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Beschreibung
Einleitung"Am 22. oder 23. Dezember kam eine Familie aus Kraftsolms auf uns zu. Diese Familie hat im Fernsehen den großen Flüchtlingsstrom gesehen. Dass das alles so dramatisch war und die Zustände im Notaufnahmelager chaotisch und schlimm waren. Daraufhin haben sie sich dann in ihrem Familienrat dazu entschlossen, irgendjemanden im Notaufnahmelager anzusprechen und diese Familie zu Weihnachten einzuladen. Diese Familie waren halt wir."Mit diesen Worten erinnerte sich der damals neunjährige Robert Carl (Jg. 1980) an das Weihnachtsfest 1989. Wenige Tage zuvor war er mit seiner Familie in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung Hessens (ZAH) für DDR-Übersiedler eingetroffen, zusammen mit vielen anderen DDR-Bürgern. Ähnliche Erfahrungen machte Familie Ehnert, die diese Einrichtung ebenfalls wenige Tage vor Heiligabend aufgesucht hatte. Auch sie wurde zu einer privaten Weihnachtsfeier am Heiligabend eingeladen, den sie bei einer Familie aus Heuchelheim verbrachten. Am ersten Weihnachtsfeiertag erhielt die vierköpfige Familie sogar eine zweite Einladung, diesmal von einem US-Soldaten aus Butzbach. Bei diesen und anderen Einladungen handelte es sich um Privatinitiativen von Bürgern aus Gießen und Umgebung, die das Weihnachtsfest 1989 zu einem besonderen Ereignis machten. Erstmals seit vier Jahrzehnten feierten Deutsche aus der DDR und der Bundesrepublik wieder gemeinsam, sei es, dass sich bis dahin getrennte Familien besuchten, sei es, dass sich Freunde und Verwandte nun ohne Zwangsumtausch und Einreisegenehmigung treffen konnten, sei es, dass sich gänzlich Fremde in dieser Zeit der Euphorie einander einluden. Man könnte meinen, dass einige hessische Familien und US-Soldaten, die Weihnachten 1989 mit ihnen fremden Übersiedlern aus der DDR feierten, auf diese Weise das Ende des Kalten Krieges und die Wiedervereinigung vor-wegnehmen wollten. Die Erzählungen vom Weihnachtsfest 1989 in Gießen und Umgebung verweisen somit exemplarisch auf die Spannungen, die für das 20. Jahrhundert so prägend gewesen waren, dass Eric Hobsbawm es als ein Jahrhundert der Extreme bezeichnete.LagertypenMit diesem "extremen Zeitalter", das von Kriegs- und Friedenszeiten in gleichem Maße geprägt wurde, ist eine Institution in besonderer Weise verbunden, die gerade im 20. Jahrhundert eine ungewöhnliche Entwick-lung nahm: das Lager. Lager gab es zu dieser Zeit in den unterschiedlichsten Ausprägungen und Funktionen, in ihnen konnten kleinere und große Menschenmassen untergebracht sein und nicht selten waren sie Orte, an denen ein kompletter Lebensalltag stattfand. Es gab Arbeitslager, DP-Lager, Durchgangslager, Flüchtlingslager, Gulags, Heimkehrerlager, Internierungslager, Konzentrationslager, Kriegsgefangenenlager, Quarantänelager, Wohnlager für Saison-, Fremd- und Gastarbeiter, für Vertriebene, für Aussiedler und Spätaussiedler. Zwar hatte es lagerähnliche Unterbringungs-formen auch schon vor dem Ersten Weltkrieg gegeben. Zu einem umfassenden Phänomen entwickelte sie sich aber erst während und infolge des Ersten Weltkrieges. Was ein Lager charakterisierte, hatte Ulrich Herbert in den 1980er Jahren so formuliert:"Ein Lager ist nicht für die Dauer gedacht, es soll nur für vorübergehende Zeit bestehen und seinen Bewohnern Platz bieten - ein Provisorium. Die in ihm leben, sind nicht auf's Bleiben eingerichtet; wer lange in Lagern lebt, tut dies nicht freiwillig."Auf dieser Grundlage wurden die verschiedenen Lagertypen in der Ge-schichtswissenschaft seither mit recht unterschiedlicher Gewichtung untersucht, wobei die Forschung zu den nationalsozialistischen Lagern bislang deutlich überwiegt. Funktional unterscheidet die NS-Forschung zwischen Exklusions- und Inklusionslagern. Zu den Exklusionslagern gehören Repressions- und Vernichtungslager, die für die Menschen eingerichtet worden waren, die von der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft ausgeschlossen werden sollten. Zu den Ausgeschlossenen gehörten Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, politisch Andersd
