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Beschreibung
Gegenüber von uns auf der Birkumstraße stand das Möbelhaus Krawitz. Ein langgestrecktes, eingeschoßiges Gebäude mit vier Schaufenstern. Über jedem Fenster stand mit blauer Schreibschrift 'Möbelhaus Krawitz'. Also viermal. Das machte Eindruck. Der Krawitz war wer in Birkum. Jeden Nachmittag gegen vier Uhr fuhr Krawitz' Geselle den vorher sorgfältig gewaschenen, auf Hochglanz polierten schwarzen 180er-Mercedes vor das Haus. Der alte Krawitz und seine Frau Emmi traten feierlich auf die Straße. Er in einem grauen Maßanzug und sie im eleganten Kostüm. Bei diesem Abfahrtsritual stellte sich das erfolgreiche, satt aussehende Paar vor das Gebäude und musterte befriedigt die Schaufenster. Dann ging der alte Krawitz zum Mercedes und öffnete seiner Frau die rechte Tür. Sie stieg kokett ein, und er schloß sorgfältig zu. Dann er, umständlich, auf der Fahrerseite. Der Motor wurde gestartet, und sie fuhren ab, zum Strandcafé. Dort war der beste Tisch, mit Aussicht zur Wesermündung, für sie reserviert. Für eine kleine Kaffee-und-Kuchen-Orgie. Am Wochenende, wenn Mutti zu Hause war, beobachtete sie, hinter der Gardine versteckt, die Krawitz-Abfahrt. Jedesmal sagte sie überwältigt: 'Der Krawitz, der stellt was dar. Das sieht man solchen Leuten schon im Gesicht an, daß sie wer sind!' Der junge Krawitz war ein Großmaul und Angeber. Als verhätscheltes Kind vermögender Eltern kannte er den Mangel an Kleingeld nicht. Er besaß alles, wovon ich nur träumte: Fahrrad, Fernlenkauto, Filmprojektor, Mikroskop, eine Voigtländer-Kamera und sogar eine Sammlung richtiger St. Pauli-Fickfotos. Die hatte er einem Schiffszimmermann abgekauft, und gegen entsprechendes Honorar verlieh er sie an uns junge, sexhungrige Kerle. Oftmals nahm er mich gönnerhaft mit in die Wohnung der Eltern. Ich durfte für ein paar Stunden an seinem Besitz teilhaben. Davon träumte ich tagelang und kroch ihm dafür ganz schön in den Arsch. Familie Krawitz hatte sogar ein Dienstmädchen. Wie die reichen Leute im Kino. Das Dienstmädchen trug eine Spitzenhaube und eine weiße Schürze mit Rüschen. Sie nannte Frau Krawitz respektvoll 'Chefin'. Der junge Krawitz hielt sich auch schon für 'nen Chef und kommandierte ständig die anderen herum. Alle mußten nach seiner Pfeife tanzen. Das stand ihm einfach zu. 'Peter', sagte er oft zu mir, 'auf der Welt gibt es nur zwei Typen: die Macher und die Arschlöcher. Schade, du wirst wohl zur zweiten Gruppe gehören.' Ich sagte nichts dagegen. Daß er ein Großmaul war, war für mich nur eine Art Krankheit. Im stillen wußte ich: Irgendwann werde ich es schaffen und es allen in Birkum zeigen! In meinen Träumen war ich bereits Bewohner der Aue-Allee. Mein Umzug war lediglich eine Frage der Zeit. Mit feurigem Herzen schrieb ich mein Gedicht 'Liebesschwur für eine Göttin!' fertig. Es gefiel mir gut. Aber wie würde sie es finden? Ich kaufte im Schreibwarenladen ein teures Blatt 'Elefantenhaut'. Sorgfältig schrieb ich die sechzehn Zeilen in Schönschrift drauf. Der letzte Satz lautete: "Und lieb dich voller Leidenschaft - Bis hin zur letzten, ew'gen Nacht!" Ich steckte das Gedicht in einen Umschlag und nahm es am nächsten Tag mit zur Schule. Vorne am Tor wartete ich mit klopfendem Herzen auf Sie. Dann kam Meta, die 'blonde Göttin', kichernd angeschlendert, Arm in Arm mit ihrer besten Freundin, der dicken, lustigen Veronika. Ich drückte ihr den Umschlag mit den hastigen Worten 'Für dich, Geliebte!' in die Hand und rannte wie ein Besessener in das Schulgebäude (.)
