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Korrektive Gerechtigkeit
Über die Entschädigung historischen Unrechts
Taschenbuch von Nikolai Blaumer
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
Einleitung

Die vergangenen Jahre waren eine Zeit politischer Umbrüche. Plätze mit Namen wie Maidan, Tahrir oder Taksim wurden zum Sinnbild des Wider-stands. In Demonstrationen brachten Zehntausende ihren Willen nach politischer Veränderung zum Ausdruck. Aller Emphase und Ausdauer des Widerstands zum Trotz, scheinen die durch die Proteste angestoßenen politischen Entwicklungen vielerorts in Grabenkämpfen zu münden, wie sie schon am Anfang der Demonstrationen standen. So schrieb der ägyptische Politikexperte Hafez Ghanem im August 2013, drei Jahre nach Beginn der Proteste in Kairo:

"Calls for revenge can be heard all over Egypt. [...]. The minimum level of con-sensus that is needed to put in place new democratic institutions would be hard to achieve under current circumstances. [...]. The real question is whether Egyption society wants national reconciliation."

Entwicklungen wie in Ägypten machen deutlich: Solange das öffentliche Klima vergiftet ist, alte Rechnungen offen bleiben und sich die Spirale von Gewalt und Gegengewalt weiterdreht, bleibt der Weg einer gemeinsamen Zukunft verstellt. Verfahrene politische Situationen dieser Art werfen die Frage auf: Wie ist es unter den Bedingungen zurückliegenden Unrechts möglich, sich auf einen einvernehmlichen Umgang mit der Vergangenheit zu verständigen, langwährende Konflikte beizulegen und Gerechtigkeit wiederherzustellen?
In der wissenschaftlichen Diskussion um den politischen Umgang mit zurückliegendem Unrecht spielen die beiden Begriffe Transitional Justice und Intergenerationelle Gerechtigkeit eine zentrale Rolle. Wurde der Begriff Transitional Justice zunächst vor allem in der angelsächsischen rechts-wissenschaftlichen Literatur verwendet, so avancierte er in den vergangenen Jahren auch in der Philosophie und den Sozialwissenschaften zum Leitbegriff für Gerechtigkeitskonzeptionen, die sich mit normativen Antworten auf das Unrecht gescheiterter, repressiver Regime beschäftigen. Transitional Justice steht heute für all jene Ansätze, die sich mit Verständigung und Anerkennung historischen Unrechts, der Geltung von Rechtsnormen im Übergang zwischen Systemen, der Frage rückwirkender Rechtssprechung, der Autorität ungerechten Rechts oder der Rechtfertigung von Entschädigungsansprüchen und Wiedergutmachungspflichten beschäftigen.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werde ich mir lediglich einen Teilbereich transitionaler Gerechtigkeit vornehmen. Aristoteles hat ihn in der Nikomachischen Ethik als den Bereich der korrektiven Gerechtigkeit bezeichnet. Zu ihm gehört die Frage, welche ethischen Anforderungen sich an Entschädigung als Ausgleich zurückliegender Schäden stellen: Unter welchen Bedingungen kann eine Person oder ein Kollektiv in moralischer Hinsicht geltend machen, einen Schaden oder ein Unrecht erlitten zu haben? Wie lange und unter welchen ethischen Voraussetzungen bleiben Entschädigungsansprüche bestehen? Wem kann Verantwortung für Entschädigung zugeschrieben werden - lediglich jenen, die ein Unrecht verursacht haben, die moralische Verantwortung tragen, oder auch anderen Individuen oder Mitgliedern von Kollektiven? Und schließlich: Welche Form sollte Entschädigung annehmen, um Gerechtigkeit wiederherzustellen?
Führt man sich vor Augen, welche Entschädigungsfälle die politische Diskussion heute bestimmen, so stellt man fest, dass es dabei nicht selten um Sachverhalte geht, in denen sowohl jene Individuen, die ein Unrecht ursprünglich erlitten, als auch Personen, die für die Entstehung jenes Un-rechts unmittelbar verantwortlich waren, nicht mehr leben. Ein besonders prominenter Fall sind etwa die in den vergangenen Jahren laut gewordenen Reparationsforderungen Griechenlands, die sich auf während der deutschen Besatzungszeit 1941-1944 erlittenes Unrecht beziehen. Die griechische Regierung taxierte die Summe ihrer Forderungen für beschlagnahmtes Gold, geraubte Geldwerte, zerstörte Handelsschiffe sowie Schäden an Wirtschaft und Infra
Einleitung

Die vergangenen Jahre waren eine Zeit politischer Umbrüche. Plätze mit Namen wie Maidan, Tahrir oder Taksim wurden zum Sinnbild des Wider-stands. In Demonstrationen brachten Zehntausende ihren Willen nach politischer Veränderung zum Ausdruck. Aller Emphase und Ausdauer des Widerstands zum Trotz, scheinen die durch die Proteste angestoßenen politischen Entwicklungen vielerorts in Grabenkämpfen zu münden, wie sie schon am Anfang der Demonstrationen standen. So schrieb der ägyptische Politikexperte Hafez Ghanem im August 2013, drei Jahre nach Beginn der Proteste in Kairo:

"Calls for revenge can be heard all over Egypt. [...]. The minimum level of con-sensus that is needed to put in place new democratic institutions would be hard to achieve under current circumstances. [...]. The real question is whether Egyption society wants national reconciliation."

