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Liebe öffnet Herzen
Taschenbuch von Liz Mohn
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
1. Anf?e - Wurzeln

Die Limousine surrt die Landstra? entlang. Ich sitze im Fond des Wagens und sehe das dichte Gr?n der B?e vorbeifliegen. Es ist ein Fr?hlingstag, der das Herz jubeln l?t ? strahlende Sonne, tiefblauer Himmel im Kontrast zu dottergelben Butterblumenwiesen und Rapsfeldern. Gedankenversonnen betrachte ich die Sch?nheit der Natur. Ich bin auf dem Weg zu einer Selbsthilfegruppe der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Die Gegend ist mir sehr vertraut. Tief unten flie? die Ems, der Fluss, der mich seit fr?hester Kindheit begleitet hat. Es gibt dort einen Platz, den ich besonders liebe. Weiden?e h?en tief ins Wasser. ?Bitte halten Sie doch mal kurz an?, sage ich zu meinem Fahrer Thomas Barnh?fer. Er nickt verst?nisvoll ? er wei? wie sehr ich diesen Ort mag. Wie oft haben wir hier schon f?r einen Moment gestoppt.
Ich gehe hinunter zum Flussbett, beobachte, wie sich mein Gesicht im Wasser spiegelt. Die Erinnerung an ferne Tage steigt in mir auf. Ich sehe ein kleines blondes M?hen, das hier immer wieder Anlauf nimmt und sich, an den Weiden?en festhaltend, ans andere Ufer schwingt. Es hat riesigen Spa?dabei. Wieder und wieder schwingt es hin und her. Manchmal hat es Gl?ck und erreicht das andere Ufer, oft hat es Pech und f?t ins Wasser. Doch dann prustet und sch?ttelt sich das M?hen nur und startet einen neuen Versuch.
Das kleine M?hen war ich. Damals konnte ich nicht schwimmen. Aber so lernte ich es. Ich brachte es mir selbst bei. Da war ich vier Jahre alt. Meine Mutter sagte mir sp?r, hier h?e sie zum ersten Mal geahnt, welch starker Wille und wie viel Unerschrockenheit in mir steckten.
Dieser Platz ist die Verbindung zu meinen Wurzeln. Ich brauche diese Erinnerung von Zeit zu Zeit. Sie tut mir gut. Sie gibt mir neue Kraft f?r meine Arbeit. Es war ein weiter Weg von dem hartn?igen kleinen M?hen zu der Frau, die ich heute bin. Nachdenklich gehe ich zum Auto zur?ck. Die Patienten der Selbsthilfegruppe warten auf mich.
?Alles in Ordnung, Frau Mohn??, fragt Thomas Barnh?fer und ?ffnet die Autot?r. Ich nicke. Er f?t mich schon viele Jahre, wir kennen einander gut. Wir brauchen nicht viele Worte, um einander zu verstehen. W?end wir weiterfahren, denke ich an die untergegangene Welt meiner Kindheit.

Tod und Verw?stung herrschten ?berall, als ich geboren wurde. Auf den Schlachtfeldern Europas starben Millionen Menschen ? doch mein Leben begann. Wir Menschen sind Teil des ewigen Kreislaufs von Werden und Vergehen. Ich bin ein Kriegskind, meine Chancen auf ein gl?ckliches, erfolgreiches Leben waren ? wie die vieler Neugeborener damals ? gering. Es ging nur um das ?erleben. Die Frauen, die in dieser Zeit Kinder bekamen, sie beh?teten und besch?tzten, sich aufopferten, um sie gro?uziehen, sind noch heute Heldinnen f?r mich. Meine Mutter erz?te sp?r, ich sei bei Fliegeralarm zur Welt gekommen. Es war am Vorabend des Tages, an dem der Krieg mit Russland begann ? Deutschland lag wie unter einer Glocke der Angst. Angst war das beherrschende Gef?hl meiner Mutter bei meiner Geburt ? Angst um ihr Leben, um den Lebensstart ihres Kindes, Sorge vor einer ungewissen Zukunft. Und diese Angst ?bertrug sich offensichtlich auf mich. Ich habe sp?r viel dar?ber geh?rt und gelesen, wie Kinder bereits w?end der Schwangerschaft Emotionen, Stimmungen und ?gste der Mutter wahrnehmen. Bei uns muss es exakt so gewesen sein: Ich war ein sehr ?stliches Baby, das nachts viel schrie und schlecht tr?te. Jede Nacht musste meine Mutter mich auf den Arm nehmen, tr?sten, wickeln oder umziehen. Vielleicht lag hier der tiefere Grund f?r die besondere Bindung, die wir immer zueinander hatten.
