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Letzte Bilder von der Mauer
Reportage 1989 - Berichte aus zwei verschwundenen Ländern
Taschenbuch von Kai Westerman von
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
Leipzig, 23. Oktober 1989Es ist dunkel. Das Sucherbild ist nur schemenhaft. Ich öffne mein linkes Auge und peile am Kameraobjektiv vorbei auf den Mann vor mir. Zwischen uns ist ein knapper Meter Abstand. Ich korrigiere die Entfernungseinstellung. Links von mir steht Wilhelm. Er beobachtet die zappelnden Zeiger auf der gelblich glimmenden Tonpegelanzeige am Kameragehäuse. Rechts von mir steht Bertrand. Wir sind mittendrin in der Menschenmasse. Es ist eng. Ich muss aufpassen, dass ich das Hinterteil der schweren Kamera auf meiner Schulter niemandem vor den Kopf knalle.Bertrand fragt den Mann aus der Menge: "Okay dann, können Sie uns erklären, warum Sie sind hier heut' abend?" Spätestens Bertrands französischer Akzent verrät, dass wir aus dem Westen sind. Die Umstehenden drängen sich an uns heran. Alle wollen hören, was der Mann antwortet. Bertrand beugt sich nervös nach vorne. Sein Schatten fällt auf das Gesicht des Mannes und nimmt mir das letzte Licht! Nur weil eine Straßenlaterne in der Nähe leuchtet, drehen wir das Interview an dieser Stelle."Bertrand! Du stehst im Licht! Kopf weg!"Die Leute um uns herum sind gut. Sie ziehen Feuerzeuge aus den Taschen und leuchten mir damit. Einige haben Kerzen. Immer, wenn eine Flamme erlischt, zündet ein anderer eine neue an. Die denken mit. Wir sind Komplizen. Wir verstoßen gegen die Gesetze der DDR."Wie lang, glauben Sie, es wird weitergehen?" fragt Bertrand den Mann aus der [...] kann doch nicht sein, dass die uns nicht bemerkt haben. Oben auf einem der Hausdächer, an der Ecke, steht eine schwere Kamera mit riesigem Objektiv und späht auf den Platz herab. Die Kamera schwenkt und neigt sich ferngesteuert. Das habe ich gesehen. Ihre riesige Frontlinse lässt ein lichtstarkes Objektiv ver-muten. Damit kann man in längster Teleeinstellung mühelos vom sechsten Stock aus ein Gesicht in Groß-aufnahme aus der Menge [...] habe einmal eine Übung der Bereitschaftspolizei in Unna gedreht. Da stoßen drei Mann als Greiftrupp mitten in die dicht gedrängt stehenden Demonstranten hinein und holen eine bestimmte Person heraus. Das geht Ruckzuck. So schnell kann man gar nicht gucken. Innerhalb von Sekunden ist die Person gefesselt und abgeführt. Das können die hier bestimmt [...] höre Bertrands nächste Frage an den Mann vor uns: "Und vertrauen Sie diese neue Regierung?"Wenn die uns verhaften, holt mich die Bundes-regierung bestimmt hier raus. - oder die französische Regierung. Schließlich bin ich für das französische Fernsehen hier.Bertrand fragt: "Aber seit einer Woche - sagen wir - es gibt schon Fortschritte, oder?"Der Mann antwortet besonnen. Er spricht ruhig. Die Leute nahebei lauschen konzentriert. Tausende drängen sich auf dem Platz vor der Nicolaikirche und demons-trieren, obwohl das verboten ist. Warum sollten aus-gerechnet wir verhaftet werden? Sie würden uns aus dem Land werfen. Das war's dann. Ende der Geschichte. Auftrag nicht