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In der Stille ein Klang
Erzählungen, Sammlung Luchterhand 62077
Taschenbuch von Christiane Neudecker
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
In der Stille ein Klang

Wie das klingt. Wenn einer dir gegen?bersteht, der dir sagt, du sollst gehen. Ganz still wird es dann. Du lauschst auf den Nachhall, der nicht kommt. Der ausbleibt im nachschwingenden Schweigen. Ein Schweigen, das dr?hnt, m?chte man meinen. Das die T?ne freisetzt, die in dir sind. Sind vielleicht Worte, die T?ne. Die gesagt werden m?ssten. Die du anbieten solltest, wie du wei?, zur Erwiderung. Du aber drehst sie nur in dir, die Worte, und legst sie beiseite, w?end du starr stehend horchst. Dich wunderst. ?er das Get?se der Stille.

Dass er dort steht. Immer noch steht er schweigend anderswo, obwohl er l?st in seiner Wohnung sitzt. In seiner K?che, an dem Tisch, vor der Tasse, die leer ist. Sitzend steht er da und denkt an Reisen. ?er die man sagt: die Seele kommt nach. Denn Seelen, hei? es, laufen zu Fu? Kann aber sein, dass die Seele feststeckt, denkt er. Dass sie eingefroren ist im Moment danach. Dass eine Stille von solcher Heftigkeit Seelen verschreckt. Weswegen sie starr bleiben, still stehen, nicht loslaufen, wie sie sollten.
L?erlich findet er sich. Sich so denken zu h?ren. Und doch ist er froh, dass er denkt, immerhin. Dass wieder S?e lautstark seine Gedanken durchkreuzen. Denn Stille, begreift er, g?liche Stille ist erst dann m?glich, wenn man aufh?rt zu denken. Eine Stille, die auffrisst, ist das, so denkt er. Ein L?. Lautlos wollten sie sein. Die T?r, sagten sie, m?sse schweigen. Die T?r. ?er den Klang des Motors war man sich vorher einig geworden. Noch in Deutschland hatten sie festgelegt, dass er grollen sollte. Ein aufbrausendes Donnern zu sommerlicher Nacht. ?Markig?, hatte der Oberste von allen es genannt und dabei seine Arme in die Luft gesto?n. Und: ?M?lich?, immer wieder. Der Sound sollte im Sub-Bereich liegen. ?Sound? war ein Wort, das sie gerne benutzten. Er verwendete es nie. Basslastige Kl?e wollten sie haben, so tief, dass sie aus der Erdkruste zu brechen schienen. Die Hosenbeine sollten den Konsumenten sp?r flattern. Ein sinnliches, ein erotisches Erlebnis. ?Da muss einem einer abgehen?, hatte der Oberste gerufen.
Er verstand, was sie wollten. Und wusste schon, welche K?fe ihm bl?hten. Mit den Ingenieuren, die stolz waren auf das leise Surren, das sie in feinf?hliger Arbeit erreicht hatten. Ein lautloser Motor, sacht wie das Vor?berschwirren eines Kolibris. Er w?rde ihre Arbeit zerst?ren. Hier ging es um einen Gel?ewagen. Einen Bezwinger. Der konnte nicht leise daherrollen. R?hren w?rde er m?ssen, mit der ungez?gelten Kraft eines br?nftigen Hirsches. ?Br?nftig!?, hatte der Oberste gedr?hnt und ihm auf die Schulterbl?er geschlagen, ?br?nftig! Wir verstehen uns, mein Sohn.?
Auch die Innenausstattung hatten sie besprochen. Das leichte Klacken beim Aktivieren der Lenkradsperre. Das pulsierende Pochen des Blinkers. Das beruhigend nachstreifende Ticken der Scheibenwischer, von innen vernommen. Das vollmundige Vibrato zur?ckschnalzender Metallfedern. Ein nahezu unmerkliches Rauschen, das anschwillt zur Senkung des Fu?s auf dem Gaspedal. Ein leises Interieur, das Raum l?t f?r das Herzst?ck: den Motor, der von innen geheimnisvoller zu klingen hatte als von au?n. Niemals durfte er aufheulen. Lust musste h?rbar werden, in gez?gelter, verschleierter Form. Das Fauchen im K?g kurz vor dem Ausbruch. Der Oberste formulierte es anders: ?Keine blanken Titten.? Er verstand. Und legte dem Obersten dessen Worte in den Mund. Er suche den durchsichtigen Stoff, der nichts zeige, aber alles erahnen lie?. Der Oberste nickte begeistert: ?Ich will die Fahrer sabbern sehen.?
?er die Handbremse gerieten sie in einen Wortwechsel. Sie hatten sich anderes vorgestellt als er, wollten ein feines Ratschen, im Einklang mit den ged?ften Lauten des Wageninneren. Er empfahl ein Aufbocken, harsch, fast schon ein Krachen. Die Handbremse markiere einen Schlusspunkt, setzte er ihnen auseinander. Sie zeige Entschlussfreudigkeit und verk?nde das Erreichen des Ziels, da sie zumeist nur zum Parken genutzt werde, wie neuere Statistiken bewiesen. Sie lie?n sich ?berzeugen. Sie wussten um seinen Wert. Kannten die Summe, mit der sie ihn abgeworben hatten vom Konkurrenten.
?er die T?r hatten sie nicht gesprochen. Wie ihm das unterlaufen hatte k?nnen, ist ihm jetzt ein R?el.