An den Krieg habe ich ? wie viele Kinder meiner Generation ? nur bruchst?ckhafte Erinnerungen. Aber die ?gste sind mir noch gegenw?ig. Oft hatten wir Fliegeralarm in Wiedenbr?ck ? wegen der N? von Bielefeld oder des Ruhrgebiets, die bombardiert wurden. Auch am Rande unserer Stadt gingen die Bomben nieder. Wie oft wurden wir Kinder aus den Betten gerissen, weil wir nachts in den Luftschutzbunker mussten. Die Angst, die ich hatte, w?end die Sirenen heulten und ich ? oftmals noch im Nachthemd ? an der Hand der Mutter die Stra? entlanglief, werde ich nie vergessen. Auch nicht den muffigen Geruch in dem engen Keller, in dem Menschen ?stlich dicht an dicht bei sp?icher Beleuchtung in stickiger Luft hockten.
Eines Morgens kamen wir aus dem Bunker, und mein ganzes Bett war voller Reif. Alles war gefroren, die Eisblumen bl?hten am Fenster, denn es gab keine Heizung in unserem Haus. Meine Mutter erw?te dann Steine im Backofen, die in die Kinderbetten gelegt wurden, damit wir nicht froren. Das war sehr behaglich, dieses Gef?hl ist mir heute noch gegenw?ig.
Wenn ich an meine Kindheit und Jugend zur?ckdenke, so waren Liebe und F?rsorge die pr?nden Einfl?sse. Die Welt um uns herum versank in Schutt und Asche, es herrschte Hunger, Elend und Not ? als Kind kann man jedoch die Tragweite des Geschehens kaum erfassen. Wir lebten bescheiden zu Hause, aber wir waren eine Gemeinschaft, die Geborgenheit und Verl?lichkeit vermittelte. Und dieses Gef?hl erinnere ich bis heute. Es offenbart mir, was Kinder wirklich gl?cklich macht: nicht sch?ne Kleider, teures Spielzeug oder weite Reisen, sondern Liebe und Geborgenheit. Und davon bekamen wir in meinem Elternhaus genug, besonders von meiner Mutter!
Heute wei?ich: Man kann von materiellen Dingen keine Sinngebung erwarten. Ein Auto oder ein sch?nes Haus, Erfolg im Beruf ersetzen keine liebevolle Umarmung. Man kann Liebe, Z?lichkeit oder Vertrauen nicht durch materielle G?ter und aufwendige Geschenke erlangen, sondern nur im vertrauten Miteinander mit nahe stehenden Menschen.
Unsere Mutter sorgte von fr?h bis sp?f?r uns. Sie hatte einen kleinen Garten gepachtet, in dem sie Gem?se und Kartoffeln anpflanzte, damit wir genug zu essen bekamen. Ich erinnere mich heute noch an den s?rlichen Geschmack der Brotsuppe, die sehr h?ig zum Mittagessen auf dem Tisch stand ? sie war in den Nachkriegsjahren eine unserer Hauptnahrungsquellen. Ich glaube, da ging es mir wie vielen anderen Kindern in dieser Zeit ? bald wollte ich Brotsuppe weder riechen noch essen. Doch der Hunger trieb sie in den Magen. Hungersnot wie in den Gro?t?en gab es aber bei uns nicht. In der kleinen Stadt mit dem l?lichen Umfeld tauschte und teilte jeder mit jedem, wenn er etwas zu essen hatte. Wurde in der Nachbarschaft ein Schwein geschlachtet, bekamen alle etwas davon ab. Es war selbstverst?lich, dass Nachbarn einander halfen. H?ig sammelten wir Kinder mit unserer Mutter Bucheckern, daraus wurde dann ? gepresst. Oder wir holten Brennholz aus dem Wald. Und morgens mussten wir Kinder im Garten K?r von den Kartoffeln abklauben. Ich wei?es noch bis heute, wie ich mich ekelte, wenn sie meinen Arm hochkrabbelten.
Langeweile und ?erdruss kannten wir Kinder damals nicht. In den Familien ging es um das ?erleben und den Erhalt der Existenz ? wir Kinder waren in dieses Leben mit einbezogen.