erfüllt. Nein, die dürfen uns nicht erwischen."Okay, fragen wir noch jemand", sagt Bertrand. Wir schieben uns zwischen den Demonstranten hindurch in den Lichtkegel der nächsten Straßenlaterne."Eh, seid ihr aus'm Westen?", ruft einer sächselnd."Französisches Fernsehen", brummt Wilhelms Bass."Barläh wuh frongsäh?", johlt ein [...] haben keine Angst. Die haben einfach keine Angst.Wahrscheinlich hat das Hotel unseren Ost-Berliner Mietwagen mit Typ, Farbe und Kennzeichen sofort der Staatssicherheit gemeldet. Vielleicht wartet neben unserem Parkplatz schon die Volkspolizei?Das Ganze hat völlig harmlos angefangen, aber jetzt ziehen sich die Geschehnisse zusammen.***Wir fahren durch die Nacht zurück nach Ost-Berlin. Bertrand hat gesagt, wir sollen Bescheid geben, wenn wir fünfzig Kilometer hinter Leipzig sind. Seitdem sagt er nichts mehr. Wilhelm sitzt am Steuer unseres gemieteten VW-Golf. Noch hundertsechzig Kilometer. Ist er nicht müde? Wir kennen uns kaum. Wir arbeiten zum ersten Mal zusammen."Unglaublich", sage ich."Was?", fragt
Leipzig, 23. Oktober 1989Es ist dunkel. Das Sucherbild ist nur schemenhaft. Ich öffne mein linkes Auge und peile am Kameraobjektiv vorbei auf den Mann vor mir. Zwischen uns ist ein knapper Meter Abstand. Ich korrigiere die Entfernungseinstellung. Links von mir steht Wilhelm. Er beobachtet die zappelnden Zeiger auf der gelblich glimmenden Tonpegelanzeige am Kameragehäuse. Rechts von mir steht Bertrand. Wir sind mittendrin in der Menschenmasse. Es ist eng. Ich muss aufpassen, dass ich das Hinterteil der schweren Kamera auf meiner Schulter niemandem vor den Kopf knalle.Bertrand fragt den Mann aus der Menge: "Okay dann, können Sie uns erklären, warum Sie sind hier heut' abend?" Spätestens Bertrands französischer Akzent verrät, dass wir aus dem Westen sind. Die Umstehenden drängen sich an uns heran. Alle wollen hören, was der Mann antwortet. Bertrand beugt sich nervös nach vorne. Sein Schatten fällt auf das Gesicht des Mannes und nimmt mir das letzte Licht! Nur weil eine Straßenlaterne in der Nähe leuchtet, drehen wir das Interview an dieser Stelle."Bertrand! Du stehst im Licht! Kopf weg!"Die Leute um uns herum sind gut. Sie ziehen Feuerzeuge aus den Taschen und leuchten mir damit. Einige haben Kerzen. Immer, wenn eine Flamme erlischt, zündet ein anderer eine neue an. Die denken mit. Wir sind Komplizen. Wir verstoßen gegen die Gesetze der DDR."Wie lang, glauben Sie, es wird weitergehen?" fragt Bertrand den Mann aus der [...] kann doch nicht sein, dass die uns nicht bemerkt haben. Oben auf einem der Hausdächer, an der Ecke, steht eine schwere Kamera mit riesigem Objektiv und späht auf den Platz herab. Die Kamera schwenkt und neigt sich ferngesteuert. Das habe ich gesehen. Ihre riesige Frontlinse lässt ein lichtstarkes Objektiv ver-muten. Damit kann man in längster Teleeinstellung mühelos vom sechsten Stock aus ein Gesicht in Groß-aufnahme aus der Menge [...] habe einmal eine Übung der Bereitschaftspolizei in Unna gedreht. Da stoßen drei Mann als Greiftrupp mitten in die dicht gedrängt stehenden Demonstranten hinein und holen eine bestimmte Person heraus. Das geht Ruckzuck. So schnell