Dekorationsartikel gehören nicht zum Leistungsumfang.
Kontinuitäten, Zäsuren, Brüche?
Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen in der deutschen Zeitgeschichte, Disability History 1
Taschenbuch von Gabriele Lingelbach
Sprache: Deutsch

46,00 €*

inkl. MwSt.

Versandkostenfrei per Post / DHL

Aktuell nicht verfügbar

Kategorien:
Beschreibung
Einleitung: Kontinuitäten, Zäsuren, Brüche in der deutschen Disability History nach 1945

Gabriele Lingelbach und Anne Waldschmidt

Disability History, die Erforschung der Geschichte von 'Behinderung', erfährt in der Bundesrepublik seit einigen Jahren eine immer größere wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Wenn auch später als im angel-sächsischen Sprachraum beginnt sie, sich allmählich auch in Deutschland als Forschungsfeld im Rahmen der Geschichtswissenschaft zu etablieren. Geprägt durch einen intensiven Zusammenhang mit den hierzulande schon seit Längerem existierenden, sozial- und kulturwissenschaftlich ausgerichteten Disability Studies wie auch durch einen transnationalen Austausch mit Historikerinnen und Historikern anderer Länder, sind in den letzten Jahren in Deutschland themenbezogene Überblickspublikationen, Netzwerke und Institutionen entstanden. Erstmalig trat hierzulande die Disability History auf dem 47. Deutschen Historikertag 2008 in Dresden in Erscheinung. Die Ergebnisse der von Elsbeth Bösl, Anne Klein und Anne Waldschmidt organisierten Sektion "Dis/ability in History - Behinderung in der Geschichte: Soziale Ungleichheit revisited" wurden 2010 in einem Grundlagen vermittelnden ersten Sammelband veröffentlicht. Belebt wird das Feld außerdem durch Forschungszusammenhänge wie das seit 2007 an der Universität Bremen angesiedelte, mediävistisch ausgerichtete Verbundprojekt 'Homo debilis' oder auch durch die eher zeitgeschichtlich orien-tierte Reihe 'Disability History' des Campus Verlags, für welche der vorliegende Sammelband den Auftakt darstellt.

Disability History - eine Definition

Was aber ist Disability History? Zunächst einmal begreifen Disability Historians 'Behinderung' nicht als natürliche Gegebenheit, sondernals eine naturalisierte Differenzkategorie, analog etwa zu Geschlecht/Gender oder Ethnizität/Race. In diesem Sinne handelt es sich bei Beeinträchtigungen wie Down-Syndrom, Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom, Querschnittslähmung, Blindheit etc. nicht um einfache 'Tatsachen', sondern um soziale Konstruktionen: Welche Behinderungskategorien existieren, wie Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozesse verlaufen und welche Folgen sie für den Einzelnen und die Gesellschaft haben, hängt von soziokulturellen Bedingungen und somit auch vom historischen Kontext ab. Disability History stellt (Nicht-)Behinderung daher nicht als eine universelle, feststehende kulturelle Kategorie und uniforme soziale Praxis dar; vielmehr wird betont, dass über die Jahrhunderte hinweg ebenso wie zwischen den Kulturen eine große Vielfalt an Sicht- und Reaktionsweisen in Bezug auf Behinderung existierte. Mithin fragt die historische Teildisziplin, wie und unter welchen Bedingungen 'die Behinderten' als vermeintlich homogene soziale Gruppe konstruiert wurden, wer aus welchen Gründen als 'behindert' galt, und wie frühere Gesellschaften mit Diversität, Anderssein und Abweichung umgingen, wie also die Wechselverhältnisse von Inklusion und Exklusion jeweils gestaltet waren.
Mit dieser Perspektivierung distanziert sich die neuere Forschung deutlich von der traditionellen, dem Rehabilitationsansatz verhafteten Geschichte der Behinderung, die in essentialistischer Sicht davon ausgeht, dass es die Dichotomie 'behindert/nicht behindert' tatsächlich gibt; die Befunde und Diagnosen voraussetzt, anstatt sie zu hinterfragen; die lediglich davon zu berichten weiß, wie Gesellschaften mit behinderten und chronisch kranken Menschen umgehen, anstatt Gesellschaft und Kultur als konstitutiv für die Behinderungskategorie zu verstehen. Entsprechende geschichtswissenschaftliche Studien haben sich lange Zeit von dem sogenannten individuellen oder auch medizinischen Modell leiten lassen, welches die Ursachen für Behinderung im Individuum verortet und letztere als Defizit bzw. zu verhütende oder zu behebende, jedenfalls zu lindernde Normabweichung definiert. Erst seit den 1970er Jahren hat sich, ausgehend von den zuerst
Einleitung: Kontinuitäten, Zäsuren, Brüche in der deutschen Disability History nach 1945