Meine Mutter

Meine Mutter war gelernte Hutmacherin und stammte aus einer Familie mit neun Kindern. Mein Vater kam aus einer Bauernfamilie und machte sich als Handwerker selbstst?ig. Er hatte einen schweren Schicksalsschlag verkraften m?ssen: Er wurde vom Blitz getroffen, lag zwei Wochen bewusstlos in der Uniklinik M?nster und war danach arbeitsunf?g. Er wurde nicht in den Krieg eingezogen, was ihm sehr zugesetzt hat. Ich glaube, er empfand dies als unehrenhaft, was dem damaligen Zeitgeist entsprach. Er starb fr?h mit sechzig Jahren.
So war meine Mutter die entscheidende Bezugsperson f?r uns f?nf Kinder ? sie trug die Verantwortung f?r die ganze Familie. Heute w?rde man sagen, sie war eine starke Frau, die eigenst?ige Entscheidungen traf. Damals war das selbstverst?lich, dar?ber sprach man gar nicht. Heute nennt man eine Frau wie sie eine starke Pers?nlichkeit. Damals meisterten die Frauen das Leben so, wie es kam, und machten nicht viele Worte darum. Dennoch gingen die nervlichen und k?rperlichen Belastungen nicht spurlos an ihnen vor?ber.
Unsere Mutter war immer f?r uns da ? sie kochte, wusch, n?e Kleidung. Nat?rlich merkten wir Kinder, dass sie es nicht einfach hatte. Man erlebte ja, dass die Mutter jeden Pfennig zweimal umdrehen musste, dass sie oft Sorgen hatte, wie es weitergehen solle. Schon als kleines Kind sp?rte ich sehr genau, wenn sie etwas bedr?ckte. Ich nahm dann ihre Hand und streichelte sie. Ich glaube, sie verstand mich ohne Worte. Ich wollte sie auf meine kindliche Art tr?sten. Ich liebte sie sehr.
Trotz der schweren Zeit war sie im Grunde ein fr?hlicher Mensch. Eine zierliche Frau mit schwarzen Haaren und blauen Augen, die neugierig und interessiert in die Welt schauten. Nur nicht unterkriegen lassen, war ihr Lebensmotto und Lebensgef?hl ? sie dachte immer positiv. Sie kannte und sang alle Lieder dieser Welt. Sie hatte viele Freunde und Bekannte, die jeden Tag kamen und sie besuchten. Nie redete sie schlecht ?ber jemanden, hatte f?r jeden ein offenes Herz und war sehr hilfsbereit.
In der Nachkriegszeit gab es viele Bettler, die Leute hatten oft nichts zu essen. Meine Mutter gab immer etwas, wenn jemand vor der T?r stand ? ein St?ck Brot, etwas Gem?se, einen Teller Suppe. Und wir hatten auch immer Ferienkinder aus dem Ruhrgebiet, die sie aufp?elte. Ich wei?nicht, wie sie es bewerkstelligte, aber sp?r hat sie uns Kindern vieles erm?glicht ? wir hatten Fahrr?r, Rollschuhe, Schlittschuhe. Die Ufer der Ems waren unser liebster Spielplatz. Im Sommer schwammen wir darin, im Winter liefen wir Schlittschuh auf dem zugefrorenen Fluss. Wenn wir wie zu Eiszapfen gefroren nach Hause kamen, hatte sie Berliner gebacken. Sie verstand es, eine behagliche Atmosph? zu schaffen. Was sie f?r uns Kinder getan hat, konnte ich erst richtig ermessen, als ich eigene Kinder hatte. Sie gab uns liebevolle Geborgenheit.
Ich wei? dass sie in dieser Zeit viel Kraft aus ihrem Glauben gesch?pft hat. Sp?r im Alter sah sie die Religion...
1. Anf?e - Wurzeln

Die Limousine surrt die Landstra? entlang. Ich sitze im Fond des Wagens und sehe das dichte Gr?n der B?e vorbeifliegen. Es ist ein Fr?hlingstag, der das Herz jubeln l?t ? strahlende Sonne, tiefblauer Himmel im Kontrast zu dottergelben Butterblumenwiesen und Rapsfeldern. Gedankenversonnen betrachte ich die Sch?nheit der Natur. Ich bin auf dem Weg zu einer Selbsthilfegruppe der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Die Gegend ist mir sehr vertraut. Tief unten flie? die Ems, der Fluss, der mich seit fr?hester Kindheit begleitet hat. Es gibt dort einen Platz, den ich besonders liebe. Weiden?e h?en tief ins Wasser. ?Bitte halten Sie doch mal kurz an?, sage ich zu meinem Fahrer Thomas Barnh?fer. Er nickt verst?nisvoll ? er wei? wie sehr ich diesen Ort mag. Wie oft haben wir hier schon f?r einen Moment gestoppt.