Die Tasse hat er mit hei?m Wasser gef?llt, das ausgek?hlt ist unter seinen Gedankeng?en. Noch immer sieht er sich dem Obersten gegen?berstehen. Mit der linken Hand wischt er ?ber die Tischplatte, tastet abwesend nach Brotkr?meln, die dort nicht sind. Zu lange war er nicht mehr in dieser deutschen Wohnung. Er hatte sie nur behalten, weil Hannah es wollte.
Im R?cken f?hlt er die K?e. Sie breitet sich aus hinter Fensterglas. Der kalte Dezemberwind im Innenhof. Die B?e trostlos abgenagt. Die Schaukel haben sie heruntergenommen, das abgestorbene Blumenbeet mit dicken Tannenzweigen belegt. Wer, fragt er sich fl?chtig, macht so was.

Er trat aus dem Flugzeug in die Hitze hinaus. Stand oben auf der Treppe, die sie herangerollt hatten, und musste lachen. Mit den H?en griff er nach dem warmen metallenen Gel?er. Hinter ihm schob sich die Stewardess n?r, die ihm w?end des Flugs die Getr?e gereicht hatte, das Tablett ?ber seinen Scho?gezogen, ihm das Kissen zurechtgezupft hatte unter dem Kopf. Er drehte sich nicht zu ihr um und lie?mit dem rechten Ringfinger den Ehering auf dem Gel?er aufschlagen. Fast glaubte er h?ren zu k?nnen, wie sie zusammenzuckte bei dem Ger?ch. Wie sie ihr Kinn in die H?he reckte und sich zur?ckzog in die Nische vor dem Cockpit.
Der erste Schritt in die arabische Welt. Sehr sp?erst hatten sie es ihm gesagt. Der Prototyp sollte in Dubai gebaut werden. Das Werk dort war, so glaubten sie, besser abgeschirmt. Die Spezialisten alle vor Ort. Die Umgebung f?r Testfahrten ideal: die W?ste, die Berge. Die mit spitzem Splitt bes?n, ausgetrockneten Flussbetten, Wadis genannt. Die Felsschluchten, die das Wasser speichern, the pools. Seit Monaten arbeiteten sie dort bereits, in h?chste Geheimhaltung verkapselt. Von W?stensmog hatte er gelesen, als er begonnen hatte, sich ?ber das Land zu informieren. Hei?, trockene Winde wirbeln ?ber die faltige Sandebene, tragen B?en aus feinsten K?rnern mit sich, mikroskopische Spuren von Sand, submikroskopische, die sich verdichten zu einem alles verschwemmenden Nebel. Als Dunst legt er sich ?ber die Stadt, bei? sich in die Atemwege der Einwohner, in die Nase, den Mund, die Augenwinkel, sperrt ihr Leben in die waghalsigen Glasbauten, die hier aus dem Boden schie?n wie nirgendwo sonst. Diese Geb?e, die er noch nicht sehen konnte, hier, auf der Flugzeugtreppe stehend. Die er glaubte erahnen zu k?nnen, hinter dem weiten Flughafenfeld, das sich unter ihm ausbreitete, hin zu den flachgestreckten Terminals am Rand der unz?igen Parkpositionen. Er wollte nicht absteigen, wollte diesen Moment noch hinausz?gern, einen winzigen, kostbaren Augenblick lang. Er betrachtete den Himmel, der blau war und klar, und stellte sich vor, wie es sein w?rde: Erstmals die Geb?e sehen. Die verspiegelten Fassaden, die wilden architektonischen Bauten, Traumgeburten der Konstrukteure. Das Sieben-Sterne-Hotel, Burj al-Arab, viel beschrien, das ihm entgegengeflimmert war aus jedem Reisejournal, das er und Hannah sich angesehen hatten in den letzten Tagen. Die W?ste. Die Weite, die er sich dort versprach. Die Stille. Der W?stensmog, auf den er neugierig war, weil er ihm Sinnbild zu sein schien f?r die Arbeitsbedingungen, denen er sich unterzuordnen hatte in den n?sten Monaten. Dem Steward, der ihn ansprach, der wissen wollte, ob alles in Ordnung sei, Sir, l?elte er zu. Nickte und stieg abw?s.