Gabriele Lingelbach und Anne Waldschmidt

Disability History, die Erforschung der Geschichte von 'Behinderung', erfährt in der Bundesrepublik seit einigen Jahren eine immer größere wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Wenn auch später als im angel-sächsischen Sprachraum beginnt sie, sich allmählich auch in Deutschland als Forschungsfeld im Rahmen der Geschichtswissenschaft zu etablieren. Geprägt durch einen intensiven Zusammenhang mit den hierzulande schon seit Längerem existierenden, sozial- und kulturwissenschaftlich ausgerichteten Disability Studies wie auch durch einen transnationalen Austausch mit Historikerinnen und Historikern anderer Länder, sind in den letzten Jahren in Deutschland themenbezogene Überblickspublikationen, Netzwerke und Institutionen entstanden. Erstmalig trat hierzulande die Disability History auf dem 47. Deutschen Historikertag 2008 in Dresden in Erscheinung. Die Ergebnisse der von Elsbeth Bösl, Anne Klein und Anne Waldschmidt organisierten Sektion "Dis/ability in History - Behinderung in der Geschichte: Soziale Ungleichheit revisited" wurden 2010 in einem Grundlagen vermittelnden ersten Sammelband veröffentlicht. Belebt wird das Feld außerdem durch Forschungszusammenhänge wie das seit 2007 an der Universität Bremen angesiedelte, mediävistisch ausgerichtete Verbundprojekt 'Homo debilis' oder auch durch die eher zeitgeschichtlich orien-tierte Reihe 'Disability History' des Campus Verlags, für welche der vorliegende Sammelband den Auftakt darstellt.

Disability History - eine Definition

Was aber ist Disability History? Zunächst einmal begreifen Disability Historians 'Behinderung' nicht als natürliche Gegebenheit, sondernals eine naturalisierte Differenzkategorie, analog etwa zu Geschlecht/Gender oder Ethnizität/Race. In diesem Sinne handelt es sich bei Beeinträchtigungen wie Down-Syndrom, Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom, Querschnittslähmung, Blindheit etc. nicht um einfache 'Tatsachen', sondern um soziale Konstruktionen: Welche Behinderungskategorien existieren, wie Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozesse verlaufen und welche Folgen sie für den Einzelnen und die Gesellschaft haben, hängt von soziokulturellen Bedingungen und somit auch vom historischen Kontext ab. Disability History stellt (Nicht-)Behinderung daher nicht als eine universelle, feststehende kulturelle Kategorie und uniforme soziale Praxis dar; vielmehr wird betont, dass über die Jahrhunderte hinweg ebenso wie zwischen den Kulturen eine große Vielfalt an Sicht- und Reaktionsweisen in Bezug auf Behinderung existierte. Mithin fragt die historische Teildisziplin, wie und unter welchen Bedingungen 'die Behinderten' als vermeintlich homogene soziale Gruppe konstruiert wurden, wer aus welchen Gründen als 'behindert' galt, und wie frühere Gesellschaften mit Diversität, Anderssein und Abweichung umgingen, wie also die Wechselverhältnisse von Inklusion und Exklusion jeweils gestaltet waren.
Mit dieser Perspektivierung distanziert sich die neuere Forschung deutlich von der traditionellen, dem Rehabilitationsansatz verhafteten Geschichte der Behinderung, die in essentialistischer Sicht davon ausgeht, dass es die Dichotomie 'behindert/nicht behindert' tatsächlich gibt; die Befunde und Diagnosen voraussetzt, anstatt sie zu hinterfragen; die lediglich davon zu berichten weiß, wie Gesellschaften mit behinderten und chronisch kranken Menschen umgehen, anstatt Gesellschaft und Kultur als konstitutiv für die Behinderungskategorie zu verstehen. Entsprechende geschichtswissenschaftliche Studien haben sich lange Zeit von dem sogenannten individuellen oder auch medizinischen Modell leiten lassen, welches die Ursachen für Behinderung im Individuum verortet und letztere als Defizit bzw. zu verhütende oder zu behebende, jedenfalls zu lindernde Normabweichung definiert. Erst seit den 1970er Jahren hat sich, ausgehend von den zuerst
Details
Erscheinungsjahr: 2016
Fachbereich: Zeitgeschichte & Politik
Genre: Geschichte
Jahrhundert: ab 1949
Rubrik: Geisteswissenschaften
Medium: Taschenbuch
Seiten: 290
Inhalt: 290 S.
ISBN-13: 9783593505206
ISBN-10: 3593505207
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Lingelbach, Gabriele
Waldschmidt, Anne
Redaktion: Lingelbach, Gabriele
Waldschmidt, Anne
Herausgeber: Gabriele Lingelbach/Anne Waldschmidt
Auflage: 1/2016
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 214 x 142 x 18 mm
Von/Mit: Gabriele Lingelbach
Erscheinungsdatum: 15.07.2016
Gewicht: 0,374 kg
preigu-id: 104089164
Details
Erscheinungsjahr: 2016
Fachbereich: Zeitgeschichte & Politik
Genre: Geschichte
Jahrhundert: ab 1949
Rubrik: Geisteswissenschaften
Medium: Taschenbuch
Seiten: 290
Inhalt: 290 S.
ISBN-13: 9783593505206
ISBN-10: 3593505207
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Lingelbach, Gabriele
Waldschmidt, Anne
Redaktion: Lingelbach, Gabriele
Waldschmidt, Anne
Herausgeber: Gabriele Lingelbach/Anne Waldschmidt
Auflage: 1/2016
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 214 x 142 x 18 mm
Von/Mit: Gabriele Lingelbach
Erscheinungsdatum: 15.07.2016
Gewicht: 0,374 kg
preigu-id: 104089164
Warnhinweis