Ich gehe hinunter zum Flussbett, beobachte, wie sich mein Gesicht im Wasser spiegelt. Die Erinnerung an ferne Tage steigt in mir auf. Ich sehe ein kleines blondes M?hen, das hier immer wieder Anlauf nimmt und sich, an den Weiden?en festhaltend, ans andere Ufer schwingt. Es hat riesigen Spa?dabei. Wieder und wieder schwingt es hin und her. Manchmal hat es Gl?ck und erreicht das andere Ufer, oft hat es Pech und f?t ins Wasser. Doch dann prustet und sch?ttelt sich das M?hen nur und startet einen neuen Versuch.
Das kleine M?hen war ich. Damals konnte ich nicht schwimmen. Aber so lernte ich es. Ich brachte es mir selbst bei. Da war ich vier Jahre alt. Meine Mutter sagte mir sp?r, hier h?e sie zum ersten Mal geahnt, welch starker Wille und wie viel Unerschrockenheit in mir steckten.
Dieser Platz ist die Verbindung zu meinen Wurzeln. Ich brauche diese Erinnerung von Zeit zu Zeit. Sie tut mir gut. Sie gibt mir neue Kraft f?r meine Arbeit. Es war ein weiter Weg von dem hartn?igen kleinen M?hen zu der Frau, die ich heute bin. Nachdenklich gehe ich zum Auto zur?ck. Die Patienten der Selbsthilfegruppe warten auf mich.
?Alles in Ordnung, Frau Mohn??, fragt Thomas Barnh?fer und ?ffnet die Autot?r. Ich nicke. Er f?t mich schon viele Jahre, wir kennen einander gut. Wir brauchen nicht viele Worte, um einander zu verstehen. W?end wir weiterfahren, denke ich an die untergegangene Welt meiner Kindheit.

Tod und Verw?stung herrschten ?berall, als ich geboren wurde. Auf den Schlachtfeldern Europas starben Millionen Menschen ? doch mein Leben begann. Wir Menschen sind Teil des ewigen Kreislaufs von Werden und Vergehen. Ich bin ein Kriegskind, meine Chancen auf ein gl?ckliches, erfolgreiches Leben waren ? wie die vieler Neugeborener damals ? gering. Es ging nur um das ?erleben. Die Frauen, die in dieser Zeit Kinder bekamen, sie beh?teten und besch?tzten, sich aufopferten, um sie gro?uziehen, sind noch heute Heldinnen f?r mich. Meine Mutter erz?te sp?r, ich sei bei Fliegeralarm zur Welt gekommen. Es war am Vorabend des Tages, an dem der Krieg mit Russland begann ? Deutschland lag wie unter einer Glocke der Angst. Angst war das beherrschende Gef?hl meiner Mutter bei meiner Geburt ? Angst um ihr Leben, um den Lebensstart ihres Kindes, Sorge vor einer ungewissen Zukunft. Und diese Angst ?bertrug sich offensichtlich auf mich. Ich habe sp?r viel dar?ber geh?rt und gelesen, wie Kinder bereits w?end der Schwangerschaft Emotionen, Stimmungen und ?gste der Mutter wahrnehmen. Bei uns muss es exakt so gewesen sein: Ich war ein sehr ?stliches Baby, das nachts viel schrie und schlecht tr?te. Jede Nacht musste meine Mutter mich auf den Arm nehmen, tr?sten, wickeln oder umziehen. Vielleicht lag hier der tiefere Grund f?r die besondere Bindung, die wir immer zueinander hatten.
An den Krieg habe ich ? wie viele Kinder meiner Generation ? nur bruchst?ckhafte Erinnerungen. Aber die ?gste sind mir noch gegenw?ig. Oft hatten wir Fliegeralarm in Wiedenbr?ck ? wegen der N? von Bielefeld oder des Ruhrgebiets, die bombardiert wurden. Auch am Rande unserer Stadt gingen die Bomben nieder. Wie oft wurden wir Kinder aus den Betten gerissen, weil wir nachts in den Luftschutzbunker mussten. Die Angst, die ich hatte, w?end die Sirenen heulten und ich ? oftmals noch im Nachthemd ? an der Hand der Mutter die Stra? entlanglief, werde ich nie vergessen. Auch nicht den muffigen Geruch in dem engen Keller, in dem Menschen ?stlich dicht an dicht bei sp?icher Beleuchtung in stickiger Luft hockten.