Immer h?rt er etwas. Die Wohnung m?sste still sein, denkt er. Ohne Hannah. Die Kinder. Ist sie aber nicht. Gerade hat sich der K?hlschrank abgeschaltet. Das hohe Surren ist verstummt, der Ton, der immer da ist. Stattdessen h?rt er die Schritte der Bewohner ?ber ihm. Sie m?ssen G?e zu Besuch haben, denn sonst waren sie nie so lautstark, liefen nicht hin und her mit diesem schweren Tritt. Manchmal machten sie mitten in der Nacht die Waschmaschine an. Mit Hannah hatte er oft dar?ber gestritten. Er wollte nach oben gehen, sich die n?tliche Ruhest?rung verbitten. Sie aber war froh um das Geratter, konnte sie doch im Gegenzug die W?he der Kinder waschen, wann immer sie wollte. Oft hatte sie es nach Mitternacht getan und war dann zu m?de gewesen, um auf den letzten Schleudergang zu warten. Die W?he blieb feucht verkn?t in der Trommel liegen, meist bis zum n?sten Abend. Manchmal nahm er sich vor, fr?her aufzustehen als sie und sie mit der aufgeh?ten W?he zu ?berraschen. Er verga?es jedes Mal.
Wie lange er schon hier sitzt, wei?er nicht. Hunger m?sste er haben, glaubt er. Aber es f?t ihm nichts ein, das er essen m?chte. Auf dem Regal in der Ecke des schmalen Raums stapeln sich Dosen. Sie hatten sie zur?ckgelassen, damals, als Gru?an die Zukunft. Wir werden hungrig sein, wenn wir nach Hause kommen werden. Mitten in der Nacht werden wir dann ?ber das dunkle Rollfeld fahren, werden unsere reisem?den K?rper in ein Taxi stopfen, Behmstra? bitte, werden wir sagen, und das Gesagte buchstabieren m?ssen, wie immer, und hinzuf?gen: Ostteil, jenseits der Br?cke. Was werden wir essen wollen, dann. Worauf werden die Kinder Appetit haben. Gezuckerte Pfirsiche. Linsensuppe mit Speck. Ravioli in Tomatenso?.
Mit allem hatten sie gerechnet, nicht aber damit, dass sie nie gemeinsam eintreffen w?rden, monatelang nicht. Und dass er zur?ckkehren w?rde, allein.

Ein Apartment in Jumeirah hatten sie ihm besorgt. Ein freundlicher Stadtteil. Der Jumeirah Beach Park in der N?, mit Gr?nanlagen am bewachten Strand. Eine Shopping Mall um die Ecke. Eine Residenz von Sheikh Ahmed in der Nachbarschaft. Die Wohnung gro? leer, unpers?nlich ? noch. Ein wenig teuer sei sie, so sagten sie ihm, aber, da l?elten sie, von seinem Gehalt werde er sich das schon leisten k?nnen. Zwang g? es keinen, er k?nne wohnen, wo er wolle. Sicher...
In der Stille ein Klang

Wie das klingt. Wenn einer dir gegen?bersteht, der dir sagt, du sollst gehen. Ganz still wird es dann. Du lauschst auf den Nachhall, der nicht kommt. Der ausbleibt im nachschwingenden Schweigen. Ein Schweigen, das dr?hnt, m?chte man meinen. Das die T?ne freisetzt, die in dir sind. Sind vielleicht Worte, die T?ne. Die gesagt werden m?ssten. Die du anbieten solltest, wie du wei?, zur Erwiderung. Du aber drehst sie nur in dir, die Worte, und legst sie beiseite, w?end du starr stehend horchst. Dich wunderst. ?er das Get?se der Stille.