Einleitung"Am 22. oder 23. Dezember kam eine Familie aus Kraftsolms auf uns zu. Diese Familie hat im Fernsehen den großen Flüchtlingsstrom gesehen. Dass das alles so dramatisch war und die Zustände im Notaufnahmelager chaotisch und schlimm waren. Daraufhin haben sie sich dann in ihrem Familienrat dazu entschlossen, irgendjemanden im Notaufnahmelager anzusprechen und diese Familie zu Weihnachten einzuladen. Diese Familie waren halt wir."Mit diesen Worten erinnerte sich der damals neunjährige Robert Carl (Jg. 1980) an das Weihnachtsfest 1989. Wenige Tage zuvor war er mit seiner Familie in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung Hessens (ZAH) für DDR-Übersiedler eingetroffen, zusammen mit vielen anderen DDR-Bürgern. Ähnliche Erfahrungen machte Familie Ehnert, die diese Einrichtung ebenfalls wenige Tage vor Heiligabend aufgesucht hatte. Auch sie wurde zu einer privaten Weihnachtsfeier am Heiligabend eingeladen, den sie bei einer Familie aus Heuchelheim verbrachten. Am ersten Weihnachtsfeiertag erhielt die vierköpfige Familie sogar eine zweite Einladung, diesmal von einem US-Soldaten aus Butzbach. Bei diesen und anderen Einladungen handelte es sich um Privatinitiativen von Bürgern aus Gießen und Umgebung, die das Weihnachtsfest 1989 zu einem besonderen Ereignis machten. Erstmals seit vier Jahrzehnten feierten Deutsche aus der DDR und der Bundesrepublik wieder gemeinsam, sei es, dass sich bis dahin getrennte Familien besuchten, sei es, dass sich Freunde und Verwandte nun ohne Zwangsumtausch und Einreisegenehmigung treffen konnten, sei es, dass sich gänzlich Fremde in dieser Zeit der Euphorie einander einluden. Man könnte meinen, dass einige hessische Familien und US-Soldaten, die Weihnachten 1989 mit ihnen fremden Übersiedlern aus der DDR feierten, auf diese Weise das Ende des Kalten Krieges und die Wiedervereinigung vor-wegnehmen wollten. Die Erzählungen vom Weihnachtsfest 1989 in Gießen und Umgebung verweisen somit exemplarisch auf die Spannungen, die für das 20. Jahrhundert so prägend gewesen waren, dass Eric Hobsbawm es als ein Jahrhundert der Extreme bezeichnete.LagertypenMit diesem "extremen Zeitalter", das von Kriegs- und Friedenszeiten in gleichem Maße geprägt wurde, ist eine Institution in besonderer Weise verbunden, die gerade im 20. Jahrhundert eine ungewöhnliche Entwick-lung nahm: das Lager. Lager gab es zu dieser Zeit in den unterschiedlichsten Ausprägungen und Funktionen, in ihnen konnten kleinere und große Menschenmassen untergebracht sein und nicht selten waren sie Orte, an denen ein kompletter Lebensalltag stattfand. Es gab Arbeitslager, DP-Lager, Durchgangslager, Flüchtlingslager, Gulags, Heimkehrerlager, Internierungslager, Konzentrationslager, Kriegsgefangenenlager, Quarantänelager, Wohnlager für Saison-, Fremd- und Gastarbeiter, für Vertriebene, für Aussiedler und Spätaussiedler. Zwar hatte es lagerähnliche Unterbringungs-formen auch schon vor dem Ersten Weltkrieg gegeben. Zu einem umfassenden Phänomen entwickelte sie sich aber erst während und infolge des Ersten Weltkrieges. Was ein Lager charakterisierte, hatte Ulrich Herbert in den 1980er Jahren so formuliert:"Ein Lager ist nicht für die Dauer gedacht, es soll nur für vorübergehende Zeit bestehen und seinen Bewohnern Platz bieten - ein Provisorium. Die in ihm leben, sind nicht auf's Bleiben eingerichtet; wer lange in Lagern lebt, tut dies nicht freiwillig."Auf dieser Grundlage wurden die verschiedenen Lagertypen in der Ge-schichtswissenschaft seither mit recht unterschiedlicher Gewichtung untersucht, wobei die Forschung zu den nationalsozialistischen Lagern bislang deutlich überwiegt. Funktional unterscheidet die NS-Forschung zwischen Exklusions- und Inklusionslagern. Zu den Exklusionslagern gehören Repressions- und Vernichtungslager, die für die Menschen eingerichtet worden waren, die von der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft ausgeschlossen werden sollten. Zu den Ausgeschlossenen gehörten Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, politisch Andersd
Details
Erscheinungsjahr: | 2017 |
---|---|
Fachbereich: | Zeitgeschichte & Politik |
Genre: | Geisteswissenschaften, Geschichte, Kunst, Musik |
Jahrhundert: | ab 1949 |
Rubrik: | Geisteswissenschaften |
Medium: | Buch |
Inhalt: | 420 S. |
ISBN-13: | 9783593508108 |
ISBN-10: | 3593508109 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Gebunden |
Autor: | Laak, Jeannette van (Dr. habil.) |
Auflage: | 1/2017 |
campus verlag: | Campus Verlag |
Maße: | 217 x 145 x 31 mm |
Von/Mit: | Jeannette van Laak |
Erscheinungsdatum: | 05.10.2017 |
Gewicht: | 0,616 kg |
Details
Erscheinungsjahr: | 2017 |
---|---|
Fachbereich: | Zeitgeschichte & Politik |
Genre: | Geisteswissenschaften, Geschichte, Kunst, Musik |
Jahrhundert: | ab 1949 |
Rubrik: | Geisteswissenschaften |
Medium: | Buch |
Inhalt: | 420 S. |
ISBN-13: | 9783593508108 |
ISBN-10: | 3593508109 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Gebunden |
Autor: | Laak, Jeannette van (Dr. habil.) |
Auflage: | 1/2017 |
campus verlag: | Campus Verlag |
Maße: | 217 x 145 x 31 mm |
Von/Mit: | Jeannette van Laak |
Erscheinungsdatum: | 05.10.2017 |
Gewicht: | 0,616 kg |
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