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Beschreibung
Welt- und Nationalkrisen sind Nährstoffe der Eschatologie. Die Zerstörung des ersten Jerusalemer Tempels im 6. Jahrhundert [...]. und die Verschleppung der Judäer in die babylonische Gefangenschaft riefen die apokalyptischen Prophezeiungen Ezechiels hervor. Zwei Jahrtausende später war es die Vertreibung der Juden von der iberischen Halbinsel, im weltumwälzenden letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts, die den spanisch-jüdischen Politiker und Gelehrten Don Isaak Abarbanel (14371508) zu folgendem, einflußreichen Kommentar zu den Worten Ezechiels über "Gog des Landes Magog" bewegte:
Am Ende der Tage, wenn Gott sein Volk erlösen und seine Verstreuten zusammenziehen wird, werden alle Christen, die Söhne Edoms, zum Land Israel aufziehen, um es zu erobern. Erst werden sie Ägypten verwüsten und dort viele Tote hinterlassen. Dann werden sie aufziehen, um das Land Israel zu besetzen, um Jerusalem einzunehmen und zu regieren. Infolgedessen, um sie zu bekämpfen, werden sich die Völker des Ostens und des Nordens verbünden. Unter ihnen wird sich Gog des Landes Magog befinden, der auch aus dem weitesten Norden aufbrechen wird, um zu diesem Krieg zu kommen. Raschi schrieb, daß Gog der Königsname und Magog der Volksname ist, mir scheint es aber anders, nämlich daß Gog der Volksname und Magog der Name der Region oder des Landes ist, wo er wohnt ...
Drei Jahrhunderte später waren es die Französische Revolution und die Napoleonischen Kriege, die unter den chassidischen Gemeinden Polens eschatologische Erwartungen hervorriefen, indem manche in dem französischen General und späteren Kaiser einen die Erlösung ankündigenden Gog sehen wollten. Die Tatsache, daß Napoleon kurzzeitig Palästina besetzte und mit der Idee eines Judenstaates spielte, nährte noch zusätzlich die Hoffnungen der gesetzestreuen Juden Osteuropas, die täglich nach dem Morgengebet zu sagen pflegen: "Ich glaube mit vollkommenem Glauben an das Kommen des Messias, und wenn er auch zögert, so harre ich doch jeglichen Tages seines Kommens." Denn die Erlösung der Welt ist im Judentum stark mit der Erlösung des jüdischen Volkes und seiner Rückkehr ins Land Israel verbunden. Ein weiteres Jahrhundert später waren es schließlich die katastrophale Epoche der beiden Weltkriege, die Verwirklichung des politischen Zionismus in Palästina und das damit einhergehende messianische Gedankengut, die Martin Buber zum Verfassen seines Romans Gog und Magog bewegten, seiner literarischen Stellungnahme zu Messianismus, Eschatologie und politischer Theologie.
Bubers Bezeichnung des Werkes als "Chronik" weist auf dessen beabsichtigte tendenzlose Wahrheitstreue hin; tatsächlich sind in fast allen Figuren des Romans gleichnamige historische Personen zu erkennen. Der Schweizer Theologe Leonhard Ragaz (1868-1945) fand, daß Gog und Magog - den der Religionswissenschaftler Karl Kerényi (1897-1973) mit Thomas Manns Der Auserwählte und der amerikanische Literaturwissenschaftler Maurice. Friedman (geb. 1921) mit Fjodor M. Dostojewskijs Die Brüder Karamasow verglich - kein Roman, sondern ein Werk suigeneris sei. Treffend ist die Bezeichnung des Werkes durch den Philosophen und Pädagogen Ernst Simon (1899-1988) als "Philosophie in Romanform":
Was ist der Sinn der ideellen Auseinandersetzungen, die den Raum von Geschichten wie Thomas Manns Zauberberg oder Bubers Gog und Magog füllen? Dienen sie hauptsächlich zur Charakterisierung der Protagonisten? Oder zur Annäherung an eine objektive Entscheidung im behandelten Streitthema? Oder aber zur Bestimmung der Position des Autors, entweder indem man ihn auf der Seite einer der Parteien wiederfindet, oder indem man seine Position als zwischen den Parteien stehend oder außerhalb von ihnen ausmachen kann? [...] Gog und Magog gehört zu diesem letzteren Typus.
