Dekorationsartikel gehören nicht zum Leistungsumfang.
Roxy
Roman
Buch von Dietmar Sous
Sprache: Deutsch

16,80 €*

inkl. MwSt.

Versandkostenfrei per Post / DHL

Lieferzeit 1-2 Wochen

Kategorien:
Beschreibung
1Nachdem Kroll und ich Rasenmäher, Fächerbesen und zwei leere Kanister aus Stahlblech, in denen Pflanzengift gewesen war, auf der Ladefläche des Hanomag verstaut hatten, fuhren wir zur Firma zurück. Ich zog die Arbeitshandschuhe aus, in meinem rechten Daumen steckte ein Dorn von einer Brombeerranke, den ich nicht rauskriegte. Gartenbau und Landschaftsgestaltung hörte sich nicht schlecht an, klang vielleicht sogar ein bisschen künstlerisch. Versailles, der Englische Garten und so. Aber Kroll und ich kannten nur Unkrautbekämpfung, Rasen mähen und Heckenkosmetik. Fahrtwind föhnte meine verschwitzten Haare, kühlte den Sonnenbrand auf den Armen und im Gesicht. Meine Cola hatte Badewassertemperatur. Ich schaltete das Radio ein. Wetter-Gequatsche. Der Mai 1973 war angeblich der heißeste im Rheinland seit 1959. Ich freute mich auf die Dusche und das Hörspiel am Freitagabend im Westdeutschen Rundfunk. Das Totenschiff von B. Traven. Draußen Frauen, die kaum mehr als Sonnenbrille und Handtasche trugen. Kroll hupte, winkte, pfiff hinterher. Der neue Hit von Elton John wurde wegen der Siebzehn-Uhr-Nachrichten ausgeblendet. Bundeskanzler Willy Brandt hatte in Bonn versprochen, die Krise nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Brandt gegenüber hatte ich ein schlechtes Gewissen. Bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr war ich zum ersten Mal wahlberechtigt gewesen. Ich wollte meine Stimme Brandt und seiner Partei geben. Allerdings hatte ich zu der Zeit was mit den Augen. Juckreiz, verschwommene Sicht. Als ich aus der Wahlkabine rauskam, war ich nicht sicher, ob ich alles richtig gemacht oder nicht doch aus Versehen die CDU angekreuzt hatte. Oder die Nazis. Bohrende Zweifel seitdem. Auf Sizilien war ein Vulkan aus dem Koma erwacht, meldete der WDR jetzt. Riesenärger in Nahost, und auch in Südamerika gab es Grenzstreitigkeiten. Das brachte mich auf Paraguay und seinen Krieg gegen die Allianz aus Brasilien, Argentinien und Uruguay. Von 1864 bis 1870 hatte sich das kleine Land nicht von den großen Nachbarn unterkriegen lassen, dabei die Hälfte seiner Bevölkerung verloren. 'Das Leben ist eben kein Zuckerschlecken', sagte Kroll und schaltete auf einen Schlagersender um. Ich bin verliebt in die Liebe. Kroll summte und pfiff. Er parkte ein, zeigte auf eine Hauswand, an der ein Zigarettenautomat hing und reichte mir ein Zweimarkstück. 'Güldenring.' 'Du rauchst doch gar nicht.' 'Für meine Frau. Los, mach schon!' 'Hol dir die scheiß Glimmstängel doch selbst!' Kroll schlug mit beiden Händen aufs Lenkrad und drohte, dem Chef zu sagen, dass ich faul und zu nichts zu gebrauchen sei. Dass sich ein Hundertjähriger auf Krücken dreimal schneller bewegte als ich. Es wurde mal wieder brenzlig. Seit ich aus der Schule raus war, hatten sie mich schon dreimal gefeuert. Schrottplatz, Müllabfuhr, zuletzt bei Rhemabau. Das war die Abkürzung für Rheinische Maschinenbau AG. Eugen Kessler, der Fabrikbesitzer, hatte bei meinem Rausschmiss höchstpersönlich Hand angelegt. Jeden Freitagnachmittag gegen halb zwei spazierte er mit seinem fünfjährigen Sohn an der Hand durch die Werkshallen, umschwirrt von nervösen Ingenieuren in weißen Kitteln und panischen Meistern in Grau. Kessler sah den Arbeitern über die Schulter, er inspizierte, lobte und rügte. Der Schwarm nickte, lachte oder blickte ernst, wenn der Chef nickte, lachte oder ernst blickte, und zum Schluss gaben Kessler und sein Erbe einem der zweihundert Arbeiter die Hand. Der Senior unterhielt sich ein bisschen mit dem Glücklichen, der nicht selten vor Stolz errötete. Ich fand das Theater um die wöchentliche Chefvisite zum Kotzen. An meinem letzten Tag in der Fabrik hatte ich wie immer freitags seit sechs Uhr früh gekehrt, geputzt und die Maschinen blank gerieben. Als Vater und Sohn samt Hofstaat einmarschierten, war meine Arbeit getan. Ich wollte nicht kehren, wo es nichts zu kehren gab, nicht aufgedreht wie die anderen wirbeln, nicht vor Eugen Kessler kriechen. Lächelnd blieb er einen Meter vor mir