Eines Morgens kamen wir aus dem Bunker, und mein ganzes Bett war voller Reif. Alles war gefroren, die Eisblumen bl?hten am Fenster, denn es gab keine Heizung in unserem Haus. Meine Mutter erw?te dann Steine im Backofen, die in die Kinderbetten gelegt wurden, damit wir nicht froren. Das war sehr behaglich, dieses Gef?hl ist mir heute noch gegenw?ig.
Wenn ich an meine Kindheit und Jugend zur?ckdenke, so waren Liebe und F?rsorge die pr?nden Einfl?sse. Die Welt um uns herum versank in Schutt und Asche, es herrschte Hunger, Elend und Not ? als Kind kann man jedoch die Tragweite des Geschehens kaum erfassen. Wir lebten bescheiden zu Hause, aber wir waren eine Gemeinschaft, die Geborgenheit und Verl?lichkeit vermittelte. Und dieses Gef?hl erinnere ich bis heute. Es offenbart mir, was Kinder wirklich gl?cklich macht: nicht sch?ne Kleider, teures Spielzeug oder weite Reisen, sondern Liebe und Geborgenheit. Und davon bekamen wir in meinem Elternhaus genug, besonders von meiner Mutter!
Heute wei?ich: Man kann von materiellen Dingen keine Sinngebung erwarten. Ein Auto oder ein sch?nes Haus, Erfolg im Beruf ersetzen keine liebevolle Umarmung. Man kann Liebe, Z?lichkeit oder Vertrauen nicht durch materielle G?ter und aufwendige Geschenke erlangen, sondern nur im vertrauten Miteinander mit nahe stehenden Menschen.
Unsere Mutter sorgte von fr?h bis sp?f?r uns. Sie hatte einen kleinen Garten gepachtet, in dem sie Gem?se und Kartoffeln anpflanzte, damit wir genug zu essen bekamen. Ich erinnere mich heute noch an den s?rlichen Geschmack der Brotsuppe, die sehr h?ig zum Mittagessen auf dem Tisch stand ? sie war in den Nachkriegsjahren eine unserer Hauptnahrungsquellen. Ich glaube, da ging es mir wie vielen anderen Kindern in dieser Zeit ? bald wollte ich Brotsuppe weder riechen noch essen. Doch der Hunger trieb sie in den Magen. Hungersnot wie in den Gro?t?en gab es aber bei uns nicht. In der kleinen Stadt mit dem l?lichen Umfeld tauschte und teilte jeder mit jedem, wenn er etwas zu essen hatte. Wurde in der Nachbarschaft ein Schwein geschlachtet, bekamen alle etwas davon ab. Es war selbstverst?lich, dass Nachbarn einander halfen. H?ig sammelten wir Kinder mit unserer Mutter Bucheckern, daraus wurde dann ? gepresst. Oder wir holten Brennholz aus dem Wald. Und morgens mussten wir Kinder im Garten K?r von den Kartoffeln abklauben. Ich wei?es noch bis heute, wie ich mich ekelte, wenn sie meinen Arm hochkrabbelten.
Langeweile und ?erdruss kannten wir Kinder damals nicht. In den Familien ging es um das ?erleben und den Erhalt der Existenz ? wir Kinder waren in dieses Leben mit einbezogen.

Meine Mutter

Meine Mutter war gelernte Hutmacherin und stammte aus einer Familie mit neun Kindern. Mein Vater kam aus einer Bauernfamilie und machte sich als Handwerker selbstst?ig. Er hatte einen schweren Schicksalsschlag verkraften m?ssen: Er wurde vom Blitz getroffen, lag zwei Wochen bewusstlos in der Uniklinik M?nster und war danach arbeitsunf?g. Er wurde nicht in den Krieg eingezogen, was ihm sehr zugesetzt hat. Ich glaube, er empfand dies als unehrenhaft, was dem damaligen Zeitgeist entsprach. Er starb fr?h mit sechzig Jahren.
