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Mein liebestoller Onkel, mein kleinkrimineller Vetter und der Rest der Bagage
cabrio 1
Buch von Frank Jöricke
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
"Als ich neun Jahre alt war, wusste ich, wie die Welt funktioniert. Mir konnte keiner etwas vormachen. Längst hatte ich sämtliche Lebenslügen der Erwachsenen durchschaut. Unbeirrt und unbestechlich diagnostizierte ich das "Genusstrinken" vereinsamter Hausfrauen und überforderter Abteilungsleiter als diskrete Form des Alkoholismus.

Ebenso weigerte ich mich, Behauptungen wie, man rauche nur deshalb zwei Päckchen HB jeden Tag, weil es so lecker schmecke, widerspruchslos hinzunehmen. Im Gegenteil. Gern gab meine Tante Gertrud bei Familienfeiern jene Episode zum Besten, wie ich auf einer längeren Überlandfahrt eine geschlagene Stunde auf sie eingeredet habe, um ihr die Gefahren des Rauchens in der gebotenen Drastik vor Augen zu führen. Danach sei sie so mit den Nerven runter gewesen, dass sie sich zwei Zigaretten auf einmal habe anzünden müssen.

Auch gab ich mich keinen Illusionen über das Berufsleben hin. Ich sah, wie die tägliche Fron die Väter meiner Freunde verkümmern ließ. Lange bevor der Feminismus die Reihenhauszeilen der Kleinstädte erreichte, war mein Glaube an die Maskulinität erschüttert. Die Männer, die ich kennen lernte, waren keine kohleverschmutzten Kerle, die sich in ihrer Freizeit, wenn es sein musste, für ihre Kinder prügelten. Nein, es waren Schwächlinge, denen nicht nur der zu eng gebundene Schlips die Luft zum Leben nahm.

All dies zu erkennen, war keine Kunst. Auch bilde ich mir nichts darauf ein, das Ehedebakel meiner Eltern Jahre im Voraus kommen gesehen zu haben. Eher wundere ich mich, dass sie sich aus einer törichten, schwer nachvollziehbaren Trotzhaltung heraus weigerten, sich in das Unvermeidliche zu fügen. Warum sie wider jede Vernunft an ihrer Ehe festhielten, habe ich nie begriffen. Sie haben sich damit um viele schöne getrennte Jahre gebracht.

Vielleicht denken Sie jetzt, ich wäre ein altkluges, eingebildetes Kerlchen gewesen. Doch ich hatte allen Grund, eingebildet zu sein. Es gibt nämlich nur wenige Menschen, die von sich sagen können: "Mein Onkel war auf dem Mond." Ich gehöre dazu. Mein Onkel Charles Pete Conrad war der Leiter der zweiten Mondexpedition Apollo 12.

Ich gebe zu, die Bezeichnung "Onkel" ist etwas ungenau. Es ist nämlich so, dass Pete Conrads Urgroßvater auch der Urgroßvater meiner Oma war. Somit sind meine Gene zu 6,25 Prozent identisch mit denen von Pete. Mit diesem Wissen fiel es mir in angespannten Lagen oft leichter, die Ruhe zu bewahren. Ich stellte mir dann vor, wie Pete schwerelos über den Mond hüpft. Oder vom All aus die Welt betrachtet. Von dort oben müssen ihm die Erdbewohner ziemlich klein und lächerlich vorgekommen sein. Sogar unsere Familie. Und das will etwas heißen.

Als ich neun Jahre alt war, wusste ich, wie die Welt funktioniert.

1967: Studentenunruhen

Am Tag meiner Geburt gingen Millionen von Menschen auf die Straße. Gern würde ich behaupten, sie demonstrierten für den Weltfrieden oder gegen den Hunger in Afrika. Es handelte sich aber nur um die alljährlichen Maikundgebungen, bei denen die Werktätigen des Westens das Himmelreich auf Erden einforderten, während ihre Kollegen aus dem Osten kundtaten, dass sie in diesem längst lebten. Das Ganze war eine reichlich verlogene Angelegenheit.

Aufrichtiger ging es einen Monat später zu. Da bekannte ein ehrlich fanatisierter Polizist Farbe, indem er einen ehrlich fanatisierten Studenten niederschoss. Dies war "der Tag, der Deutschland veränderte", das heißt, das Leben lief weiter wie bisher. Meine Mutter quälte sich auch nach dem tödlichen Schuss morgens um sieben aus dem Bett, fand die Welt gar nicht in Ordnung und hetzte zur Arbeit. Mein Vater drehte sich dann noch einmal um, schnaufte kurz und schlief weiter. Nur mein Opa - Gott hab ihn selig! - gewöhnte sich in jenen Tagen an, vom "Studentenpack" zu sprechen, und vergaß dabei, dass sein eigener Sohn noch die Hochschule besuchte.

Natürlich hatte mein Opa Recht. Nicht weil er irgendwelche Argu
"Als ich neun Jahre alt war, wusste ich, wie die Welt funktioniert. Mir konnte keiner etwas vormachen. Längst hatte ich sämtliche Lebenslügen der Erwachsenen durchschaut. Unbeirrt und unbestechlich diagnostizierte ich das "Genusstrinken" vereinsamter Hausfrauen und überforderter Abteilungsleiter als diskrete Form des Alkoholismus.

