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Beschreibung
I. Hatten die Nationalsozialisten eine andere Moral?Hatten die Nationalsozialisten überhaupt eine Moral? Waren sie überhaupt moralisch ansprechbar? Hatte das Leiden anderer für sie irgendeine Bedeutung? Oder spielten die Bedürfnisse und Interessen der Anderen für sie keinerlei Rolle? Wer waren für Nationalsozialisten »die Anderen«? Existierten für Nationalsozialisten moralische Pflichten? Befolgten sie moralische Normen? Welche Normen akzeptierten sie und was bedeutete es für sie, eine Norm zu akzeptieren? Glaubten sie, dass es erlaubt sein kann, eine anerkannte moralische Norm zu verletzen? Und welche Voraussetzungen mussten ihrer Meinung nach gegeben sein, damit eine solche Verletzung als erlaubt gelten kann? Und wenn die Nationalsozialisten überhaupt eine Moral hatten, hatten sie dann womöglich eine spezifisch nationalsozialistische Moral?1. Der Maßstab: MenschenrechtsmoralDiese Fragen drängen sich angesichts der Quantität und Qualität der nationalsozialistischen Verbrechen unweigerlich auf. Sie stellen sich für alle Menschen, die universell geltende Menschenrechte anerkennen. Ein solches Menschenrechtsverständnis ist insbesondere in den Gesellschaften der westlichen demokratischen Verfassungsstaaten verankert. Die Bevölkerungsmehrheiten und die höchsten staatlichen Organe dieser - und nicht nur dieser - Gesellschaften billigen jedem Menschen ein Arsenal von Rechten allein aufgrund seines Menschseins [...] in diesen Gesellschaften herrschenden moralischen Vorstellungen sind maßgeblich durch die Anerkennung von Menschenrechten geprägt. Selbst in Gesellschaften, in denen Menschenrechte wenig gelten und vielleicht sogar von Staatsorganen massiv verletzt werden, bekunden die staatlichen Vertreter die Anerkennung dieser Rechte. Die über Jahrhunderte gewachsene und ausformulierte Idee, der zufolge jeder Mensch Rechte hat, die zum einen jeden anderen Einzelnen in seiner Willkürfreiheit einschränken und zum anderen durch den Staat zu achten und zu schützen sind, hat sich als in einer Weise überzeugend herausgestellt, dass ihr im Grunde nicht mehr widersprochen, sondern nur noch um ihr genaues Verständnis und ihre konkrete Ausdeutung gerungen wird.Welche Rechte als Menschenrechte zu gelten haben, kann dabei im Einzelnen umstritten sein. Nicht alle Rechte, die heute - etwa auch in Menschenrechtskonventionen internationaler Organisationen - als Menschenrechte anerkannt sind, haben die gleiche moralische Relevanz. Moralische Relevanz korreliert mit existenzieller Relevanz. Der Mensch ist ein verletzbares und sterbliches Wesen, das in einer Welt knapper Ressourcen seine Existenz reproduzieren muss. Als »unmoralisch« oder »verbrecherisch« in einem sozialmoralischen Sinne betrachten wir Handlungen, die wichtige Existenzbedingungen anderer Menschen zerstören, die deren Freiheit beschneiden oder deren Handlungsfähigkeit einschränken, die andere Menschen körperlich verletzen, psychisch drangsalieren oder ihnen das Leben nehmen, ohne dass für diese Handlungen ein gesellschaftlich anerkannter Grund besteht. Da wir nach der Moral der Nationalsozialisten angesichts ihrer Verbrechen fragen, werde ich im Folgenden ausschließlich die fundamentalen Menschenrechte im Auge haben. Als »fundamental« bezeichne ich Rechte, deren Beachtung die Befriedigung derjenigen Bedürfnisse gewährleistet, die man befriedigen muss, um überhaupt Mensch und dieser Mensch sein und bleiben zu können. Ein solches Recht wäre zum Beispiel das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, nicht aber das Recht auf bezahlten Urlaub. Menschen, die solche Menschenrechte anerkennen, betrachte ich als die Vergleichsgruppe, wenn ich frage, ob Nationalsozialisten eine andere Moral [...] sollte man beachten, dass jenes Ideensystem, das wir hier »Menschenrechtsmoral« nennen, selbst interpretations- und präzisionsbedürftig ist. Selbst wenn man nur die fundamentalen Menschenrechte in den Blick nimmt, bleibt sowohl der genaue Charakter der Rechte als auch die Reichweite
