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Kriege
Eine Gesellschaftstheorie gewaltsamer Konflikte
Taschenbuch von Barbara Kuchler
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
Das 20. Jahrhundert ist als das gewalttätigste und kriegerischste Jahrhundert überhaupt bezeichnet worden (so William Golding, zit. in Kruse 2009: 198), und wie das 21. Jahrhundert in dieser Hinsicht abschneiden wird, ist noch nicht abzusehen. In Aussagen wie diese ist eine normative Wertung so tief eingelassen, dass sie uns normalerweise gar nicht auffällt - unausgesprochen mitgeführt wird eine Negativbeurteilung von Kriegen, die Klage über das dadurch verursachte Leid zahlloser Menschen und die Hoffnung, es in Zukunft reduzieren zu können. Dem Soziologen muss, anders als dem Alltagsbeobachter, eine solche latent mitgeführte Wertung auffallen, denn er hat die Aufgabe, hinter die gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten zu schauen und sie zu "erklären" oder jedenfalls auf dahinterliegende Strukturgesetzlichkeiten durchsichtig zu machen. Bei einem zweiten Blick wird man denn auch relativ schnell bemerken, dass die uns so geläufige Einschätzung von Krieg als etwas Schrecklichem historisch ziemlich jung ist und Kriegführung über den größten Teil der Geschichte vielmehr als ehrenvolles und nützliches Tätigkeitsfeld galt. Autoren, die sich mit Krieg befassen, stellen nahezu die ganze Geschichte hindurch vorzugsweise die Frage, wie man Kriege gewinnen kann, und nicht - wie heute verbreitet - wie man sie vermeiden, verkürzen oder gar abschaffen kann (Deutsch 1957: 200; Wright 1968: 463).

Warum ist die Wertung, dass Krieg etwas Schlechtes sei, in der heutigen Gesellschaft so alternativlos? Und alternativlos ist sie - Abweichungen von der Regel, dass "wir alle Pazifisten sind" (Hall 1985: 140f.), gibt es nur in zwei Formen, die beide die Regel bestätigen. Entweder man propagiert Kriege in instrumenteller Einstellung als kleineres Übel gegenüber dem, was sonst geschehen würde (faschistische Eroberungszüge oder ungehemmte Entfaltung brutaler Regimes), mithin als Mittel zu einem für wichtig gehaltenen Zweck, nicht aber als Sache selbst. Oder man schätzt Krieg in egoistisch-partikularistischer Einstellung, wenn man - etwa als "Kriegsherr" - Profite davon zu erwarten hat, was dann aber eben ein extrem partikularer Standpunkt ist, der von praktisch allen Beobachtern verurteilt und für unmoralisch oder kriminell gehalten wird.

Aus ausreichend großer Distanz lässt sich diese gesellschaftsweit etablierte Wertung auf die funktionale Differenzierung der Gesellschaft zurückführen, also auf diejenige, insbesondere von Niklas Luhmann beschriebene Strukturform der modernen Gesellschaft, die diese in ein Nebeneinander von etwa einem Dutzend Teilsystemen zerfallen lässt - Politik, Wirtschaft, Recht, Bildung, Wissenschaft usw. -, die sich für die Beteiligung (Inklusion) prinzipiell aller Menschen offenhalten. Inklusion bedeutet zum einen, dass neue Formen für die Teilnahme von Menschen an Kriegen entstehen: die allgemeine Wehrpflicht, aber auch die Möglichkeit der Selbstrekrutierung für Guerillakriege, die Möglichkeit der Mobilisierung im Rahmen einer "Heimatfront" und die Möglichkeit der planvollen Viktimisierung (Tötung, Vertreibung, Vergewaltigung usw.) einer politisch unliebsamen Bevölkerung. Kriege erwerben damit ein Potenzial für ausufernde Betroffenheiten und Destruktionswirkungen - was aber allein noch keine hinreichende Ursache für die sich durchsetzende Negativwertung von Krieg sein kann, da es extrem grausame und verlustreiche Kriege, wie jeder Historiker bestätigen wird, die ganze Geschichte hindurch gab. Darüber hinaus hat der Inklusionstrend der modernen Gesellschaft aber zur Folge, dass der Beobachterstandpunkt für gesamtgesellschaftlich vertretbare Wertungen sich zunehmend auf die Position der Inklusionsrolle verschiebt: die Politik arbeitet gut, wenn sie die Bürger zufriedenstellt, die Schulen arbeiten gut, wenn die Schüler viel lernen, die Wirtschaft arbeitet gut, wenn allgemeine Wohlstandszuwächse zu verzeichnen sind, usw. Auch Kriege werden - und das ist das historisch Neue - zunehmend aus der Perspektive der Zivilisten, der

