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Roman, Weitere Romane 4
Buch von Walter Kempowski
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
1. Teil
?Deutsche Wochen?? - Alexander hatte die Einladung spontan absagen wollen: vier Wochen Amerika? Aus allem herausgerissen werden, nicht mehr im B?chergang auf- und abschreiten, nicht im Garten den Frauen zusehen, wie sie sich ?ber das Unkraut b?cken; Harke und Hacke sind an die wei? Mauer gelehnt? Die rosa aufd?ernden Tage, die dunkelroten Sonnenunterg?e, die Silhouetten der B?e vor den gef?ten Wolken - ausgreifend und verzweigt ? Einen Acht-Stunden-Flug ertragen ?ber nachtdunklem Meer, eingeklemmt zwischen Rauchern und Tempotuchmenschen, von vorn Gestank in regelm?gen Anblasungen und von hinten endloses Gerede? Dann: ?dr?ben? von einer Stadt in die andere vagabundieren, beleuchtete Wasserf?e, nachgebaute Einwandererh?tten, Bibliotheken, eine wie die andere, schlechte Hotels! - Und Tag f?r Tag Rede und Antwort stehen m?ssen f?r Dinge, die man nicht zu verantworten hat?
?Leugnen Sie auch den Holocaust??
Vor Leuten, die noch nie etwas von einem geh?rt haben, geschweige denn gelesen?
?Warum schreiben Sie??
?Welche Position nimmt der Erz?er in Ihrer Prosa ein??
Nein.

Andererseits: vier Wochen Amerika? Die t?ichen Unannehmlichkeiten des Arbeitstages hinter sich lassen, der Roman kommt nicht von der Stelle, und die leidige Sache mit der Beleidigungsklage, ?D?nnbrettbohrer?, weshalb hatte er auch den an sich so liebenswerten Kollegen Mergenthaler aus Aschaffenburg einen D?nnbrettbohrer genannt?
Vier Wochen entr?ckt zu sein, Gast, immerfort eingeladen zu werden zu Essen und Trinken und zus?lich pro Lesung noch zweihundertf?nfzig Dollar in die Hand gedr?ckt bekommen? Und: auch sonst alles gratis? W? es nicht eine S?nde, ein solches Angebot auszuschlagen? Vier Wochen kreuz und quer den neuen Kontinent bereisen? Auf den Klippen des Pazifischen Ozeans sitzen und sich von Schaum umflocken lassen ? Ausgebreitet schweben ?ber Canyons und riesige Fl?sse, die Highways hinauf-hinuntergleiten durch W?er und W?sten, je nachdem? - Und: w?rde man die Erwartungen des deutsch-amerikanischen Instituts nicht entt?chen mit einer Absage? Wer konnte denn wissen, wer sich stark gemacht hatte f?r ihn: ?Ich bin daf?r, da?wir endlich mal den Sowtschick hin?berschicken ??
Eine Einladung war ja l?st f?ig gewesen.
Zum Dank f?r solch warme F?rsprache dann ein Nein! aus Sassenholz wie eine kalte Dusche?

Und: Wann k? man da mal wieder hin: New York, San Francisco, Boston, Denver ? - Wo lag eigentlich Denver?
Ganze Kompanien deutscher Schriftsteller waren bereits dr?ben gewesen, Niels P?tting, Hinze aus M?lln, Kargus aus St. Peter - sogar Ellen Butt-Pr?mse, eine Verfasserin von Pferde-Lyrik, und Udo Scharrenhejm, dessen Mutter aus Spanien stammte und dessen Vater Isl?er war. Leute, die man besser h?e zu Hause lassen sollen, statt sie als Botschafter des Landes nach dr?ben zu schicken, wo sie dann mit narrativem Kitsch aufwarteten und in politischer Hinsicht sonst was erz?ten; aller Welt auf die Nerven gingen, also - irgendwie peinlich.
?Deutsche Wochen?, da hatte man doch als ein deutscher Romancier eine Verantwortung zu tragen.

S?liche Dichter m?lichen und weiblichen Geschlechts, die vom deutsch-amerikanischen Institut hin?bergeschickt wurden, hatten danach ein Buch ?ber ihre Reise ver?ffentlicht, die Klippen des Pazifischen Ozeans erw?t und die Highways hinauf-hinunter, die gelben Taxis von New York und das Elend ethnischer Minderheiten. Auch das b?te sich an, die Sache f?r eine abrundende Publikation auszunutzen. Warum nicht?