Entwicklungen wie in Ägypten machen deutlich: Solange das öffentliche Klima vergiftet ist, alte Rechnungen offen bleiben und sich die Spirale von Gewalt und Gegengewalt weiterdreht, bleibt der Weg einer gemeinsamen Zukunft verstellt. Verfahrene politische Situationen dieser Art werfen die Frage auf: Wie ist es unter den Bedingungen zurückliegenden Unrechts möglich, sich auf einen einvernehmlichen Umgang mit der Vergangenheit zu verständigen, langwährende Konflikte beizulegen und Gerechtigkeit wiederherzustellen?
In der wissenschaftlichen Diskussion um den politischen Umgang mit zurückliegendem Unrecht spielen die beiden Begriffe Transitional Justice und Intergenerationelle Gerechtigkeit eine zentrale Rolle. Wurde der Begriff Transitional Justice zunächst vor allem in der angelsächsischen rechts-wissenschaftlichen Literatur verwendet, so avancierte er in den vergangenen Jahren auch in der Philosophie und den Sozialwissenschaften zum Leitbegriff für Gerechtigkeitskonzeptionen, die sich mit normativen Antworten auf das Unrecht gescheiterter, repressiver Regime beschäftigen. Transitional Justice steht heute für all jene Ansätze, die sich mit Verständigung und Anerkennung historischen Unrechts, der Geltung von Rechtsnormen im Übergang zwischen Systemen, der Frage rückwirkender Rechtssprechung, der Autorität ungerechten Rechts oder der Rechtfertigung von Entschädigungsansprüchen und Wiedergutmachungspflichten beschäftigen.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werde ich mir lediglich einen Teilbereich transitionaler Gerechtigkeit vornehmen. Aristoteles hat ihn in der Nikomachischen Ethik als den Bereich der korrektiven Gerechtigkeit bezeichnet. Zu ihm gehört die Frage, welche ethischen Anforderungen sich an Entschädigung als Ausgleich zurückliegender Schäden stellen: Unter welchen Bedingungen kann eine Person oder ein Kollektiv in moralischer Hinsicht geltend machen, einen Schaden oder ein Unrecht erlitten zu haben? Wie lange und unter welchen ethischen Voraussetzungen bleiben Entschädigungsansprüche bestehen? Wem kann Verantwortung für Entschädigung zugeschrieben werden - lediglich jenen, die ein Unrecht verursacht haben, die moralische Verantwortung tragen, oder auch anderen Individuen oder Mitgliedern von Kollektiven? Und schließlich: Welche Form sollte Entschädigung annehmen, um Gerechtigkeit wiederherzustellen?
Führt man sich vor Augen, welche Entschädigungsfälle die politische Diskussion heute bestimmen, so stellt man fest, dass es dabei nicht selten um Sachverhalte geht, in denen sowohl jene Individuen, die ein Unrecht ursprünglich erlitten, als auch Personen, die für die Entstehung jenes Un-rechts unmittelbar verantwortlich waren, nicht mehr leben. Ein besonders prominenter Fall sind etwa die in den vergangenen Jahren laut gewordenen Reparationsforderungen Griechenlands, die sich auf während der deutschen Besatzungszeit 1941-1944 erlittenes Unrecht beziehen. Die griechische Regierung taxierte die Summe ihrer Forderungen für beschlagnahmtes Gold, geraubte Geldwerte, zerstörte Handelsschiffe sowie Schäden an Wirtschaft und Infra
Details
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Geisteswissenschaften, Kunst, Musik, Philosophie
Jahrhundert: 20. & 21. Jahrhundert
Rubrik: Geisteswissenschaften
Medium: Taschenbuch
Inhalt: 208 S.
ISBN-13: 9783593504988
ISBN-10: 3593504987
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Blaumer, Nikolai
Auflage: 1/2015
Hersteller: Campus Verlag
Verantwortliche Person für die EU: Campus Verlag GmbH, Werderstr. 10, D-69469 Weinheim, info@campus.de
Maße: 214 x 142 x 14 mm
Von/Mit: Nikolai Blaumer
Erscheinungsdatum: 08.10.2015
Gewicht: 0,269 kg
Artikel-ID: 104700409
Details
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Geisteswissenschaften, Kunst, Musik, Philosophie
Jahrhundert: 20. & 21. Jahrhundert
Rubrik: Geisteswissenschaften
Medium: Taschenbuch
Inhalt: 208 S.
ISBN-13: 9783593504988
ISBN-10: 3593504987
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Blaumer, Nikolai
Auflage: 1/2015
Hersteller: Campus Verlag
Verantwortliche Person für die EU: Campus Verlag GmbH, Werderstr. 10, D-69469 Weinheim, info@campus.de
Maße: 214 x 142 x 14 mm
Von/Mit: Nikolai Blaumer
Erscheinungsdatum: 08.10.2015
Gewicht: 0,269 kg
Artikel-ID: 104700409
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