kann man gar nicht gucken. Innerhalb von Sekunden ist die Person gefesselt und abgeführt. Das können die hier bestimmt [...] höre Bertrands nächste Frage an den Mann vor uns: "Und vertrauen Sie diese neue Regierung?"Wenn die uns verhaften, holt mich die Bundes-regierung bestimmt hier raus. - oder die französische Regierung. Schließlich bin ich für das französische Fernsehen hier.Bertrand fragt: "Aber seit einer Woche - sagen wir - es gibt schon Fortschritte, oder?"Der Mann antwortet besonnen. Er spricht ruhig. Die Leute nahebei lauschen konzentriert. Tausende drängen sich auf dem Platz vor der Nicolaikirche und demons-trieren, obwohl das verboten ist. Warum sollten aus-gerechnet wir verhaftet werden? Sie würden uns aus dem Land werfen. Das war's dann. Ende der Geschichte. Auftrag nicht erfüllt. Nein, die dürfen uns nicht erwischen."Okay, fragen wir noch jemand", sagt Bertrand. Wir schieben uns zwischen den Demonstranten hindurch in den Lichtkegel der nächsten Straßenlaterne."Eh, seid ihr aus'm Westen?", ruft einer sächselnd."Französisches Fernsehen", brummt Wilhelms Bass."Barläh wuh frongsäh?", johlt ein [...] haben keine Angst. Die haben einfach keine Angst.Wahrscheinlich hat das Hotel unseren Ost-Berliner Mietwagen mit Typ, Farbe und Kennzeichen sofort der Staatssicherheit gemeldet. Vielleicht wartet neben unserem Parkplatz schon die Volkspolizei?Das Ganze hat völlig harmlos angefangen, aber jetzt ziehen sich die Geschehnisse zusammen.***Wir fahren durch die Nacht zurück nach Ost-Berlin. Bertrand hat gesagt, wir sollen Bescheid geben, wenn wir fünfzig Kilometer hinter Leipzig sind. Seitdem sagt er nichts mehr. Wilhelm sitzt am Steuer unseres gemieteten VW-Golf. Noch hundertsechzig Kilometer. Ist er nicht müde? Wir kennen uns kaum. Wir arbeiten zum ersten Mal zusammen."Unglaublich", sage ich."Was?", fragt
Details
Empfohlen (bis): 99
Empfohlen (von): 13
Erscheinungsjahr: 2009
Fachbereich: Zeitgeschichte & Politik
Genre: Geisteswissenschaften, Geschichte, Kunst, Musik
Jahrhundert: ab 1949
Rubrik: Geisteswissenschaften
Medium: Taschenbuch
Inhalt: 368 S.
2 s/w Fotos
ISBN-13: 9783866141704
ISBN-10: 386614170X
Sprache: Deutsch
Einband: Kartoniert / Broschiert
Autor: Westerman von, Kai
Hersteller: Zeitgut Verlag
Verantwortliche Person für die EU: Zeitgut Verlag, Klausenpass 14, D-12107 Berlin, info@zeitgut.com
Maße: 200 x 138 x 28 mm
Von/Mit: Kai Westerman von
Erscheinungsdatum: 25.08.2009
Gewicht: 0,422 kg
Artikel-ID: 101513547
Details
Empfohlen (bis): 99
Empfohlen (von): 13
Erscheinungsjahr: 2009
Fachbereich: Zeitgeschichte & Politik
Genre: Geisteswissenschaften, Geschichte, Kunst, Musik
Jahrhundert: ab 1949
Rubrik: Geisteswissenschaften
Medium: Taschenbuch
Inhalt: 368 S.
2 s/w Fotos
ISBN-13: 9783866141704
ISBN-10: 386614170X
Sprache: Deutsch
Einband: Kartoniert / Broschiert
Autor: Westerman von, Kai
Hersteller: Zeitgut Verlag
Verantwortliche Person für die EU: Zeitgut Verlag, Klausenpass 14, D-12107 Berlin, info@zeitgut.com
Maße: 200 x 138 x 28 mm
Von/Mit: Kai Westerman von
Erscheinungsdatum: 25.08.2009
Gewicht: 0,422 kg
Artikel-ID: 101513547
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