?Die Menschen da dr?ben freuen sich auf Sie?, stand in dem Brief des Instituts, womit die Null-Komma-null-null-null-Prozent der amerikanischen Bev?lkerung gemeint sein mochten, die ?berhaupt eine Ahnung davon hatten, da?es in Europa auch Schriftsteller gab. Oder einzelne Emigranten und Auswanderer, die ihre alte Heimat ganz anders in Erinnerung hatten, als sie in den neuesten Publikationen aus Frankfurt und M?nchen dargestellt wurde.

Die Beleidigungsklage - weshalb hatte er sich auch hinrei?n lassen, den sensiblen Brockes-Preistr?r Fritz-Harry Mergenthaler einen D?nnbrettbohrer zu nennen? Den Gedanken daran w?rde er mitnehmen m?ssen hin?ber, der war nicht abzusch?tteln.
Auch das wehe Gef?hl in der Brust, das ihm manches Mal zu schaffen machte, und die gelegentlichen Schwindelanf?e w?rden ihn begleiten, Anwandlungen, die ihn sogar zwangen, sich an einer Wand festzuhalten?

Vielleicht doch lieber nicht aufbrechen ?zu fernen Gestaden?, das endlose Fliegen, Fahren, Sitzen, Warten ? Au?rdem: ein Romanmanuskript auf dem Schreibtisch, f?r das schon Vorsch?sse kassiert worden waren. ?Karneval ?ber Lethe?, der Roman, der wehm?tige Abgesang an sein Publikum: Der Wagen rollt aus und kommt r?ttelnd zum Stillstand. Es kam nicht recht vom Fleck, das Monstrum ? Vielleicht w?rde eine l?ere Pause das so ?beraus empfindliche Gebilde f?r immer zerst?ren.
Aber vielleicht w?rde die Pause der Arbeit ja auch zugute kommen. Abstand gewinnen, und nach der R?ckkehr mit frischer Kraft und neuen Ideen das Werk vollenden, das leider schon angek?ndigt worden war in einer literarischen Wochenzeitung, obwohl doch erst ein paar Seiten vorlagen: Nun konnte man nicht mehr zur?ck.

F?r eine Amerikareise sprach der Hinweis, der dann sp?r der Vita w?rde hinzugef?gt werden k?nnen: ?1989 im Rahmen der ?Deutschen Wochen? eine zweite ausgedehnte Studienreise nach Amerika ? Gastdozent an verschiedenen Universit?n ??
Die Einladung hatte unanst?ig lange auf sich warten lassen, das war nicht zu leugnen.

Also annehmen die Einladung, Luft sch?pfen und sich in der Neuen Welt umsehen und - warum nicht, hinterher, wie all die andern es taten - Reiseskizzen ver?ffentlichen, ganz unangestrengt Aufgesammeltes, Gelegenheitsnotizen und Beobachtungen.
?Unruhig in unruhiger Zeit?, als Titel gar nicht schlecht.
?Highways - Unruhig in unruhiger Zeit?? Oder ?Ruhig in unruhiger Zeit?? - Auf alle F?e ?Highways?, das war schon mal festzuhalten.

Sowtschick nahm sich den Iro-Weltatlas vor, den von 1968, schlug die Seite sechs auf, ?Nordamerika und Kanada?, und fuhr mit dem Zeigefinger von einer Stadt zur n?sten, in derselben Reihenfolge, wie er die Stationen dann abfahren w?rde, eine nach der andern. Stadt, Land, Flu? Berge. Die Rocky Mountains hinauf-hinunter - B?n an den Rastpl?en -, auf staubender Piste Kaktusw?sten durchrasen und ?ber das breite, symphonische Geschl?el der Riesenfl?sse hinwegziehen.

Eine Tournee durch f?nfundzwanzig St?e: deutsche Kultur verbreiten, wo immer es gew?nscht wird: in Washington ein Stehempfang, Lesungen vor deutschen Vereinen. Und im Mittleren Westen im Kreise properer College-Studentinnen Vortr? halten: Auf dem Rasen sitzen sie, die Sportsgesch?pfe, um ihn herum gruppiert, gut gen?t und sauber, den Rock weit um sich gebreitet, und er selbst lehnt an einer Zeder, in wei?m Anzug, mit wei?n Schuhen, ?ber seine B?cher hinwegsinnend, die es ihnen nahezubringen g?e. Ein B?chen Heine-Gedichte gut sichtbar in der Rocktasche stecken haben f?r alle F?e, ein Eckchen hervorzupfen das Dings, damit's jeder sieht.
Heine kann nie schaden.
Heine oder Tucholsky. Kleist!