Sagt Buber jedoch in seinem Nachwort: "Ich aber habe keine >Lehre<. Ich habe nur die Funktion, auf solche Wirklichkeiten hinzuzeigen. Wer eine Lehre von mir erwartet, die etwas anderes ist als eine Hinzeigung dieser
5. Vgl. das Figurenregister in diesem Band; vgl. die Bemerkung des anonymen Rezensenten der Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland, 31.3.1950: "Martin Buber nennt dieses Buch eine Chronik. Das ist es sogar in doppeltem Sinne: dem Wortsinn des Berichtens zeitlichen Geschehens nach und sodann in jenem anderen, der das Kriterium der chassidischen (wie jeglicher mythischen) Erzählung ist, nämlich die hinter der zeitlichen Erscheinung, hinter den Gebärden wirkende, die eigentlich reale Ursache, den Kern der reifenden Frucht aufzuweisen."
Der Grundgedanke Bubers - der als roter Faden in seinem Gesamtwerk wiederzufinden ist - ist sein Glaube an die Möglichkeit der Erlösung der Welt wie auch an die Fähigkeit des Einzelnen, daran teilzunehmen. Diesen Glauben gewann er aus dem Chassidismus: "Was ich in Wahrheit als den großen chassidischen Beitrag zum Glauben an die Erlösbarkeit der Welt erkannt habe, ist dies, daß jeder Mensch an ihrer Erlösung wirken, aber keiner sie bewirken kann. Dies ist gemeinsame chassidische Einsicht." Auf diese Voraussetzung folgt die Frage nach der Art und Weise: wie kann der Mensch die Erlösung erwirken. Die Antwort Bubers beginnt mit der Ablehnung der Magie als Mittel zur Erlösung:
In der inneren Dialektik der Bewegung aber stehen einander zwei Grundanschauungen gegenüber. Die eine behauptet, der Mensch könne an der Erlösung der Welt wirken, indem er magisch auf die göttlichen Konfigurationen einwirkt, die andere erklärt dem gegenüber, nur dadurch könne der Mensch an der Erlösung der Welt wirken, daß er mit seinem ganzen Wesen sich auf Gott zu bewegt, zu ihm "umkehrt", und alles, was er von nun an tut, auf Gott zu tut. Damit steigert er, in einem der Kraft seiner Bewegung entsprechenden Maße, die Erlösbarkeit der Welt: er "nähert" sie der himmlischen Einwirkung. Das ist das Grundthema meines Buches "Gog und Magog".
Nicht eine mystische Flucht vor der Welt zu Gott, sondern das Leben in der Welt ist also der Weg zur Erlösung. Und dieser Weg ist die sogenannte "Umkehr" (hebr. Teschuwa), die Bewegung auf Gott zu, die nichts anderes ist als die Bekämpfung des Bösen. Auf die Frage, wo der Kampf gegen das Böse anfangen soll, hatte Buber eine Antwort; "[...] sie lautete: Der Kampf muß in der eigenen Seele ansetzen - alles andere kann sich erst von da aus ergeben." Und daraus läßt sich auch die Antwort auf die zentrale politische Frage schließen, die folgendermaßen formuliert werden kann: Darf man das Böse - in seiner realpolitischen Form von weltumwälzenden Ereignissen - als (göttliches) Mittel zur Erlösung ansehen, das letztendlich das Gute befördert und daher unterstützt werden soll?
Am Ende der Tage, wenn Gott sein Volk erlösen und seine Verstreuten zusammenziehen wird, werden alle Christen, die Söhne Edoms, zum Land Israel aufziehen, um es zu erobern. Erst werden sie Ägypten verwüsten und dort viele Tote hinterlassen. Dann werden sie aufziehen, um das Land Israel zu besetzen, um Jerusalem einzunehmen und zu regieren. Infolgedessen, um sie zu bekämpfen, werden sich die Völker des Ostens und des Nordens verbünden. Unter ihnen wird sich Gog des Landes Magog befinden, der auch aus dem weitesten Norden aufbrechen wird, um zu diesem Krieg zu kommen. Raschi schrieb, daß Gog der Königsname und Magog der Volksname ist, mir scheint es aber anders, nämlich daß Gog der Volksname und Magog der Name der Region oder des Landes ist, wo er wohnt ...