1Nachdem Kroll und ich Rasenmäher, Fächerbesen und zwei leere Kanister aus Stahlblech, in denen Pflanzengift gewesen war, auf der Ladefläche des Hanomag verstaut hatten, fuhren wir zur Firma zurück. Ich zog die Arbeitshandschuhe aus, in meinem rechten Daumen steckte ein Dorn von einer Brombeerranke, den ich nicht rauskriegte. Gartenbau und Landschaftsgestaltung hörte sich nicht schlecht an, klang vielleicht sogar ein bisschen künstlerisch. Versailles, der Englische Garten und so. Aber Kroll und ich kannten nur Unkrautbekämpfung, Rasen mähen und Heckenkosmetik. Fahrtwind föhnte meine verschwitzten Haare, kühlte den Sonnenbrand auf den Armen und im Gesicht. Meine Cola hatte Badewassertemperatur. Ich schaltete das Radio ein. Wetter-Gequatsche. Der Mai 1973 war angeblich der heißeste im Rheinland seit 1959. Ich freute mich auf die Dusche und das Hörspiel am Freitagabend im Westdeutschen Rundfunk. Das Totenschiff von B. Traven. Draußen Frauen, die kaum mehr als Sonnenbrille und Handtasche trugen. Kroll hupte, winkte, pfiff hinterher. Der neue Hit von Elton John wurde wegen der Siebzehn-Uhr-Nachrichten ausgeblendet. Bundeskanzler Willy Brandt hatte in Bonn versprochen, die Krise nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Brandt gegenüber hatte ich ein schlechtes Gewissen. Bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr war ich zum ersten Mal wahlberechtigt gewesen. Ich wollte meine Stimme Brandt und seiner Partei geben. Allerdings hatte ich zu der Zeit was mit den Augen. Juckreiz, verschwommene Sicht. Als ich aus der Wahlkabine rauskam, war ich nicht sicher, ob ich alles richtig gemacht oder nicht doch aus Versehen die CDU angekreuzt hatte. Oder die Nazis. Bohrende Zweifel seitdem. Auf Sizilien war ein Vulkan aus dem Koma erwacht, meldete der WDR jetzt. Riesenärger in Nahost, und auch in Südamerika gab es Grenzstreitigkeiten. Das brachte mich auf Paraguay und seinen Krieg gegen die Allianz aus Brasilien, Argentinien und Uruguay. Von 1864 bis 1870 hatte sich das kleine Land nicht von den großen Nachbarn unterkriegen lassen, dabei die Hälfte seiner Bevölkerung verloren. 'Das Leben ist eben kein Zuckerschlecken', sagte Kroll und schaltete auf einen Schlagersender um. Ich bin verliebt in die Liebe. Kroll summte und pfiff. Er parkte ein, zeigte auf eine Hauswand, an der ein Zigarettenautomat hing und reichte mir ein Zweimarkstück. 'Güldenring.' 'Du rauchst doch gar nicht.' 'Für meine Frau. Los, mach schon!' 'Hol dir die scheiß Glimmstängel doch selbst!' Kroll schlug mit beiden Händen aufs Lenkrad und drohte, dem Chef zu sagen, dass ich faul und zu nichts zu gebrauchen sei. Dass sich ein Hundertjähriger auf Krücken dreimal schneller bewegte als ich. Es wurde mal wieder brenzlig. Seit ich aus der Schule raus war, hatten sie mich schon dreimal gefeuert. Schrottplatz, Müllabfuhr, zuletzt bei Rhemabau. Das war die Abkürzung für Rheinische Maschinenbau AG. Eugen Kessler, der Fabrikbesitzer, hatte bei meinem Rausschmiss höchstpersönlich Hand angelegt. Jeden Freitagnachmittag gegen halb zwei spazierte er mit seinem fünfjährigen Sohn an der Hand durch die Werkshallen, umschwirrt von nervösen Ingenieuren in weißen Kitteln und panischen Meistern in Grau. Kessler sah den Arbeitern über die Schulter, er inspizierte, lobte und rügte. Der Schwarm nickte, lachte oder blickte ernst, wenn der Chef nickte, lachte oder ernst blickte, und zum Schluss gaben Kessler und sein Erbe einem der zweihundert Arbeiter die Hand. Der Senior unterhielt sich ein bisschen mit dem Glücklichen, der nicht selten vor Stolz errötete. Ich fand das Theater um die wöchentliche Chefvisite zum Kotzen. An meinem letzten Tag in der Fabrik hatte ich wie immer freitags seit sechs Uhr früh gekehrt, geputzt und die Maschinen blank gerieben. Als Vater und Sohn samt Hofstaat einmarschierten, war meine Arbeit getan. Ich wollte nicht kehren, wo es nichts zu kehren gab, nicht aufgedreht wie die anderen wirbeln, nicht vor Eugen Kessler kriechen. Lächelnd blieb er einen Meter vor mir
Details
Erscheinungsjahr: 2015
Medium: Buch
Seiten: 144
Inhalt: 144 S.
ISBN-13: 9783887473150
ISBN-10: 3887473159
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Sous, Dietmar
transit buchverlag gmbh: Transit Buchverlag GmbH
Maße: 221 x 147 x 15 mm
Von/Mit: Dietmar Sous
Erscheinungsdatum: 24.02.2015
Gewicht: 0,296 kg
preigu-id: 105004047
Details
Erscheinungsjahr: 2015
Medium: Buch
Seiten: 144
Inhalt: 144 S.
ISBN-13: 9783887473150
ISBN-10: 3887473159
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Sous, Dietmar
transit buchverlag gmbh: Transit Buchverlag GmbH
Maße: 221 x 147 x 15 mm
Von/Mit: Dietmar Sous
Erscheinungsdatum: 24.02.2015
Gewicht: 0,296 kg
preigu-id: 105004047
Warnhinweis

Ähnliche Produkte

Ähnliche Produkte