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Religion und Sozialstaat
Die konfessionellen Grundlagen europäischer Wohlfahrtsstaatsregime, Theorie und Gesellschaft 68
Taschenbuch von Philip Manow
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
1. Einleitung"Religion und Sozialstaat" ist ein Thema mit Konjunktur. Nachdem es lange eher abseitig erschien, allenfalls als argumentativer Seitenstrang der Modernisierungstheorie oder des neo-marxistischen power resources-Ansatzes in Erscheinung trat, hat sich die vergleichende Sozialstaatsforschung in letzter Zeit dem Zusammenhang zwischen nationaler konfessioneller Prägung und wohlfahrtsstaatlicher Sicherung aus unterschiedlichen Perspektiven verstärkt gewidmet. Hierbei spielen mindestens drei unterschiedliche Argumente eine Rolle. Für die einen sind Religiosität und wohlfahrtsstaatliche Sicherung Substitute (Norris/Inglehart 2004; Scheve/Stasavage 2006; Gill/Lundsgaarde 2004). Pointiert formuliert: Dort, wo der Sozialstaat existenzielle Lebenskrisen in versicherungsfähige Risikolagen überführt, verringert sich das Bedürfnis nach religiöser Angstkompensation und nach der spirituellen Orientierungsleistung der Kirche in persönlichen Notlagen. Mit staatlich gewährter sozialer Sicherheit nimmt der Bedarf an religiöser Tröstung ab, während "the importance of religiosity persists most strongly among vulnerable populations [...] facing personal survival threatening risks" (Norris/Inglehart 2004: 7). Zudem ist Kirchenmitgliedschaft dann nicht mehr Voraussetzung für den Zugang zu Wohlfahrt und Fürsorge, wenn der religiös neutrale Nationalstaat die Kirche als Hauptproduzenten sozialer Leistungen verdrängt hat. Aus dieser Sicht ist der Wohlfahrtsstaat Teil jenes umfassenden Säkularisierungsprozesses, der die Religion weitgehend aus dem Alltag hat verschwinden lassen. Empirisch lebt dieses Argument hauptsächlich von dem Kontrast zwischen einem mittlerweile weitgehend säkularen Europa mit seinen großzügigen Wohlfahrtsstaaten einerseits und der weiterhin tief religiösen USA und ihrem liberal-residualen Wohlfahrtsstaat andererseits, aber auch vom Vergleich mit anderen Regionen, in denen existenzielle Lebenskrisen häufig, wohlfahrtsstaatliche Absicherung kaum entwickelt und Religiosität ausgeprägt sind (Norris/Inglehart 2004).Aus einer anderen Perspektive prägt Religion als mächtige beziehungsweise mächtig nachwirkende Kulturpotenz den Sozialstaat vor allen in den Bereichen, die immer zugleich auch zentrale moralische Fragen, Fragen der normativen Selbstvergewisserung einer Gesellschaft aufwerfen: Wie geht sie mit ihren Randgruppen um, den Armen und Bedürftigen? Wie ist der Nexus zwischen "Arbeit und Essen" sozialpolitisch ausgestaltet? Was sind die leitenden Prinzipien gesellschaftlicher Solidarität und was wird als gerechte, was als ungerechte Umverteilung angesehen (Kahl 2005; Kaufmann 1988)? Dominiert eine strenge calvinistische Leistungsethik und das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit oder ist die Solidarität mit den Bedürftigen der Gesellschaft eher katholisch-großzügig definiert? Bei den sozialpolitischen Antworten auf diese Fragen werden - so die These dieser Literatur - entweder offen religiöse oder doch zumindest religiös stark gefärbte Normorientierungen wirksam, die sich an den frappierenden Unterschieden in der institutionellen Ausgestaltung der jeweiligen Sozialstaatlichkeit ablesen lassen. Gleichsam als Nach- oder Fernwirkung religiöser Gerechtigkeitslehren und Sozialdoktrinen zeugen die Unterschiede in der institutionellen Ausgestaltung des Sozialstaats von seiner konfessionellen Prägung. Wiederum etwas überspitzt formuliert ist in dieser Perspektive der Wohlfahrtsstaat nicht Instrument der Säkularisierung, sondern selbst nur die säkularisierte Version unterschiedlicher konfessioneller Sozialdoktrinen. In diesen Kontext gehört etwa auch die gängige Deutung des südeuropäischen Wohlfahrtsstaatsmodells als institutionelle Verwirklichung eines antiquierten katholischen Familienmodells mit männlichem Alleinbroterwerber und der auf die reine Familienrolle verwiesenen Ehefrau. Empirisch lebt dieses Argument von der Beobachtung, dass "corporate-conservative welfare states were most likely to emerge in predominantly Catholic
