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Jüdischer Adel
Nobilitierungen von Juden im Europa des 19. Jahrhunderts
Taschenbuch von Kai Drewes
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
1Einleitung

Die Zeit war damals strenge, wie man weiß. Aber sie erkannte Ausnahmen an und liebte sie sogar. Es war einer jener wenigen aristokratischen Grundsätze, denen zufolge einfache Bürger Menschen zweiter Klasse waren, aber der und jener bürgerliche Offizier Leibadjutant des Kaisers wurde; die Juden auf höhere Auszeichnungen keinen Anspruch erheben konnten, aber einzelne Juden geadelt wurden und Freunde von Erzherzögen; die Frauen in einer überlieferten Moral lebten, aber diese und jene Frau lieben durfte wie ein Kavallerieoffizier. (Es waren jene Grundsätze, die man heute "verlogene" nennt, weil wir so viel unerbittlicher sind; unerbittlich, ehrlich und humorlos.)

Joseph Roth, Radetzkymarsch (1932)

Thema und Fragestellung

Rastlos arbeitete Theodor Herzl 1895 in Paris an seinem Judenstaat. Unter dem Eindruck der Dreyfus-Affäre stellte er auch in seinem Tagebuch und bis ins Detail Pläne für einen jüdischen Staat an. Am 10. Juni notierte er:

Auch werde ich durch Adelsverleihung grosse persönliche Opfer geleistet bekommen.

Für Geld darf bei uns weder Adel, noch Orden zu haben sein. Ich werde die bis zur Reichsgründung anderwärts erworbenen, ohne Rücksicht auf ihre Erlangung nostrificiren.

Später nur mehr die auch anderwärts auf wirklich adelswürdige Weise. Ein Jude wird sich nicht das portugiesische Marquisat kaufen, und bei uns nostrificiren können. Aber wenn er in Portugal für glänzende Themen (die ja auch auf uns zurückstrahlen) geadelt wird, erkenne ich ihn daheim an.

Immer wird das vom Adelsamt genau zu prüfen sein, individualisiren.

Bemerkenswert hieran sind weniger Herzls Allmachtsphantasien als die Selbstverständlichkeit, mit der er für ein jüdisches Staatswesen außerhalb Europas das vertraute System persönlicher und erblicher Auszeichnungen berücksichtigte: ein Adelsamt für den Judenstaat.

In der Frühphase der zionistischen Bewegung war es sogar Herzls Absicht, den neuen Staat als konstitutionelle Monarchie zu verfassen, wenn auch als Zugeständnis in Form einer Wahlmonarchie. Die Fürstenwürde antragen wollte Herzl der Familie Rothschild als sozusagen ungekrönter jüdischer Königsfamilie Europas (was manches ihrer Mitglieder ganz genauso sah ). Sein Konzept einer Rede an die Rothschilds, woraus der Judenstaat hervorging, sah noch die werbenden Sätze vor:

Wir machen Sie gross [sic], denn wir nehmen unseren ersten Wahlfürsten aus Ihrem Hause. Das ist die glänzende Laterne, die wir auf den beendigten Eiffelthurm Ihres Vermögens setzen. Der ganze Thurm wird in der Geschichte aussehen, als wäre er darauf angelegt gewesen.

Herzls Meinung von den tatsächlichen jüdischen Adligen seiner Zeit wie Lord Rothschild in London, Baron de Rothschild in Paris und Baron Moritz von Hirsch sollte sich allerdings bald drastisch verschlechtern, da diese sich unempfänglich für seine weitreichenden Pläne zeigten. Auch musste Herzl erkennen, dass wichtigen Mitstreitern in der zionistischen Bewegung die Idee einer "Verpflanzung des Adels missfiel", so dass er am 18. August 1895 die Konsequenz zog: "Ich werde also den Adel fallen lassen". Doch nur drei Monate später heißt es im Tagebuch begeistert über die Töchter des mit Herzl sympathisierenden britisch-jüdischen Obersten Goldsmid (welcher mit der jüdischen Adelsfamilie dieses Namens entfernt verwandt war): "Schon hatte ich die jüdischen Aristokratinnen der kommenden Zeit vor mir. Feine Wesen, mit einem orientalischen Zug, sanft und träumerisch." Und im Abschnitt "Verfassung" des Judenstaats (1896) sprach Herzl sich auch öffentlich als "überzeugter Freund monarchistischer Einrichtungen" für eine "aristokratische Republik" nach venezianischem Vorbild aus. Denn die von ihm favorisierte "demokratische Monarchie" könne auf Grund der so lange ausgesetzten jüdischen Staatlichkeit nicht an das antike Königtum anknüpfen.

Herzl, der selbst zu gern "ein preußischer Altadeliger" gewesen wäre , mochte also für sein jüdisches Utopia nicht, wenn auch in der vo

1Einleitung

Die Zeit war damals strenge, wie man weiß. Aber sie erkannte Ausnahmen an und liebte sie sogar. Es war einer jener wenigen aristokratischen Grundsätze, denen zufolge einfache Bürger Menschen zweiter Klasse waren, aber der und jener bürgerliche Offizier Leibadjutant des Kaisers wurde; die Juden auf höhere Auszeichnungen keinen Anspruch erheben konnten, aber einzelne Juden geadelt wurden und Freunde von Erzherzögen; die Frauen in einer überlieferten Moral lebten, aber diese und jene Frau lieben durfte wie ein Kavallerieoffizier. (Es waren jene Grundsätze, die man heute "verlogene" nennt, weil wir so viel unerbittlicher sind; unerbittlich, ehrlich und humorlos.)