Den Feuilletons war zu entnehmen, da?in Amerika vorzugsweise Dichter aus Sachsen und Th?ringen zu Worte kamen. Wie es schien, wurden in den von Kapitalisten ausgehaltenen Universit?n der Vereinigten Staaten die politisch Verblendeten der linken Szene besonders gesch?t. Von denen ging f?r die freie Welt ein Faszinosum aus, das ein in die Jahre gekommener Schriftsteller aus dem Landkreis Kreuzthal nicht bieten konnte.
Neuerdings grasten die Leute mit dem blauen Pa?auch in Bayern und in Westfalen Universit?n und Buchhandlungen ab, und Preise kriegten sie die schwere Menge.

Eine Einladung nach Borneo oder Brasilien w?rde Alexander ?vorw?ig? abgelehnt haben. Das feuchthei? Klima war nicht seine Sache. Auch Japan nicht: Stra?nschilder nicht lesen k?nnen und die E?ewohnheiten dieser Leute! Im Schneidersitz rohen Fisch zu sich nehmen, der wom?glich giftig ist?
Nein, da waren die freundlichen, gastfreien Amerikaner eine ganz andere Sache, verwandte Naturen, mit denen man doch so oder so in einem Boot sa?
Die Amerikaner hatten zwar Bombenteppiche ?ber Barockkirchen abgeladen, dann aber Carepakete geschickt. Sie hatten sich Jahr um Jahr mit der Umerziehung des schuldig gewordenen deutschen Volkes abgem?ht, um es in die V?lkerfamilie zur?ckzuf?hren - nun w?rde zu demonstrieren sein, was aus dem Kindlein geworden ist.

Als Alexander beim wiederholten Lesen des Briefes feststellte, da?auch ein Abstecher nach Kanada geplant war, gab es f?r ihn kein Halten mehr. Kanada! Mit h?fthohen Stiefeln im Wasser stehen und Lachse angeln.
Er w?te die Nummer des Instituts und sagte: ?Okay!? Aus vollem Herzen: ?Okay!? Und seine gute Laune verfinsterte sich keinesfalls, als die Frauenstimme am anderen Ende der Leitung ihn barsch anbellte, sie habe damit nichts zu tun, er m?ge seine Zusage schriftlich abgeben. Im ?brigen k?nne er sich damit Zeit lassen, viel Zeit.

Als er noch im Iro-Weltatlas bl?erte, kam ihm eine Erinnerung an die erste Reise nach Amerika. Er stieg nach oben in sein Kabinett, in die ?Fluchtburg?, wie er das Zimmerchen nannte, und kramte ein Foto hervor. Eine Friedhofsmauer mit einem M?hen darauf. Das war ?Freddy?. Sie war zwar nur undeutlich zu erkennen, rief aber doch eine wehe Erinnerung in ihm hervor. In Santa Barbara war er ihr begegnet, vor vielen Jahren.
Um ein verschossenes Farbfoto handelte es sich, mit umgebogenen Ecken. Er klappte seine Brieftasche auf und schob es hinein in die unterste Abteilung: Direkt ?ber seinem Herzen w?rde es liegen, ein Herzschrittmacher der besonderen Art. Damals hatte er sich noch an keine Wand lehnen m?ssen, und es hatten ihn keine grauen T?cher angeweht.
Damals hatte er sogar noch einen ?K?pper? gewagt! Beim Arbeitsdienst gelernt und danach nie wieder praktiziert, von einem Felsen aus, ins...
1. Teil
?Deutsche Wochen?? - Alexander hatte die Einladung spontan absagen wollen: vier Wochen Amerika? Aus allem herausgerissen werden, nicht mehr im B?chergang auf- und abschreiten, nicht im Garten den Frauen zusehen, wie sie sich ?ber das Unkraut b?cken; Harke und Hacke sind an die wei? Mauer gelehnt? Die rosa aufd?ernden Tage, die dunkelroten Sonnenunterg?e, die Silhouetten der B?e vor den gef?ten Wolken - ausgreifend und verzweigt ? Einen Acht-Stunden-Flug ertragen ?ber nachtdunklem Meer, eingeklemmt zwischen Rauchern und Tempotuchmenschen, von vorn Gestank in regelm?gen Anblasungen und von hinten endloses Gerede? Dann: ?dr?ben? von einer Stadt in die andere vagabundieren, beleuchtete Wasserf?e, nachgebaute Einwandererh?tten, Bibliotheken, eine wie die andere, schlechte Hotels! - Und Tag f?r Tag Rede und Antwort stehen m?ssen f?r Dinge, die man nicht zu verantworten hat?
?Leugnen Sie auch den Holocaust??
Vor Leuten, die noch nie etwas von einem geh?rt haben, geschweige denn gelesen?
?Warum schreiben Sie??
?Welche Position nimmt der Erz?er in Ihrer Prosa ein??
Nein.