1. Einleitung"Religion und Sozialstaat" ist ein Thema mit Konjunktur. Nachdem es lange eher abseitig erschien, allenfalls als argumentativer Seitenstrang der Modernisierungstheorie oder des neo-marxistischen power resources-Ansatzes in Erscheinung trat, hat sich die vergleichende Sozialstaatsforschung in letzter Zeit dem Zusammenhang zwischen nationaler konfessioneller Prägung und wohlfahrtsstaatlicher Sicherung aus unterschiedlichen Perspektiven verstärkt gewidmet. Hierbei spielen mindestens drei unterschiedliche Argumente eine Rolle. Für die einen sind Religiosität und wohlfahrtsstaatliche Sicherung Substitute (Norris/Inglehart 2004; Scheve/Stasavage 2006; Gill/Lundsgaarde 2004). Pointiert formuliert: Dort, wo der Sozialstaat existenzielle Lebenskrisen in versicherungsfähige Risikolagen überführt, verringert sich das Bedürfnis nach religiöser Angstkompensation und nach der spirituellen Orientierungsleistung der Kirche in persönlichen Notlagen. Mit staatlich gewährter sozialer Sicherheit nimmt der Bedarf an religiöser Tröstung ab, während "the importance of religiosity persists most strongly among vulnerable populations [...] facing personal survival threatening risks" (Norris/Inglehart 2004: 7). Zudem ist Kirchenmitgliedschaft dann nicht mehr Voraussetzung für den Zugang zu Wohlfahrt und Fürsorge, wenn der religiös neutrale Nationalstaat die Kirche als Hauptproduzenten sozialer Leistungen verdrängt hat. Aus dieser Sicht ist der Wohlfahrtsstaat Teil jenes umfassenden Säkularisierungsprozesses, der die Religion weitgehend aus dem Alltag hat verschwinden lassen. Empirisch lebt dieses Argument hauptsächlich von dem Kontrast zwischen einem mittlerweile weitgehend säkularen Europa mit seinen großzügigen Wohlfahrtsstaaten einerseits und der weiterhin tief religiösen USA und ihrem liberal-residualen Wohlfahrtsstaat andererseits, aber auch vom Vergleich mit anderen Regionen, in denen existenzielle Lebenskrisen häufig, wohlfahrtsstaatliche Absicherung kaum entwickelt und Religiosität ausgeprägt sind (Norris/Inglehart 2004).Aus einer anderen Perspektive prägt Religion als mächtige beziehungsweise mächtig nachwirkende Kulturpotenz den Sozialstaat vor allen in den Bereichen, die immer zugleich auch zentrale moralische Fragen, Fragen der normativen Selbstvergewisserung einer Gesellschaft aufwerfen: Wie geht sie mit ihren Randgruppen um, den Armen und Bedürftigen? Wie ist der Nexus zwischen "Arbeit und Essen" sozialpolitisch ausgestaltet? Was sind die leitenden Prinzipien gesellschaftlicher Solidarität und was wird als gerechte, was als ungerechte Umverteilung angesehen (Kahl 2005; Kaufmann 1988)? Dominiert eine strenge calvinistische Leistungsethik und das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit oder ist die Solidarität mit den Bedürftigen der Gesellschaft eher katholisch-großzügig definiert? Bei den sozialpolitischen Antworten auf diese Fragen werden - so die These dieser Literatur - entweder offen religiöse oder doch zumindest religiös stark gefärbte Normorientierungen wirksam, die sich an den frappierenden Unterschieden in der institutionellen Ausgestaltung der jeweiligen Sozialstaatlichkeit ablesen lassen. Gleichsam als Nach- oder Fernwirkung religiöser Gerechtigkeitslehren und Sozialdoktrinen zeugen die Unterschiede in der institutionellen Ausgestaltung des Sozialstaats von seiner konfessionellen Prägung. Wiederum etwas überspitzt formuliert ist in dieser Perspektive der Wohlfahrtsstaat nicht Instrument der Säkularisierung, sondern selbst nur die säkularisierte Version unterschiedlicher konfessioneller Sozialdoktrinen. In diesen Kontext gehört etwa auch die gängige Deutung des südeuropäischen Wohlfahrtsstaatsmodells als institutionelle Verwirklichung eines antiquierten katholischen Familienmodells mit männlichem Alleinbroterwerber und der auf die reine Familienrolle verwiesenen Ehefrau. Empirisch lebt dieses Argument von der Beobachtung, dass "corporate-conservative welfare states were most likely to emerge in predominantly Catholic
Details
Erscheinungsjahr: 2008
Medium: Taschenbuch
Seiten: 197
Inhalt: 197 S.
ISBN-13: 9783593387529
ISBN-10: 3593387522
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Manow, Philip
Auflage: 1/2008
Besonderheit: Unsere Aufsteiger
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 213 x 140 x 14 mm
Von/Mit: Philip Manow
Erscheinungsdatum: 10.11.2008
Gewicht: 0,26 kg
preigu-id: 101812988
Details
Erscheinungsjahr: 2008
Medium: Taschenbuch
Seiten: 197
Inhalt: 197 S.
ISBN-13: 9783593387529
ISBN-10: 3593387522
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Manow, Philip
Auflage: 1/2008
Besonderheit: Unsere Aufsteiger
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 213 x 140 x 14 mm
Von/Mit: Philip Manow
Erscheinungsdatum: 10.11.2008
Gewicht: 0,26 kg
preigu-id: 101812988
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