Gegenüber von uns auf der Birkumstraße stand das Möbelhaus Krawitz. Ein langgestrecktes, eingeschoßiges Gebäude mit vier Schaufenstern. Über jedem Fenster stand mit blauer Schreibschrift 'Möbelhaus Krawitz'. Also viermal. Das machte Eindruck. Der Krawitz war wer in Birkum. Jeden Nachmittag gegen vier Uhr fuhr Krawitz' Geselle den vorher sorgfältig gewaschenen, auf Hochglanz polierten schwarzen 180er-Mercedes vor das Haus. Der alte Krawitz und seine Frau Emmi traten feierlich auf die Straße. Er in einem grauen Maßanzug und sie im eleganten Kostüm. Bei diesem Abfahrtsritual stellte sich das erfolgreiche, satt aussehende Paar vor das Gebäude und musterte befriedigt die Schaufenster. Dann ging der alte Krawitz zum Mercedes und öffnete seiner Frau die rechte Tür. Sie stieg kokett ein, und er schloß sorgfältig zu. Dann er, umständlich, auf der Fahrerseite. Der Motor wurde gestartet, und sie fuhren ab, zum Strandcafé. Dort war der beste Tisch, mit Aussicht zur Wesermündung, für sie reserviert. Für eine kleine Kaffee-und-Kuchen-Orgie. Am Wochenende, wenn Mutti zu Hause war, beobachtete sie, hinter der Gardine versteckt, die Krawitz-Abfahrt. Jedesmal sagte sie überwältigt: 'Der Krawitz, der stellt was dar. Das sieht man solchen Leuten schon im Gesicht an, daß sie wer sind!' Der junge Krawitz war ein Großmaul und Angeber. Als verhätscheltes Kind vermögender Eltern kannte er den Mangel an Kleingeld nicht. Er besaß alles, wovon ich nur träumte: Fahrrad, Fernlenkauto, Filmprojektor, Mikroskop, eine Voigtländer-Kamera und sogar eine Sammlung richtiger St. Pauli-Fickfotos. Die hatte er einem Schiffszimmermann abgekauft, und gegen entsprechendes Honorar verlieh er sie an uns junge, sexhungrige Kerle. Oftmals nahm er mich gönnerhaft mit in die Wohnung der Eltern. Ich durfte für ein paar Stunden an seinem Besitz teilhaben. Davon träumte ich tagelang und kroch ihm dafür ganz schön in den Arsch. Familie Krawitz hatte sogar ein Dienstmädchen. Wie die reichen Leute im Kino. Das Dienstmädchen trug eine Spitzenhaube und eine weiße Schürze mit Rüschen. Sie nannte Frau Krawitz respektvoll 'Chefin'. Der junge Krawitz hielt sich auch schon für 'nen Chef und kommandierte ständig die anderen herum. Alle mußten nach seiner Pfeife tanzen. Das stand ihm einfach zu. 'Peter', sagte er oft zu mir, 'auf der Welt gibt es nur zwei Typen: die Macher und die Arschlöcher. Schade, du wirst wohl zur zweiten Gruppe gehören.' Ich sagte nichts dagegen. Daß er ein Großmaul war, war für mich nur eine Art Krankheit. Im stillen wußte ich: Irgendwann werde ich es schaffen und es allen in Birkum zeigen! In meinen Träumen war ich bereits Bewohner der Aue-Allee. Mein Umzug war lediglich eine Frage der Zeit. Mit feurigem Herzen schrieb ich mein Gedicht 'Liebesschwur für eine Göttin!' fertig. Es gefiel mir gut. Aber wie würde sie es finden? Ich kaufte im Schreibwarenladen ein teures Blatt 'Elefantenhaut'. Sorgfältig schrieb ich die sechzehn Zeilen in Schönschrift drauf. Der letzte Satz lautete: "Und lieb dich voller Leidenschaft - Bis hin zur letzten, ew'gen Nacht!" Ich steckte das Gedicht in einen Umschlag und nahm es am nächsten Tag mit zur Schule. Vorne am Tor wartete ich mit klopfendem Herzen auf Sie. Dann kam Meta, die 'blonde Göttin', kichernd angeschlendert, Arm in Arm mit ihrer besten Freundin, der dicken, lustigen Veronika. Ich drückte ihr den Umschlag mit den hastigen Worten 'Für dich, Geliebte!' in die Hand und rannte wie ein Besessener in das Schulgebäude (.)
Details
Erscheinungsjahr: | 2014 |
---|---|
Genre: | Belletristik, Romane & Erzählungen |
Rubrik: | Belletristik |
Medium: | Taschenbuch |
Inhalt: | 192 S. |
ISBN-13: | 9783932927782 |
ISBN-10: | 3932927788 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Kartoniert / Broschiert |
Autor: | Barski, Klaus |
solibro verlag: | Solibro Verlag |
Maße: | 215 x 135 x 15 mm |
Von/Mit: | Klaus Barski |
Erscheinungsdatum: | 02.09.2014 |
Gewicht: | 0,217 kg |
Details
Erscheinungsjahr: | 2014 |
---|---|
Genre: | Belletristik, Romane & Erzählungen |
Rubrik: | Belletristik |
Medium: | Taschenbuch |
Inhalt: | 192 S. |
ISBN-13: | 9783932927782 |
ISBN-10: | 3932927788 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Kartoniert / Broschiert |
Autor: | Barski, Klaus |
solibro verlag: | Solibro Verlag |
Maße: | 215 x 135 x 15 mm |
Von/Mit: | Klaus Barski |
Erscheinungsdatum: | 02.09.2014 |
Gewicht: | 0,217 kg |
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