I. Hatten die Nationalsozialisten eine andere Moral?Hatten die Nationalsozialisten überhaupt eine Moral? Waren sie überhaupt moralisch ansprechbar? Hatte das Leiden anderer für sie irgendeine Bedeutung? Oder spielten die Bedürfnisse und Interessen der Anderen für sie keinerlei Rolle? Wer waren für Nationalsozialisten »die Anderen«? Existierten für Nationalsozialisten moralische Pflichten? Befolgten sie moralische Normen? Welche Normen akzeptierten sie und was bedeutete es für sie, eine Norm zu akzeptieren? Glaubten sie, dass es erlaubt sein kann, eine anerkannte moralische Norm zu verletzen? Und welche Voraussetzungen mussten ihrer Meinung nach gegeben sein, damit eine solche Verletzung als erlaubt gelten kann? Und wenn die Nationalsozialisten überhaupt eine Moral hatten, hatten sie dann womöglich eine spezifisch nationalsozialistische Moral?1. Der Maßstab: MenschenrechtsmoralDiese Fragen drängen sich angesichts der Quantität und Qualität der nationalsozialistischen Verbrechen unweigerlich auf. Sie stellen sich für alle Menschen, die universell geltende Menschenrechte anerkennen. Ein solches Menschenrechtsverständnis ist insbesondere in den Gesellschaften der westlichen demokratischen Verfassungsstaaten verankert. Die Bevölkerungsmehrheiten und die höchsten staatlichen Organe dieser - und nicht nur dieser - Gesellschaften billigen jedem Menschen ein Arsenal von Rechten allein aufgrund seines Menschseins [...] in diesen Gesellschaften herrschenden moralischen Vorstellungen sind maßgeblich durch die Anerkennung von Menschenrechten geprägt. Selbst in Gesellschaften, in denen Menschenrechte wenig gelten und vielleicht sogar von Staatsorganen massiv verletzt werden, bekunden die staatlichen Vertreter die Anerkennung dieser Rechte. Die über Jahrhunderte gewachsene und ausformulierte Idee, der zufolge jeder Mensch Rechte hat, die zum einen jeden anderen Einzelnen in seiner Willkürfreiheit einschränken und zum anderen durch den Staat zu achten und zu schützen sind, hat sich als in einer Weise überzeugend herausgestellt, dass ihr im Grunde nicht mehr widersprochen, sondern nur noch um ihr genaues Verständnis und ihre konkrete Ausdeutung gerungen wird.Welche Rechte als Menschenrechte zu gelten haben, kann dabei im Einzelnen umstritten sein. Nicht alle Rechte, die heute - etwa auch in Menschenrechtskonventionen internationaler Organisationen - als Menschenrechte anerkannt sind, haben die gleiche moralische Relevanz. Moralische Relevanz korreliert mit existenzieller Relevanz. Der Mensch ist ein verletzbares und sterbliches Wesen, das in einer Welt knapper Ressourcen seine Existenz reproduzieren muss. Als »unmoralisch« oder »verbrecherisch« in einem sozialmoralischen Sinne betrachten wir Handlungen, die wichtige Existenzbedingungen anderer Menschen zerstören, die deren Freiheit beschneiden oder deren Handlungsfähigkeit einschränken, die andere Menschen körperlich verletzen, psychisch drangsalieren oder ihnen das Leben nehmen, ohne dass für diese Handlungen ein gesellschaftlich anerkannter Grund besteht. Da wir nach der Moral der Nationalsozialisten angesichts ihrer Verbrechen fragen, werde ich im Folgenden ausschließlich die fundamentalen Menschenrechte im Auge haben. Als »fundamental« bezeichne ich Rechte, deren Beachtung die Befriedigung derjenigen Bedürfnisse gewährleistet, die man befriedigen muss, um überhaupt Mensch und dieser Mensch sein und bleiben zu können. Ein solches Recht wäre zum Beispiel das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, nicht aber das Recht auf bezahlten Urlaub. Menschen, die solche Menschenrechte anerkennen, betrachte ich als die Vergleichsgruppe, wenn ich frage, ob Nationalsozialisten eine andere Moral [...] sollte man beachten, dass jenes Ideensystem, das wir hier »Menschenrechtsmoral« nennen, selbst interpretations- und präzisionsbedürftig ist. Selbst wenn man nur die fundamentalen Menschenrechte in den Blick nimmt, bleibt sowohl der genaue Charakter der Rechte als auch die Reichweite
Details
Erscheinungsjahr: | 2019 |
---|---|
Medium: | Buch |
Inhalt: | 550 S. |
ISBN-13: | 9783957682048 |
ISBN-10: | 3957682045 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Gebunden |
Autor: | Fritze, Lothar |
Auflage: | 1/2019 |
lau-verlag & handel kg: | Lau-Verlag & Handel KG |
Maße: | 246 x 185 x 47 mm |
Von/Mit: | Lothar Fritze |
Erscheinungsdatum: | 15.03.2019 |
Gewicht: | 1,255 kg |
Details
Erscheinungsjahr: | 2019 |
---|---|
Medium: | Buch |
Inhalt: | 550 S. |
ISBN-13: | 9783957682048 |
ISBN-10: | 3957682045 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Gebunden |
Autor: | Fritze, Lothar |
Auflage: | 1/2019 |
lau-verlag & handel kg: | Lau-Verlag & Handel KG |
Maße: | 246 x 185 x 47 mm |
Von/Mit: | Lothar Fritze |
Erscheinungsdatum: | 15.03.2019 |
Gewicht: | 1,255 kg |
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