Dass er dort steht. Immer noch steht er schweigend anderswo, obwohl er l?st in seiner Wohnung sitzt. In seiner K?che, an dem Tisch, vor der Tasse, die leer ist. Sitzend steht er da und denkt an Reisen. ?er die man sagt: die Seele kommt nach. Denn Seelen, hei? es, laufen zu Fu? Kann aber sein, dass die Seele feststeckt, denkt er. Dass sie eingefroren ist im Moment danach. Dass eine Stille von solcher Heftigkeit Seelen verschreckt. Weswegen sie starr bleiben, still stehen, nicht loslaufen, wie sie sollten.
L?erlich findet er sich. Sich so denken zu h?ren. Und doch ist er froh, dass er denkt, immerhin. Dass wieder S?e lautstark seine Gedanken durchkreuzen. Denn Stille, begreift er, g?liche Stille ist erst dann m?glich, wenn man aufh?rt zu denken. Eine Stille, die auffrisst, ist das, so denkt er. Ein L?. Lautlos wollten sie sein. Die T?r, sagten sie, m?sse schweigen. Die T?r. ?er den Klang des Motors war man sich vorher einig geworden. Noch in Deutschland hatten sie festgelegt, dass er grollen sollte. Ein aufbrausendes Donnern zu sommerlicher Nacht. ?Markig?, hatte der Oberste von allen es genannt und dabei seine Arme in die Luft gesto?n. Und: ?M?lich?, immer wieder. Der Sound sollte im Sub-Bereich liegen. ?Sound? war ein Wort, das sie gerne benutzten. Er verwendete es nie. Basslastige Kl?e wollten sie haben, so tief, dass sie aus der Erdkruste zu brechen schienen. Die Hosenbeine sollten den Konsumenten sp?r flattern. Ein sinnliches, ein erotisches Erlebnis. ?Da muss einem einer abgehen?, hatte der Oberste gerufen.
Er verstand, was sie wollten. Und wusste schon, welche K?fe ihm bl?hten. Mit den Ingenieuren, die stolz waren auf das leise Surren, das sie in feinf?hliger Arbeit erreicht hatten. Ein lautloser Motor, sacht wie das Vor?berschwirren eines Kolibris. Er w?rde ihre Arbeit zerst?ren. Hier ging es um einen Gel?ewagen. Einen Bezwinger. Der konnte nicht leise daherrollen. R?hren w?rde er m?ssen, mit der ungez?gelten Kraft eines br?nftigen Hirsches. ?Br?nftig!?, hatte der Oberste gedr?hnt und ihm auf die Schulterbl?er geschlagen, ?br?nftig! Wir verstehen uns, mein Sohn.?
Auch die Innenausstattung hatten sie besprochen. Das leichte Klacken beim Aktivieren der Lenkradsperre. Das pulsierende Pochen des Blinkers. Das beruhigend nachstreifende Ticken der Scheibenwischer, von innen vernommen. Das vollmundige Vibrato zur?ckschnalzender Metallfedern. Ein nahezu unmerkliches Rauschen, das anschwillt zur Senkung des Fu?s auf dem Gaspedal. Ein leises Interieur, das Raum l?t f?r das Herzst?ck: den Motor, der von innen geheimnisvoller zu klingen hatte als von au?n. Niemals durfte er aufheulen. Lust musste h?rbar werden, in gez?gelter, verschleierter Form. Das Fauchen im K?g kurz vor dem Ausbruch. Der Oberste formulierte es anders: ?Keine blanken Titten.? Er verstand. Und legte dem Obersten dessen Worte in den Mund. Er suche den durchsichtigen Stoff, der nichts zeige, aber alles erahnen lie?. Der Oberste nickte begeistert: ?Ich will die Fahrer sabbern sehen.?
?er die Handbremse gerieten sie in einen Wortwechsel. Sie hatten sich anderes vorgestellt als er, wollten ein feines Ratschen, im Einklang mit den ged?ften Lauten des Wageninneren. Er empfahl ein Aufbocken, harsch, fast schon ein Krachen. Die Handbremse markiere einen Schlusspunkt, setzte er ihnen auseinander. Sie zeige Entschlussfreudigkeit und verk?nde das Erreichen des Ziels, da sie zumeist nur zum Parken genutzt werde, wie neuere Statistiken bewiesen. Sie lie?n sich ?berzeugen. Sie wussten um seinen Wert. Kannten die Summe, mit der sie ihn abgeworben hatten vom Konkurrenten.
?er die T?r hatten sie nicht gesprochen. Wie ihm das unterlaufen hatte k?nnen, ist ihm jetzt ein R?el.

