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Beschreibung
Aus dem toten Winkel ins»Kreuzfeuer der Kritik«? Organisationen in der zeithistorischen Theorie und PraxisMarcus Böick und Marcel SchmeerOrganisationen: Praktisch sind sie überall, theoretisch aber nirgendwo. So könnte man, sicher zugespitzt, den derzeitigen Reflexions- und Diskussionsstand weiter Teile der deutschen Zeitgeschichtsforschung zur Organisationsgeschichtsschreibung beschreiben. Organisationen bilden in der Praxis eine zentrale Referenz zeithistoriografischen Arbeitens und Forschens: oft als fokussierte Forschungsobjekte, stets auch als wesentliche Produzenten von verwendeten Archivalien und Quellen, fast immer als institutionelle Arbeit- oder Auftraggeber, etwa in Form von Universitäten, Forschungsinstituten, Fachverbänden, Stiftungen und von Museen, Gedenkstätten und insbesondere Archiven. Historiker/innen sind, allem langjährig kultivierten Einzelkämpfertum zum Trotz, durch und durch selbst organisierte Organisationswesen; die Geschichtswissenschaft als wissenschaftlich-akademische Disziplin ist Produkt moderner Organisationsbildungen an Universitäten, Instituten oder in ihren Fachverbänden. Und vielleicht ist es auch gerade diese arbeitsweltlich-professionelle Omnipräsenz des Organisationellen, die in der zeithistoriografischen Theorie insbesondere Organisationen als scheinbar unhinterfragte Selbstverständlichkeiten weitgehend zum Verschwinden bringt - und dies aller theoretischen Debatten um immer neue methodische Trends und »turns« zum Trotz. Aber warum ist das so?Es ist durchaus mehr als ein semantisches Glasperlenspiel, dass die deutschsprachige Geschichtswissenschaft - im markanten Gegensatz zur hiesigen Soziologie - nie trennscharf zwischen Organisationen und Institutionen zu unterscheiden pflegte und pflegt. Während die Begriffe im zeithistorischen Feld weitgehend synonym gebraucht werden, differenziert die Sozialwissenschaft sehr trennscharf zwischen Organisationen als genuin moderner Sozialform mit spezifischen Funktionen und benennbaren Strukturen (wie etwa Mitgliedschaften, Zwecken oder Hierarchien ) einerseits sowie Institutionen andererseits Diese werden als der bewussten Reflexion entrückte »soziale Tatbestände« begriffen, die ihrerseits als übergeordnete gesellschaftliche Normen scheinbar überzeitliche oder gar universelle Gültigkeit beanspruchen. Der Verwaltungsexperte Wolfgang Seibel hob diese fundamentale Unterscheidung plastisch hervor:»Organisationen (...) werden vor unseren Augen gegründet, und sie können, wenn sie sich als relativ oder absolut unzweckmäßig erweisen, verändert oder auch wieder aufgelöst werden. Mit institutionalisierten sozialen Strukturen verhält es sich grundlegend anders. Sie treten uns zunächst als quasi-gegenständlich gegenüber, und sie können auch nicht von heute auf morgen geändert werden, selbst wenn starke Veränderungsimpulse in der Gesellschaft dies nahelegen.«Für Seibel erscheint die staatliche Verwaltung als nachgerade klassisches Paradebeispiel für eine (moderne) Organisationsform, Familie oder die Ehe hingegen als klassische Institutionen - eben als jene umfassend akzeptierten sozialen Tatsachen, über deren »Sinn« man - wie schon Emile Durkheim in den Anfängen der wissenschaftlichen Soziologie herausgearbeitet hat - nicht tagtäglich grundlegend reflektieren müsse oder gar könne. Die kategorische Differenzierung zwischen Organisationen und Institutionen ist auf diese Weise wesentlicher Ausgangspunkt sozialwissenschaftlicher Organisationsforschungen, der diese als Forschungs- und Analysegegenstände greifbar werden [...] der geschichtswissenschaftlichen Theorie und Praxis spielt diese kategorische Unterscheidung bezeichnenderweise keine nennenswerte Rolle. Man könnte auch sagen, dass sich Organisations- und Institutionenbegriff in der zeithistorischen Anwendung oft auf problematische wie bezeichnende Weise miteinander vermengen: Zwar werden Organisationen in zahlreichen Einzelstudien als spezifisch-konkrete Ordnungsprinzipien des Sozialen betrac
Aus dem toten Winkel ins»Kreuzfeuer der Kritik«? Organisationen in der zeithistorischen Theorie und PraxisMarcus Böick und Marcel SchmeerOrganisationen: Praktisch sind sie überall, theoretisch aber nirgendwo. So könnte man, sicher zugespitzt, den derzeitigen Reflexions- und Diskussionsstand weiter Teile der deutschen Zeitgeschichtsforschung zur Organisationsgeschichtsschreibung beschreiben. Organisationen bilden in der Praxis eine zentrale Referenz zeithistoriografischen Arbeitens und Forschens: oft als fokussierte Forschungsobjekte, stets auch als wesentliche Produzenten von verwendeten Archivalien und Quellen, fast immer als institutionelle Arbeit- oder Auftraggeber, etwa in Form von Universitäten, Forschungsinstituten, Fachverbänden, Stiftungen