Joseph Roth, Radetzkymarsch (1932)

Thema und Fragestellung

Rastlos arbeitete Theodor Herzl 1895 in Paris an seinem Judenstaat. Unter dem Eindruck der Dreyfus-Affäre stellte er auch in seinem Tagebuch und bis ins Detail Pläne für einen jüdischen Staat an. Am 10. Juni notierte er:

Auch werde ich durch Adelsverleihung grosse persönliche Opfer geleistet bekommen.

Für Geld darf bei uns weder Adel, noch Orden zu haben sein. Ich werde die bis zur Reichsgründung anderwärts erworbenen, ohne Rücksicht auf ihre Erlangung nostrificiren.

Später nur mehr die auch anderwärts auf wirklich adelswürdige Weise. Ein Jude wird sich nicht das portugiesische Marquisat kaufen, und bei uns nostrificiren können. Aber wenn er in Portugal für glänzende Themen (die ja auch auf uns zurückstrahlen) geadelt wird, erkenne ich ihn daheim an.

Immer wird das vom Adelsamt genau zu prüfen sein, individualisiren.

Bemerkenswert hieran sind weniger Herzls Allmachtsphantasien als die Selbstverständlichkeit, mit der er für ein jüdisches Staatswesen außerhalb Europas das vertraute System persönlicher und erblicher Auszeichnungen berücksichtigte: ein Adelsamt für den Judenstaat.

In der Frühphase der zionistischen Bewegung war es sogar Herzls Absicht, den neuen Staat als konstitutionelle Monarchie zu verfassen, wenn auch als Zugeständnis in Form einer Wahlmonarchie. Die Fürstenwürde antragen wollte Herzl der Familie Rothschild als sozusagen ungekrönter jüdischer Königsfamilie Europas (was manches ihrer Mitglieder ganz genauso sah ). Sein Konzept einer Rede an die Rothschilds, woraus der Judenstaat hervorging, sah noch die werbenden Sätze vor:

Wir machen Sie gross [sic], denn wir nehmen unseren ersten Wahlfürsten aus Ihrem Hause. Das ist die glänzende Laterne, die wir auf den beendigten Eiffelthurm Ihres Vermögens setzen. Der ganze Thurm wird in der Geschichte aussehen, als wäre er darauf angelegt gewesen.

Herzls Meinung von den tatsächlichen jüdischen Adligen seiner Zeit wie Lord Rothschild in London, Baron de Rothschild in Paris und Baron Moritz von Hirsch sollte sich allerdings bald drastisch verschlechtern, da diese sich unempfänglich für seine weitreichenden Pläne zeigten. Auch musste Herzl erkennen, dass wichtigen Mitstreitern in der zionistischen Bewegung die Idee einer "Verpflanzung des Adels missfiel", so dass er am 18. August 1895 die Konsequenz zog: "Ich werde also den Adel fallen lassen". Doch nur drei Monate später heißt es im Tagebuch begeistert über die Töchter des mit Herzl sympathisierenden britisch-jüdischen Obersten Goldsmid (welcher mit der jüdischen Adelsfamilie dieses Namens entfernt verwandt war): "Schon hatte ich die jüdischen Aristokratinnen der kommenden Zeit vor mir. Feine Wesen, mit einem orientalischen Zug, sanft und träumerisch." Und im Abschnitt "Verfassung" des Judenstaats (1896) sprach Herzl sich auch öffentlich als "überzeugter Freund monarchistischer Einrichtungen" für eine "aristokratische Republik" nach venezianischem Vorbild aus. Denn die von ihm favorisierte "demokratische Monarchie" könne auf Grund der so lange ausgesetzten jüdischen Staatlichkeit nicht an das antike Königtum anknüpfen.

Herzl, der selbst zu gern "ein preußischer Altadeliger" gewesen wäre , mochte also für sein jüdisches Utopia nicht, wenn auch in der vo

Details
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Geschichte
Jahrhundert: Neuzeit
Rubrik: Geisteswissenschaften
Medium: Taschenbuch
Seiten: 467
Inhalt: 467 S.
ISBN-13: 9783593397757
ISBN-10: 3593397757
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Drewes, Kai
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 213 x 140 x 30 mm
Von/Mit: Kai Drewes
Erscheinungsdatum: 07.11.2013
Gewicht: 0,58 kg
preigu-id: 112033727
Details
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Geschichte
Jahrhundert: Neuzeit
Rubrik: Geisteswissenschaften
Medium: Taschenbuch
Seiten: 467
Inhalt: 467 S.
ISBN-13: 9783593397757
ISBN-10: 3593397757
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Drewes, Kai
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 213 x 140 x 30 mm
Von/Mit: Kai Drewes
Erscheinungsdatum: 07.11.2013
Gewicht: 0,58 kg
preigu-id: 112033727
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