So war meine Mutter die entscheidende Bezugsperson f?r uns f?nf Kinder ? sie trug die Verantwortung f?r die ganze Familie. Heute w?rde man sagen, sie war eine starke Frau, die eigenst?ige Entscheidungen traf. Damals war das selbstverst?lich, dar?ber sprach man gar nicht. Heute nennt man eine Frau wie sie eine starke Pers?nlichkeit. Damals meisterten die Frauen das Leben so, wie es kam, und machten nicht viele Worte darum. Dennoch gingen die nervlichen und k?rperlichen Belastungen nicht spurlos an ihnen vor?ber.
Unsere Mutter war immer f?r uns da ? sie kochte, wusch, n?e Kleidung. Nat?rlich merkten wir Kinder, dass sie es nicht einfach hatte. Man erlebte ja, dass die Mutter jeden Pfennig zweimal umdrehen musste, dass sie oft Sorgen hatte, wie es weitergehen solle. Schon als kleines Kind sp?rte ich sehr genau, wenn sie etwas bedr?ckte. Ich nahm dann ihre Hand und streichelte sie. Ich glaube, sie verstand mich ohne Worte. Ich wollte sie auf meine kindliche Art tr?sten. Ich liebte sie sehr.
Trotz der schweren Zeit war sie im Grunde ein fr?hlicher Mensch. Eine zierliche Frau mit schwarzen Haaren und blauen Augen, die neugierig und interessiert in die Welt schauten. Nur nicht unterkriegen lassen, war ihr Lebensmotto und Lebensgef?hl ? sie dachte immer positiv. Sie kannte und sang alle Lieder dieser Welt. Sie hatte viele Freunde und Bekannte, die jeden Tag kamen und sie besuchten. Nie redete sie schlecht ?ber jemanden, hatte f?r jeden ein offenes Herz und war sehr hilfsbereit.
In der Nachkriegszeit gab es viele Bettler, die Leute hatten oft nichts zu essen. Meine Mutter gab immer etwas, wenn jemand vor der T?r stand ? ein St?ck Brot, etwas Gem?se, einen Teller Suppe. Und wir hatten auch immer Ferienkinder aus dem Ruhrgebiet, die sie aufp?elte. Ich wei?nicht, wie sie es bewerkstelligte, aber sp?r hat sie uns Kindern vieles erm?glicht ? wir hatten Fahrr?r, Rollschuhe, Schlittschuhe. Die Ufer der Ems waren unser liebster Spielplatz. Im Sommer schwammen wir darin, im Winter liefen wir Schlittschuh auf dem zugefrorenen Fluss. Wenn wir wie zu Eiszapfen gefroren nach Hause kamen, hatte sie Berliner gebacken. Sie verstand es, eine behagliche Atmosph? zu schaffen. Was sie f?r uns Kinder getan hat, konnte ich erst richtig ermessen, als ich eigene Kinder hatte. Sie gab uns liebevolle Geborgenheit.
Ich wei? dass sie in dieser Zeit viel Kraft aus ihrem Glauben gesch?pft hat. Sp?r im Alter sah sie die Religion...
Details
Erscheinungsjahr: 2008
Medium: Taschenbuch
Seiten: 256
Inhalt: 256 S.
44 farbige Illustr.
24-seitiger Bildteil
ISBN-13: 9783442155231
ISBN-10: 3442155231
Sprache: Deutsch
Einband: Kartoniert / Broschiert
Autor: Mohn, Liz
Auflage: 1/2011
Besonderheit: Unsere Aufsteiger
goldmann verlag: Goldmann Verlag
penguin random house verlagsgruppe gmbh: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Maße: 183 x 125 x 17 mm
Von/Mit: Liz Mohn
Erscheinungsdatum: 07.04.2008
Gewicht: 0,259 kg
preigu-id: 101901210
Details
Erscheinungsjahr: 2008
Medium: Taschenbuch
Seiten: 256
Inhalt: 256 S.
44 farbige Illustr.
24-seitiger Bildteil
ISBN-13: 9783442155231
ISBN-10: 3442155231
Sprache: Deutsch
Einband: Kartoniert / Broschiert
Autor: Mohn, Liz
Auflage: 1/2011
Besonderheit: Unsere Aufsteiger
goldmann verlag: Goldmann Verlag
penguin random house verlagsgruppe gmbh: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Maße: 183 x 125 x 17 mm
Von/Mit: Liz Mohn
Erscheinungsdatum: 07.04.2008
Gewicht: 0,259 kg
preigu-id: 101901210
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