Andererseits: vier Wochen Amerika? Die t?ichen Unannehmlichkeiten des Arbeitstages hinter sich lassen, der Roman kommt nicht von der Stelle, und die leidige Sache mit der Beleidigungsklage, ?D?nnbrettbohrer?, weshalb hatte er auch den an sich so liebenswerten Kollegen Mergenthaler aus Aschaffenburg einen D?nnbrettbohrer genannt?
Vier Wochen entr?ckt zu sein, Gast, immerfort eingeladen zu werden zu Essen und Trinken und zus?lich pro Lesung noch zweihundertf?nfzig Dollar in die Hand gedr?ckt bekommen? Und: auch sonst alles gratis? W? es nicht eine S?nde, ein solches Angebot auszuschlagen? Vier Wochen kreuz und quer den neuen Kontinent bereisen? Auf den Klippen des Pazifischen Ozeans sitzen und sich von Schaum umflocken lassen ? Ausgebreitet schweben ?ber Canyons und riesige Fl?sse, die Highways hinauf-hinuntergleiten durch W?er und W?sten, je nachdem? - Und: w?rde man die Erwartungen des deutsch-amerikanischen Instituts nicht entt?chen mit einer Absage? Wer konnte denn wissen, wer sich stark gemacht hatte f?r ihn: ?Ich bin daf?r, da?wir endlich mal den Sowtschick hin?berschicken ??
Eine Einladung war ja l?st f?ig gewesen.
Zum Dank f?r solch warme F?rsprache dann ein Nein! aus Sassenholz wie eine kalte Dusche?

Und: Wann k? man da mal wieder hin: New York, San Francisco, Boston, Denver ? - Wo lag eigentlich Denver?
Ganze Kompanien deutscher Schriftsteller waren bereits dr?ben gewesen, Niels P?tting, Hinze aus M?lln, Kargus aus St. Peter - sogar Ellen Butt-Pr?mse, eine Verfasserin von Pferde-Lyrik, und Udo Scharrenhejm, dessen Mutter aus Spanien stammte und dessen Vater Isl?er war. Leute, die man besser h?e zu Hause lassen sollen, statt sie als Botschafter des Landes nach dr?ben zu schicken, wo sie dann mit narrativem Kitsch aufwarteten und in politischer Hinsicht sonst was erz?ten; aller Welt auf die Nerven gingen, also - irgendwie peinlich.
?Deutsche Wochen?, da hatte man doch als ein deutscher Romancier eine Verantwortung zu tragen.

S?liche Dichter m?lichen und weiblichen Geschlechts, die vom deutsch-amerikanischen Institut hin?bergeschickt wurden, hatten danach ein Buch ?ber ihre Reise ver?ffentlicht, die Klippen des Pazifischen Ozeans erw?t und die Highways hinauf-hinunter, die gelben Taxis von New York und das Elend ethnischer Minderheiten. Auch das b?te sich an, die Sache f?r eine abrundende Publikation auszunutzen. Warum nicht?

?Die Menschen da dr?ben freuen sich auf Sie?, stand in dem Brief des Instituts, womit die Null-Komma-null-null-null-Prozent der amerikanischen Bev?lkerung gemeint sein mochten, die ?berhaupt eine Ahnung davon hatten, da?es in Europa auch Schriftsteller gab. Oder einzelne Emigranten und Auswanderer, die ihre alte Heimat ganz anders in Erinnerung hatten, als sie in den neuesten Publikationen aus Frankfurt und M?nchen dargestellt wurde.