Drei Jahrhunderte später waren es die Französische Revolution und die Napoleonischen Kriege, die unter den chassidischen Gemeinden Polens eschatologische Erwartungen hervorriefen, indem manche in dem französischen General und späteren Kaiser einen die Erlösung ankündigenden Gog sehen wollten. Die Tatsache, daß Napoleon kurzzeitig Palästina besetzte und mit der Idee eines Judenstaates spielte, nährte noch zusätzlich die Hoffnungen der gesetzestreuen Juden Osteuropas, die täglich nach dem Morgengebet zu sagen pflegen: "Ich glaube mit vollkommenem Glauben an das Kommen des Messias, und wenn er auch zögert, so harre ich doch jeglichen Tages seines Kommens." Denn die Erlösung der Welt ist im Judentum stark mit der Erlösung des jüdischen Volkes und seiner Rückkehr ins Land Israel verbunden. Ein weiteres Jahrhundert später waren es schließlich die katastrophale Epoche der beiden Weltkriege, die Verwirklichung des politischen Zionismus in Palästina und das damit einhergehende messianische Gedankengut, die Martin Buber zum Verfassen seines Romans Gog und Magog bewegten, seiner literarischen Stellungnahme zu Messianismus, Eschatologie und politischer Theologie.
Bubers Bezeichnung des Werkes als "Chronik" weist auf dessen beabsichtigte tendenzlose Wahrheitstreue hin; tatsächlich sind in fast allen Figuren des Romans gleichnamige historische Personen zu erkennen. Der Schweizer Theologe Leonhard Ragaz (1868-1945) fand, daß Gog und Magog - den der Religionswissenschaftler Karl Kerényi (1897-1973) mit Thomas Manns Der Auserwählte und der amerikanische Literaturwissenschaftler Maurice. Friedman (geb. 1921) mit Fjodor M. Dostojewskijs Die Brüder Karamasow verglich - kein Roman, sondern ein Werk suigeneris sei. Treffend ist die Bezeichnung des Werkes durch den Philosophen und Pädagogen Ernst Simon (1899-1988) als "Philosophie in Romanform":
Was ist der Sinn der ideellen Auseinandersetzungen, die den Raum von Geschichten wie Thomas Manns Zauberberg oder Bubers Gog und Magog füllen? Dienen sie hauptsächlich zur Charakterisierung der Protagonisten? Oder zur Annäherung an eine objektive Entscheidung im behandelten Streitthema? Oder aber zur Bestimmung der Position des Autors, entweder indem man ihn auf der Seite einer der Parteien wiederfindet, oder indem man seine Position als zwischen den Parteien stehend oder außerhalb von ihnen ausmachen kann? [...] Gog und Magog gehört zu diesem letzteren Typus.
Sagt Buber jedoch in seinem Nachwort: "Ich aber habe keine >Lehre<. Ich habe nur die Funktion, auf solche Wirklichkeiten hinzuzeigen. Wer eine Lehre von mir erwartet, die etwas anderes ist als eine Hinzeigung dieser
5. Vgl. das Figurenregister in diesem Band; vgl. die Bemerkung des anonymen Rezensenten der Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland, 31.3.1950: "Martin Buber nennt dieses Buch eine Chronik. Das ist es sogar in doppeltem Sinne: dem Wortsinn des Berichtens zeitlichen Geschehens nach und sodann in jenem anderen, der das Kriterium der chassidischen (wie jeglicher mythischen) Erzählung ist, nämlich die hinter der zeitlichen Erscheinung, hinter den Gebärden wirkende, die eigentlich reale Ursache, den Kern der reifenden Frucht aufzuweisen."