Die Tasse hat er mit hei?m Wasser gef?llt, das ausgek?hlt ist unter seinen Gedankeng?en. Noch immer sieht er sich dem Obersten gegen?berstehen. Mit der linken Hand wischt er ?ber die Tischplatte, tastet abwesend nach Brotkr?meln, die dort nicht sind. Zu lange war er nicht mehr in dieser deutschen Wohnung. Er hatte sie nur behalten, weil Hannah es wollte.
Im R?cken f?hlt er die K?e. Sie breitet sich aus hinter Fensterglas. Der kalte Dezemberwind im Innenhof. Die B?e trostlos abgenagt. Die Schaukel haben sie heruntergenommen, das abgestorbene Blumenbeet mit dicken Tannenzweigen belegt. Wer, fragt er sich fl?chtig, macht so was.

Er trat aus dem Flugzeug in die Hitze hinaus. Stand oben auf der Treppe, die sie herangerollt hatten, und musste lachen. Mit den H?en griff er nach dem warmen metallenen Gel?er. Hinter ihm schob sich die Stewardess n?r, die ihm w?end des Flugs die Getr?e gereicht hatte, das Tablett ?ber seinen Scho?gezogen, ihm das Kissen zurechtgezupft hatte unter dem Kopf. Er drehte sich nicht zu ihr um und lie?mit dem rechten Ringfinger den Ehering auf dem Gel?er aufschlagen. Fast glaubte er h?ren zu k?nnen, wie sie zusammenzuckte bei dem Ger?ch. Wie sie ihr Kinn in die H?he reckte und sich zur?ckzog in die Nische vor dem Cockpit.
Der erste Schritt in die arabische Welt. Sehr sp?erst hatten sie es ihm gesagt. Der Prototyp sollte in Dubai gebaut werden. Das Werk dort war, so glaubten sie, besser abgeschirmt. Die Spezialisten alle vor Ort. Die Umgebung f?r Testfahrten ideal: die W?ste, die Berge. Die mit spitzem Splitt bes?n, ausgetrockneten Flussbetten, Wadis genannt. Die Felsschluchten, die das Wasser speichern, the pools. Seit Monaten arbeiteten sie dort bereits, in h?chste Geheimhaltung verkapselt. Von W?stensmog hatte er gelesen, als er begonnen hatte, sich ?ber das Land zu informieren. Hei?, trockene Winde wirbeln ?ber die faltige Sandebene, tragen B?en aus feinsten K?rnern mit sich, mikroskopische Spuren von Sand, submikroskopische, die sich verdichten zu einem alles verschwemmenden Nebel. Als Dunst legt er sich ?ber die Stadt, bei? sich in die Atemwege der Einwohner, in die Nase, den Mund, die Augenwinkel, sperrt ihr Leben in die waghalsigen Glasbauten, die hier aus dem Boden schie?n wie nirgendwo sonst. Diese Geb?e, die er noch nicht sehen konnte, hier, auf der Flugzeugtreppe stehend. Die er glaubte erahnen zu k?nnen, hinter dem weiten Flughafenfeld, das sich unter ihm ausbreitete, hin zu den flachgestreckten Terminals am Rand der unz?igen Parkpositionen. Er wollte nicht absteigen, wollte diesen Moment noch hinausz?gern, einen winzigen, kostbaren Augenblick lang. Er betrachtete den Himmel, der blau war und klar, und stellte sich vor, wie es sein w?rde: Erstmals die Geb?e sehen. Die verspiegelten Fassaden, die wilden architektonischen Bauten, Traumgeburten der Konstrukteure. Das Sieben-Sterne-Hotel, Burj al-Arab, viel beschrien, das ihm entgegengeflimmert war aus jedem Reisejournal, das er und Hannah sich angesehen hatten in den letzten Tagen. Die W?ste. Die Weite, die er sich dort versprach. Die Stille. Der W?stensmog, auf den er neugierig war, weil er ihm Sinnbild zu sein schien f?r die Arbeitsbedingungen, denen er sich unterzuordnen hatte in den n?sten Monaten. Dem Steward, der ihn ansprach, der wissen wollte, ob alles in Ordnung sei, Sir, l?elte er zu. Nickte und stieg abw?s.