Die Beleidigungsklage - weshalb hatte er sich auch hinrei?n lassen, den sensiblen Brockes-Preistr?r Fritz-Harry Mergenthaler einen D?nnbrettbohrer zu nennen? Den Gedanken daran w?rde er mitnehmen m?ssen hin?ber, der war nicht abzusch?tteln.
Auch das wehe Gef?hl in der Brust, das ihm manches Mal zu schaffen machte, und die gelegentlichen Schwindelanf?e w?rden ihn begleiten, Anwandlungen, die ihn sogar zwangen, sich an einer Wand festzuhalten?

Vielleicht doch lieber nicht aufbrechen ?zu fernen Gestaden?, das endlose Fliegen, Fahren, Sitzen, Warten ? Au?rdem: ein Romanmanuskript auf dem Schreibtisch, f?r das schon Vorsch?sse kassiert worden waren. ?Karneval ?ber Lethe?, der Roman, der wehm?tige Abgesang an sein Publikum: Der Wagen rollt aus und kommt r?ttelnd zum Stillstand. Es kam nicht recht vom Fleck, das Monstrum ? Vielleicht w?rde eine l?ere Pause das so ?beraus empfindliche Gebilde f?r immer zerst?ren.
Aber vielleicht w?rde die Pause der Arbeit ja auch zugute kommen. Abstand gewinnen, und nach der R?ckkehr mit frischer Kraft und neuen Ideen das Werk vollenden, das leider schon angek?ndigt worden war in einer literarischen Wochenzeitung, obwohl doch erst ein paar Seiten vorlagen: Nun konnte man nicht mehr zur?ck.

F?r eine Amerikareise sprach der Hinweis, der dann sp?r der Vita w?rde hinzugef?gt werden k?nnen: ?1989 im Rahmen der ?Deutschen Wochen? eine zweite ausgedehnte Studienreise nach Amerika ? Gastdozent an verschiedenen Universit?n ??
Die Einladung hatte unanst?ig lange auf sich warten lassen, das war nicht zu leugnen.

Also annehmen die Einladung, Luft sch?pfen und sich in der Neuen Welt umsehen und - warum nicht, hinterher, wie all die andern es taten - Reiseskizzen ver?ffentlichen, ganz unangestrengt Aufgesammeltes, Gelegenheitsnotizen und Beobachtungen.
?Unruhig in unruhiger Zeit?, als Titel gar nicht schlecht.
?Highways - Unruhig in unruhiger Zeit?? Oder ?Ruhig in unruhiger Zeit?? - Auf alle F?e ?Highways?, das war schon mal festzuhalten.

Sowtschick nahm sich den Iro-Weltatlas vor, den von 1968, schlug die Seite sechs auf, ?Nordamerika und Kanada?, und fuhr mit dem Zeigefinger von einer Stadt zur n?sten, in derselben Reihenfolge, wie er die Stationen dann abfahren w?rde, eine nach der andern. Stadt, Land, Flu? Berge. Die Rocky Mountains hinauf-hinunter - B?n an den Rastpl?en -, auf staubender Piste Kaktusw?sten durchrasen und ?ber das breite, symphonische Geschl?el der Riesenfl?sse hinwegziehen.

Eine Tournee durch f?nfundzwanzig St?e: deutsche Kultur verbreiten, wo immer es gew?nscht wird: in Washington ein Stehempfang, Lesungen vor deutschen Vereinen. Und im Mittleren Westen im Kreise properer College-Studentinnen Vortr? halten: Auf dem Rasen sitzen sie, die Sportsgesch?pfe, um ihn herum gruppiert, gut gen?t und sauber, den Rock weit um sich gebreitet, und er selbst lehnt an einer Zeder, in wei?m Anzug, mit wei?n Schuhen, ?ber seine B?cher hinwegsinnend, die es ihnen nahezubringen g?e. Ein B?chen Heine-Gedichte gut sichtbar in der Rocktasche stecken haben f?r alle F?e, ein Eckchen hervorzupfen das Dings, damit's jeder sieht.
Heine kann nie schaden.
Heine oder Tucholsky. Kleist!

