir Angst machte, die ich wild tanzend zu überwinden suchte. Daß Leander immer da war, zu warten schien, machte mich sicher, obwohl ich wußte, seine Sicherheit durfte nicht meine sein. Nach und nach richtete ich mich häuslich ein auf meinem Boden. Indem ich mich niederließ, befreite ich Leander. Er brauchte nicht mehr zu kämpfen mit den Wogen. Ich brauchte ihn nicht mehr, um mich über Wasser zu tragen. Ich vertraute dem Meer, spielte mit den Wellen, und weil ich spielte, ließ es mir Land.Ich ging auf das Gebäude des Krankenhauses zu. An der Anmeldung fragte ich nach dem Zimmer, das mir der Notarzt genannt hatte. Dort saß ein verwachsener junger Mann im Rollstuhl.Ich bringe das letzte Hemd. Das letzte Hemd für Leander, sagte ich.Können Sie nicht lesen! Ich öffne erst in einer Stunde!Aber ich bringe doch ... Tränen schossen mir in die Augen.Ist schon gut, sagte der Mann.Ich nahm das Hemd aus der Tasche und drückte es an mein Gesicht. Benetzte es mit meinen Träne
LeseprobeZweiter TagTomma war fort. So wollte ich es. Wollte wissen, wie es ist, allein in der Wohnung. Obwohl ich oft allein gewesen war, dieses Alleinsein war anders. Die Dinge sahen nicht mehr aus wie zuvor. Unsichtbare schwarze Schleier wehten durch die Luft. Atmeten den Verlust. Unsicher legte ich die CD mit unserer Lieblingsmusik ein. Wußte nicht, ob ich sie ertragen könnte, erinnerte mich an Trennungen ohne Tod, da fürchtete ich Musik, die mich erinnerte. Doch die Musik tat gut. Ich drehte sie laut, bis die Boxen krachten. Spürte dich. Ein Stück weiter entfernt als gestern, doch noch immer hier. Nicht angekommen an dem Ort, für den ich kein anderes Wort als Jenseits wußte, sondern suchend. Zurück, so wie ich es gestern empfunden hatte, wolltest du nicht mehr.Ich legte mich auf den Boden. Dorthin, wo ich dich gefunden hatte. Ein guter Ort. Friedlich und überhaupt nicht bedrohlich. Jetzt schwanger sein! Das Kind käme mit dem Frühling. Es wäre das größte Geschenk, die größte Gefahr. Aber warum sollte ich diesmal schwanger sein, wo wir immer Glück gehabt hatten. Auch Glück bedeutete nun etwas anderes. Hätte ich ein Kind, dachte ich, wäre ich nicht allein, und im selben Atemzug: ich bin nie mehr allein, jetzt bin ich für immer verbunden.Lang stand ich unter der Dusche. Das Licht im Bad ging an und aus. Etwas später entdeckte ich zwei kaputte Glühbirnen in verschiedenen Zimmern. Insgesamt sollten in fünf Tagen sieben Glühbirnen kaputtgehen. Ich duschte bis das Wasser kühl wurde, duschte den Boiler für uns beide leer, und dann nahm ich dein letztes Hemd und brachte es ins Krankenhaus, wo man dich zwischengelagert hatte, ehe man dich in die große Stadt überführen würde. Ich ging langsam. Die Tasche war schwer. Ich trug dein letztes Hemd durch die Stadt, die aussah wie immer. Frauen mit bunten Körben, leuchtende Frühlingsfarben, Motorräder. Vereinzelt Japaner mit schweren Fototaschen. Junge Familien mit Kinderwagen, und die Väter schoben. Alles war wie immer. Nichts war wie immer. Doch ich ging eingehüllt in dich. Du warst mit mir. Es kam mir vor, als paßte dieser Tod zu meinem Leben. Es war der erste tödliche Schicksalsschlag, doch in mir hatte es viele Tode gegeben. Bis ich Leander kennenlernte. Bei ihm war ich angekommen. Zum ersten Mal angekommen. Leander hatte die Scherben, die von mir übriggeblieben waren, gekittet. Es hatte lang gedauert. Jahre. Als der Kleber trocken war, hatte er mich verlassen. Wäre er drei Monate zuvor gestorben, hätte ich nicht so sicher gehen können. Leander war nicht mehr mein Felsen weit draußen in der Brandung. War es aber lang gewesen. Als ich es gemerkt hatte, war ich sehr erschrocken, denn es paßte nicht in das Bild, dem ich gerne entsprochen hätte. Ich hatte begonnen, mein Ufer zu suchen, eigenen Boden zu erobern. Zuerst ein kleiner Holzsteg, von dem Felsen zum Ufer. Brachte die ersten Sachen an mein Land, rannte immer wieder über den Steg und manchmal sogar in die andere Richtung, weit hinein ins Land, das aber fremd war und mir Angst machte, die ich wild tanzend zu überwinden suchte. Daß Leander immer da war, zu warten schien, machte mich sicher, obwohl ich wußte, seine Sicherheit durfte nicht meine sein. Nach und nach richtete ich mich häuslich ein auf meinem Boden. Indem ich mich niederließ, befreite ich Leander. Er brauchte nicht mehr zu kämpfen mit den Wogen. Ich brauchte ihn nicht mehr, um mich über Wasser zu tragen. Ich vertraute dem Meer, spielte mit den Wellen, und weil ich spielte, ließ es mir Land.Ich ging auf das Gebäude des Krankenhauses zu. An der Anmeldung fragte ich nach dem Zimmer, das mir der Notarzt genannt hatte. Dort saß ein verwachsener junger Mann im Rollstuhl.Ich bringe das letzte Hemd. Das letzte Hemd für Leander, sagte ich.Können Sie nicht lesen! Ich öffne erst in einer Stunde!Aber ich bringe doch ... Tränen schossen mir in die Augen.Ist schon gut, sagte der Mann.Ich nahm das Hemd aus der Tasche und drückte es an mein Gesicht. Benetzte es mit meinen Träne
Details
Erscheinungsjahr: 1999
Genre: Belletristik
Medium: Buch
Seiten: 223
Reihe: Unrast-Roman
Inhalt: Gebunden
ISBN-13: 9783897716407
ISBN-10: 3897716402
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Seul, Michaela
Hersteller: Unrast
Unrast Verlag
Maße: 221 x 144 x 20 mm
Von/Mit: Michaela Seul
Erscheinungsdatum: 31.12.1999
Gewicht: 0,435 kg
preigu-id: 127629536
Details
Erscheinungsjahr: 1999
Genre: Belletristik
Medium: Buch
Seiten: 223
Reihe: Unrast-Roman
Inhalt: Gebunden
ISBN-13: 9783897716407
ISBN-10: 3897716402
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Seul, Michaela
Hersteller: Unrast
Unrast Verlag
Maße: 221 x 144 x 20 mm
Von/Mit: Michaela Seul
Erscheinungsdatum: 31.12.1999
Gewicht: 0,435 kg
preigu-id: 127629536
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