und von Museen, Gedenkstätten und insbesondere Archiven. Historiker/innen sind, allem langjährig kultivierten Einzelkämpfertum zum Trotz, durch und durch selbst organisierte Organisationswesen; die Geschichtswissenschaft als wissenschaftlich-akademische Disziplin ist Produkt moderner Organisationsbildungen an Universitäten, Instituten oder in ihren Fachverbänden. Und vielleicht ist es auch gerade diese arbeitsweltlich-professionelle Omnipräsenz des Organisationellen, die in der zeithistoriografischen Theorie insbesondere Organisationen als scheinbar unhinterfragte Selbstverständlichkeiten weitgehend zum Verschwinden bringt - und dies aller theoretischen Debatten um immer neue methodische Trends und »turns« zum Trotz. Aber warum ist das so?Es ist durchaus mehr als ein semantisches Glasperlenspiel, dass die deutschsprachige Geschichtswissenschaft - im markanten Gegensatz zur hiesigen Soziologie - nie trennscharf zwischen Organisationen und Institutionen zu unterscheiden pflegte und pflegt. Während die Begriffe im zeithistorischen Feld weitgehend synonym gebraucht werden, differenziert die Sozialwissenschaft sehr trennscharf zwischen Organisationen als genuin moderner Sozialform mit spezifischen Funktionen und benennbaren Strukturen (wie etwa Mitgliedschaften, Zwecken oder Hierarchien ) einerseits sowie Institutionen andererseits Diese werden als der bewussten Reflexion entrückte »soziale Tatbestände« begriffen, die ihrerseits als übergeordnete gesellschaftliche Normen scheinbar überzeitliche oder gar universelle Gültigkeit beanspruchen. Der Verwaltungsexperte Wolfgang Seibel hob diese fundamentale Unterscheidung plastisch hervor:»Organisationen (...) werden vor unseren Augen gegründet, und sie können, wenn sie sich als relativ oder absolut unzweckmäßig erweisen, verändert oder auch wieder aufgelöst werden. Mit institutionalisierten sozialen Strukturen verhält es sich grundlegend anders. Sie treten uns zunächst als quasi-gegenständlich gegenüber, und sie können auch nicht von heute auf morgen geändert werden, selbst wenn starke Veränderungsimpulse in der Gesellschaft dies nahelegen.«Für Seibel erscheint die staatliche Verwaltung als nachgerade klassisches Paradebeispiel für eine (moderne) Organisationsform, Familie oder die Ehe hingegen als klassische Institutionen - eben als jene umfassend akzeptierten sozialen Tatsachen, über deren »Sinn« man - wie schon Emile Durkheim in den Anfängen der wissenschaftlichen Soziologie herausgearbeitet hat - nicht tagtäglich grundlegend reflektieren müsse oder gar könne. Die kategorische Differenzierung zwischen Organisationen und Institutionen ist auf diese Weise wesentlicher Ausgangspunkt sozialwissenschaftlicher Organisationsforschungen, der diese als Forschungs- und Analysegegenstände greifbar werden [...] der geschichtswissenschaftlichen Theorie und Praxis spielt diese kategorische Unterscheidung bezeichnenderweise keine nennenswerte Rolle. Man könnte auch sagen, dass sich Organisations- und Institutionenbegriff in der zeithistorischen Anwendung oft auf problematische wie bezeichnende Weise miteinander vermengen: Zwar werden Organisationen in zahlreichen Einzelstudien als spezifisch-konkrete Ordnungsprinzipien des Sozialen betrac
Details
Erscheinungsjahr: | 2020 |
---|---|
Genre: | Geisteswissenschaften, Kunst, Musik |
Medium: | Taschenbuch |
Inhalt: | 556 S. |
ISBN-13: | 9783593510392 |
ISBN-10: | 3593510391 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Kartoniert / Broschiert |
Autor: |
Böick, Marcus
Schmeer, Marcel Balz, Eva Becker, Peter Brünger, Sebastian Budraß, Lutz Faulenbach, Bernd |
Redaktion: |
Böick, Marcus
Schmeer, Marcel |
Herausgeber: | Marcus Böick/Marcel Schmeer |
Auflage: | 1/2020 |
campus verlag: | Campus Verlag |
Verantwortliche Person für die EU: | Campus Verlag GmbH, Werderstr. 10, D-69469 Weinheim, info@campus.de |
Maße: | 213 x 140 x 35 mm |
Von/Mit: | Marcus Böick |
Erscheinungsdatum: | 17.01.2020 |
Gewicht: | 0,691 kg |
Details
Erscheinungsjahr: | 2020 |
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Genre: | Geisteswissenschaften, Kunst, Musik |
Medium: | Taschenbuch |
Inhalt: | 556 S. |
ISBN-13: | 9783593510392 |
ISBN-10: | 3593510391 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Kartoniert / Broschiert |
Autor: |
Böick, Marcus
Schmeer, Marcel Balz, Eva Becker, Peter Brünger, Sebastian Budraß, Lutz Faulenbach, Bernd |
Redaktion: |
Böick, Marcus
Schmeer, Marcel |
Herausgeber: | Marcus Böick/Marcel Schmeer |
Auflage: | 1/2020 |
campus verlag: | Campus Verlag |
Verantwortliche Person für die EU: | Campus Verlag GmbH, Werderstr. 10, D-69469 Weinheim, info@campus.de |
Maße: | 213 x 140 x 35 mm |
Von/Mit: | Marcus Böick |
Erscheinungsdatum: | 17.01.2020 |
Gewicht: | 0,691 kg |
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