Das 20. Jahrhundert ist als das gewalttätigste und kriegerischste Jahrhundert überhaupt bezeichnet worden (so William Golding, zit. in Kruse 2009: 198), und wie das 21. Jahrhundert in dieser Hinsicht abschneiden wird, ist noch nicht abzusehen. In Aussagen wie diese ist eine normative Wertung so tief eingelassen, dass sie uns normalerweise gar nicht auffällt - unausgesprochen mitgeführt wird eine Negativbeurteilung von Kriegen, die Klage über das dadurch verursachte Leid zahlloser Menschen und die Hoffnung, es in Zukunft reduzieren zu können. Dem Soziologen muss, anders als dem Alltagsbeobachter, eine solche latent mitgeführte Wertung auffallen, denn er hat die Aufgabe, hinter die gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten zu schauen und sie zu "erklären" oder jedenfalls auf dahinterliegende Strukturgesetzlichkeiten durchsichtig zu machen. Bei einem zweiten Blick wird man denn auch relativ schnell bemerken, dass die uns so geläufige Einschätzung von Krieg als etwas Schrecklichem historisch ziemlich jung ist und Kriegführung über den größten Teil der Geschichte vielmehr als ehrenvolles und nützliches Tätigkeitsfeld galt. Autoren, die sich mit Krieg befassen, stellen nahezu die ganze Geschichte hindurch vorzugsweise die Frage, wie man Kriege gewinnen kann, und nicht - wie heute verbreitet - wie man sie vermeiden, verkürzen oder gar abschaffen kann (Deutsch 1957: 200; Wright 1968: 463).

Warum ist die Wertung, dass Krieg etwas Schlechtes sei, in der heutigen Gesellschaft so alternativlos? Und alternativlos ist sie - Abweichungen von der Regel, dass "wir alle Pazifisten sind" (Hall 1985: 140f.), gibt es nur in zwei Formen, die beide die Regel bestätigen. Entweder man propagiert Kriege in instrumenteller Einstellung als kleineres Übel gegenüber dem, was sonst geschehen würde (faschistische Eroberungszüge oder ungehemmte Entfaltung brutaler Regimes), mithin als Mittel zu einem für wichtig gehaltenen Zweck, nicht aber als Sache selbst. Oder man schätzt Krieg in egoistisch-partikularistischer Einstellung, wenn man - etwa als "Kriegsherr" - Profite davon zu erwarten hat, was dann aber eben ein extrem partikularer Standpunkt ist, der von praktisch allen Beobachtern verurteilt und für unmoralisch oder kriminell gehalten wird.

Aus ausreichend großer Distanz lässt sich diese gesellschaftsweit etablierte Wertung auf die funktionale Differenzierung der Gesellschaft zurückführen, also auf diejenige, insbesondere von Niklas Luhmann beschriebene Strukturform der modernen Gesellschaft, die diese in ein Nebeneinander von etwa einem Dutzend Teilsystemen zerfallen lässt - Politik, Wirtschaft, Recht, Bildung, Wissenschaft usw. -, die sich für die Beteiligung (Inklusion) prinzipiell aller Menschen offenhalten. Inklusion bedeutet zum einen, dass neue Formen für die Teilnahme von Menschen an Kriegen entstehen: die allgemeine Wehrpflicht, aber auch die Möglichkeit der Selbstrekrutierung für Guerillakriege, die Möglichkeit der Mobilisierung im Rahmen einer "Heimatfront" und die Möglichkeit der planvollen Viktimisierung (Tötung, Vertreibung, Vergewaltigung usw.) einer politisch unliebsamen Bevölkerung. Kriege erwerben damit ein Potenzial für ausufernde Betroffenheiten und Destruktionswirkungen - was aber allein noch keine hinreichende Ursache für die sich durchsetzende Negativwertung von Krieg sein kann, da es extrem grausame und verlustreiche Kriege, wie jeder Historiker bestätigen wird, die ganze Geschichte hindurch gab. Darüber hinaus hat der Inklusionstrend der modernen Gesellschaft aber zur Folge, dass der Beobachterstandpunkt für gesamtgesellschaftlich vertretbare Wertungen sich zunehmend auf die Position der Inklusionsrolle verschiebt: die Politik arbeitet gut, wenn sie die Bürger zufriedenstellt, die Schulen arbeiten gut, wenn die Schüler viel lernen, die Wirtschaft arbeitet gut, wenn allgemeine Wohlstandszuwächse zu verzeichnen sind, usw. Auch Kriege werden - und das ist das historisch Neue - zunehmend aus der Perspektive der Zivilisten, der

Details
Erscheinungsjahr: 2013
Medium: Taschenbuch
Seiten: 413
Inhalt: 413 S.
ISBN-13: 9783593399782
ISBN-10: 3593399784
Sprache: Deutsch
Einband: Kartoniert / Broschiert
Autor: Kuchler, Barbara
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 214 x 142 x 26 mm
Von/Mit: Barbara Kuchler
Erscheinungsdatum: 10.09.2013
Gewicht: 0,518 kg
preigu-id: 105932378
Details
Erscheinungsjahr: 2013
Medium: Taschenbuch
Seiten: 413
Inhalt: 413 S.
ISBN-13: 9783593399782
ISBN-10: 3593399784
Sprache: Deutsch
Einband: Kartoniert / Broschiert
Autor: Kuchler, Barbara
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 214 x 142 x 26 mm
Von/Mit: Barbara Kuchler
Erscheinungsdatum: 10.09.2013
Gewicht: 0,518 kg
preigu-id: 105932378
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