Ebenso weigerte ich mich, Behauptungen wie, man rauche nur deshalb zwei Päckchen HB jeden Tag, weil es so lecker schmecke, widerspruchslos hinzunehmen. Im Gegenteil. Gern gab meine Tante Gertrud bei Familienfeiern jene Episode zum Besten, wie ich auf einer längeren Überlandfahrt eine geschlagene Stunde auf sie eingeredet habe, um ihr die Gefahren des Rauchens in der gebotenen Drastik vor Augen zu führen. Danach sei sie so mit den Nerven runter gewesen, dass sie sich zwei Zigaretten auf einmal habe anzünden müssen.

Auch gab ich mich keinen Illusionen über das Berufsleben hin. Ich sah, wie die tägliche Fron die Väter meiner Freunde verkümmern ließ. Lange bevor der Feminismus die Reihenhauszeilen der Kleinstädte erreichte, war mein Glaube an die Maskulinität erschüttert. Die Männer, die ich kennen lernte, waren keine kohleverschmutzten Kerle, die sich in ihrer Freizeit, wenn es sein musste, für ihre Kinder prügelten. Nein, es waren Schwächlinge, denen nicht nur der zu eng gebundene Schlips die Luft zum Leben nahm.

All dies zu erkennen, war keine Kunst. Auch bilde ich mir nichts darauf ein, das Ehedebakel meiner Eltern Jahre im Voraus kommen gesehen zu haben. Eher wundere ich mich, dass sie sich aus einer törichten, schwer nachvollziehbaren Trotzhaltung heraus weigerten, sich in das Unvermeidliche zu fügen. Warum sie wider jede Vernunft an ihrer Ehe festhielten, habe ich nie begriffen. Sie haben sich damit um viele schöne getrennte Jahre gebracht.

Vielleicht denken Sie jetzt, ich wäre ein altkluges, eingebildetes Kerlchen gewesen. Doch ich hatte allen Grund, eingebildet zu sein. Es gibt nämlich nur wenige Menschen, die von sich sagen können: "Mein Onkel war auf dem Mond." Ich gehöre dazu. Mein Onkel Charles Pete Conrad war der Leiter der zweiten Mondexpedition Apollo 12.

Ich gebe zu, die Bezeichnung "Onkel" ist etwas ungenau. Es ist nämlich so, dass Pete Conrads Urgroßvater auch der Urgroßvater meiner Oma war. Somit sind meine Gene zu 6,25 Prozent identisch mit denen von Pete. Mit diesem Wissen fiel es mir in angespannten Lagen oft leichter, die Ruhe zu bewahren. Ich stellte mir dann vor, wie Pete schwerelos über den Mond hüpft. Oder vom All aus die Welt betrachtet. Von dort oben müssen ihm die Erdbewohner ziemlich klein und lächerlich vorgekommen sein. Sogar unsere Familie. Und das will etwas heißen.

Als ich neun Jahre alt war, wusste ich, wie die Welt funktioniert.

1967: Studentenunruhen

Am Tag meiner Geburt gingen Millionen von Menschen auf die Straße. Gern würde ich behaupten, sie demonstrierten für den Weltfrieden oder gegen den Hunger in Afrika. Es handelte sich aber nur um die alljährlichen Maikundgebungen, bei denen die Werktätigen des Westens das Himmelreich auf Erden einforderten, während ihre Kollegen aus dem Osten kundtaten, dass sie in diesem längst lebten. Das Ganze war eine reichlich verlogene Angelegenheit.

Aufrichtiger ging es einen Monat später zu. Da bekannte ein ehrlich fanatisierter Polizist Farbe, indem er einen ehrlich fanatisierten Studenten niederschoss. Dies war "der Tag, der Deutschland veränderte", das heißt, das Leben lief weiter wie bisher. Meine Mutter quälte sich auch nach dem tödlichen Schuss morgens um sieben aus dem Bett, fand die Welt gar nicht in Ordnung und hetzte zur Arbeit. Mein Vater drehte sich dann noch einmal um, schnaufte kurz und schlief weiter. Nur mein Opa - Gott hab ihn selig! - gewöhnte sich in jenen Tagen an, vom "Studentenpack" zu sprechen, und vergaß dabei, dass sein eigener Sohn noch die Hochschule besuchte.

Natürlich hatte mein Opa Recht. Nicht weil er irgendwelche Argu
Details
Empfohlen (bis): 99
Empfohlen (von): 14
Erscheinungsjahr: 2007
Genre: Romane & Erzählungen
Rubrik: Belletristik
Medium: Buch
Seiten: 256
Inhalt: 256 S.
ISBN-13: 9783932927331
ISBN-10: 3932927338
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Jöricke, Frank
solibro verlag: Solibro Verlag
Maße: 220 x 145 x 24 mm
Von/Mit: Frank Jöricke
Erscheinungsdatum: 24.08.2007
Gewicht: 0,484 kg
preigu-id: 102047005
Details
Empfohlen (bis): 99
Empfohlen (von): 14
Erscheinungsjahr: 2007
Genre: Romane & Erzählungen
Rubrik: Belletristik
Medium: Buch
Seiten: 256
Inhalt: 256 S.
ISBN-13: 9783932927331
ISBN-10: 3932927338
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Jöricke, Frank
solibro verlag: Solibro Verlag
Maße: 220 x 145 x 24 mm
Von/Mit: Frank Jöricke
Erscheinungsdatum: 24.08.2007
Gewicht: 0,484 kg
preigu-id: 102047005
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