Den Feuilletons war zu entnehmen, da?in Amerika vorzugsweise Dichter aus Sachsen und Th?ringen zu Worte kamen. Wie es schien, wurden in den von Kapitalisten ausgehaltenen Universit?n der Vereinigten Staaten die politisch Verblendeten der linken Szene besonders gesch?t. Von denen ging f?r die freie Welt ein Faszinosum aus, das ein in die Jahre gekommener Schriftsteller aus dem Landkreis Kreuzthal nicht bieten konnte.
Neuerdings grasten die Leute mit dem blauen Pa?auch in Bayern und in Westfalen Universit?n und Buchhandlungen ab, und Preise kriegten sie die schwere Menge.

Eine Einladung nach Borneo oder Brasilien w?rde Alexander ?vorw?ig? abgelehnt haben. Das feuchthei? Klima war nicht seine Sache. Auch Japan nicht: Stra?nschilder nicht lesen k?nnen und die E?ewohnheiten dieser Leute! Im Schneidersitz rohen Fisch zu sich nehmen, der wom?glich giftig ist?
Nein, da waren die freundlichen, gastfreien Amerikaner eine ganz andere Sache, verwandte Naturen, mit denen man doch so oder so in einem Boot sa?
Die Amerikaner hatten zwar Bombenteppiche ?ber Barockkirchen abgeladen, dann aber Carepakete geschickt. Sie hatten sich Jahr um Jahr mit der Umerziehung des schuldig gewordenen deutschen Volkes abgem?ht, um es in die V?lkerfamilie zur?ckzuf?hren - nun w?rde zu demonstrieren sein, was aus dem Kindlein geworden ist.

Als Alexander beim wiederholten Lesen des Briefes feststellte, da?auch ein Abstecher nach Kanada geplant war, gab es f?r ihn kein Halten mehr. Kanada! Mit h?fthohen Stiefeln im Wasser stehen und Lachse angeln.
Er w?te die Nummer des Instituts und sagte: ?Okay!? Aus vollem Herzen: ?Okay!? Und seine gute Laune verfinsterte sich keinesfalls, als die Frauenstimme am anderen Ende der Leitung ihn barsch anbellte, sie habe damit nichts zu tun, er m?ge seine Zusage schriftlich abgeben. Im ?brigen k?nne er sich damit Zeit lassen, viel Zeit.

Als er noch im Iro-Weltatlas bl?erte, kam ihm eine Erinnerung an die erste Reise nach Amerika. Er stieg nach oben in sein Kabinett, in die ?Fluchtburg?, wie er das Zimmerchen nannte, und kramte ein Foto hervor. Eine Friedhofsmauer mit einem M?hen darauf. Das war ?Freddy?. Sie war zwar nur undeutlich zu erkennen, rief aber doch eine wehe Erinnerung in ihm hervor. In Santa Barbara war er ihr begegnet, vor vielen Jahren.
Um ein verschossenes Farbfoto handelte es sich, mit umgebogenen Ecken. Er klappte seine Brieftasche auf und schob es hinein in die unterste Abteilung: Direkt ?ber seinem Herzen w?rde es liegen, ein Herzschrittmacher der besonderen Art. Damals hatte er sich noch an keine Wand lehnen m?ssen, und es hatten ihn keine grauen T?cher angeweht.
Damals hatte er sogar noch einen ?K?pper? gewagt! Beim Arbeitsdienst gelernt und danach nie wieder praktiziert, von einem Felsen aus, ins...
Details
Erscheinungsjahr: 2003
Genre: Romane & Erzählungen
Rubrik: Belletristik
Medium: Buch
Seiten: 432
Inhalt: 432 S.
ISBN-13: 9783813501957
ISBN-10: 3813501957
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Kempowski, Walter
knaus, albrecht verlag: Knaus, Albrecht Verlag
penguin random house verlagsgruppe gmbh: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Maße: 222 x 147 x 40 mm
Von/Mit: Walter Kempowski
Erscheinungsdatum: 18.09.2003
Gewicht: 0,691 kg
preigu-id: 102544092
Details
Erscheinungsjahr: 2003
Genre: Romane & Erzählungen
Rubrik: Belletristik
Medium: Buch
Seiten: 432
Inhalt: 432 S.
ISBN-13: 9783813501957
ISBN-10: 3813501957
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Kempowski, Walter
knaus, albrecht verlag: Knaus, Albrecht Verlag
penguin random house verlagsgruppe gmbh: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Maße: 222 x 147 x 40 mm
Von/Mit: Walter Kempowski
Erscheinungsdatum: 18.09.2003
Gewicht: 0,691 kg
preigu-id: 102544092
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