Immer h?rt er etwas. Die Wohnung m?sste still sein, denkt er. Ohne Hannah. Die Kinder. Ist sie aber nicht. Gerade hat sich der K?hlschrank abgeschaltet. Das hohe Surren ist verstummt, der Ton, der immer da ist. Stattdessen h?rt er die Schritte der Bewohner ?ber ihm. Sie m?ssen G?e zu Besuch haben, denn sonst waren sie nie so lautstark, liefen nicht hin und her mit diesem schweren Tritt. Manchmal machten sie mitten in der Nacht die Waschmaschine an. Mit Hannah hatte er oft dar?ber gestritten. Er wollte nach oben gehen, sich die n?tliche Ruhest?rung verbitten. Sie aber war froh um das Geratter, konnte sie doch im Gegenzug die W?he der Kinder waschen, wann immer sie wollte. Oft hatte sie es nach Mitternacht getan und war dann zu m?de gewesen, um auf den letzten Schleudergang zu warten. Die W?he blieb feucht verkn?t in der Trommel liegen, meist bis zum n?sten Abend. Manchmal nahm er sich vor, fr?her aufzustehen als sie und sie mit der aufgeh?ten W?he zu ?berraschen. Er verga?es jedes Mal.
Wie lange er schon hier sitzt, wei?er nicht. Hunger m?sste er haben, glaubt er. Aber es f?t ihm nichts ein, das er essen m?chte. Auf dem Regal in der Ecke des schmalen Raums stapeln sich Dosen. Sie hatten sie zur?ckgelassen, damals, als Gru?an die Zukunft. Wir werden hungrig sein, wenn wir nach Hause kommen werden. Mitten in der Nacht werden wir dann ?ber das dunkle Rollfeld fahren, werden unsere reisem?den K?rper in ein Taxi stopfen, Behmstra? bitte, werden wir sagen, und das Gesagte buchstabieren m?ssen, wie immer, und hinzuf?gen: Ostteil, jenseits der Br?cke. Was werden wir essen wollen, dann. Worauf werden die Kinder Appetit haben. Gezuckerte Pfirsiche. Linsensuppe mit Speck. Ravioli in Tomatenso?.
Mit allem hatten sie gerechnet, nicht aber damit, dass sie nie gemeinsam eintreffen w?rden, monatelang nicht. Und dass er zur?ckkehren w?rde, allein.

Ein Apartment in Jumeirah hatten sie ihm besorgt. Ein freundlicher Stadtteil. Der Jumeirah Beach Park in der N?, mit Gr?nanlagen am bewachten Strand. Eine Shopping Mall um die Ecke. Eine Residenz von Sheikh Ahmed in der Nachbarschaft. Die Wohnung gro? leer, unpers?nlich ? noch. Ein wenig teuer sei sie, so sagten sie ihm, aber, da l?elten sie, von seinem Gehalt werde er sich das schon leisten k?nnen. Zwang g? es keinen, er k?nne wohnen, wo er wolle. Sicher...
Details
Erscheinungsjahr: 2005
Genre: Romane & Erzählungen
Rubrik: Belletristik
Medium: Taschenbuch
Seiten: 240
Inhalt: 240 S.
ISBN-13: 9783630620770
ISBN-10: 3630620779
Sprache: Deutsch
Einband: Kartoniert / Broschiert
Autor: Neudecker, Christiane
luchterhand literaturverlag: Luchterhand Literaturverlag
penguin random house verlagsgruppe gmbh: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Maße: 190 x 120 x 16 mm
Von/Mit: Christiane Neudecker
Erscheinungsdatum: 05.10.2005
Gewicht: 0,241 kg
preigu-id: 102334325
Details
Erscheinungsjahr: 2005
Genre: Romane & Erzählungen
Rubrik: Belletristik
Medium: Taschenbuch
Seiten: 240
Inhalt: 240 S.
ISBN-13: 9783630620770
ISBN-10: 3630620779
Sprache: Deutsch
Einband: Kartoniert / Broschiert
Autor: Neudecker, Christiane
luchterhand literaturverlag: Luchterhand Literaturverlag
penguin random house verlagsgruppe gmbh: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Maße: 190 x 120 x 16 mm
Von/Mit: Christiane Neudecker
Erscheinungsdatum: 05.10.2005
Gewicht: 0,241 kg
preigu-id: 102334325
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