Der Grundgedanke Bubers - der als roter Faden in seinem Gesamtwerk wiederzufinden ist - ist sein Glaube an die Möglichkeit der Erlösung der Welt wie auch an die Fähigkeit des Einzelnen, daran teilzunehmen. Diesen Glauben gewann er aus dem Chassidismus: "Was ich in Wahrheit als den großen chassidischen Beitrag zum Glauben an die Erlösbarkeit der Welt erkannt habe, ist dies, daß jeder Mensch an ihrer Erlösung wirken, aber keiner sie bewirken kann. Dies ist gemeinsame chassidische Einsicht." Auf diese Voraussetzung folgt die Frage nach der Art und Weise: wie kann der Mensch die Erlösung erwirken. Die Antwort Bubers beginnt mit der Ablehnung der Magie als Mittel zur Erlösung:
In der inneren Dialektik der Bewegung aber stehen einander zwei Grundanschauungen gegenüber. Die eine behauptet, der Mensch könne an der Erlösung der Welt wirken, indem er magisch auf die göttlichen Konfigurationen einwirkt, die andere erklärt dem gegenüber, nur dadurch könne der Mensch an der Erlösung der Welt wirken, daß er mit seinem ganzen Wesen sich auf Gott zu bewegt, zu ihm "umkehrt", und alles, was er von nun an tut, auf Gott zu tut. Damit steigert er, in einem der Kraft seiner Bewegung entsprechenden Maße, die Erlösbarkeit der Welt: er "nähert" sie der himmlischen Einwirkung. Das ist das Grundthema meines Buches "Gog und Magog".
Nicht eine mystische Flucht vor der Welt zu Gott, sondern das Leben in der Welt ist also der Weg zur Erlösung. Und dieser Weg ist die sogenannte "Umkehr" (hebr. Teschuwa), die Bewegung auf Gott zu, die nichts anderes ist als die Bekämpfung des Bösen. Auf die Frage, wo der Kampf gegen das Böse anfangen soll, hatte Buber eine Antwort; "[...] sie lautete: Der Kampf muß in der eigenen Seele ansetzen - alles andere kann sich erst von da aus ergeben." Und daraus läßt sich auch die Antwort auf die zentrale politische Frage schließen, die folgendermaßen formuliert werden kann: Darf man das Böse - in seiner realpolitischen Form von weltumwälzenden Ereignissen - als (göttliches) Mittel zur Erlösung ansehen, das letztendlich das Gute befördert und daher unterstützt werden soll?
Welt- und Nationalkrisen sind Nährstoffe der Eschatologie. Die Zerstörung des ersten Jerusalemer Tempels im 6. Jahrhundert [...]. und die Verschleppung der Judäer in die babylonische Gefangenschaft riefen die apokalyptischen Prophezeiungen Ezechiels hervor. Zwei Jahrtausende später war es die Vertreibung der Juden von der iberischen Halbinsel, im weltumwälzenden letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts, die den spanisch-jüdischen Politiker und Gelehrten Don Isaak Abarbanel (14371508) zu folgendem, einflußreichen Kommentar zu den Worten Ezechiels über "Gog des Landes Magog" bewegte:
Am Ende der Tage, wenn Gott sein Volk erlösen und seine Verstreuten zusammenziehen wird, werden alle Christen, die Söhne Edoms, zum Land Israel aufziehen, um es zu erobern. Erst werden sie Ägypten verwüsten und dort viele Tote hinterlassen. Dann werden sie aufziehen, um das Land Israel zu besetzen, um Jerusalem einzunehmen und zu regieren. Infolgedessen, um sie zu bekämpfen, werden sich die Völker des Ostens und des Nordens verbünden. Unter ihnen wird sich Gog des Landes Magog befinden, der auch aus dem weitesten Norden aufbrechen wird, um zu diesem Krieg zu kommen. Raschi schrieb, daß Gog der Königsname und Magog der Volksname ist, mir scheint es aber anders, nämlich daß Gog der Volksname und Magog der Name der Region oder des Landes ist, wo er wohnt ...
Drei Jahrhunderte später waren es die Französische Revolution und die Napoleonischen Kriege, die unter den chassidischen Gemeinden Polens eschatologische Erwartungen hervorriefen, indem manche in dem französischen General und späteren Kaiser einen die Erlösung ankündigenden Gog sehen wollten. Die Tatsache, daß Napoleon kurzzeitig Palästina besetzte und mit der Idee eines Judenstaates spielte, nährte noch zusätzlich die Hoffnungen der gesetzestreuen Juden Osteuropas, die täglich nach dem Morgengebet zu sagen pflegen: "Ich glaube mit vollkommenem Glauben an das Kommen des Messias, und wenn er auch zögert, so harre ich doch jeglichen Tages seines Kommens." Denn die Erlösung der Welt ist im Judentum stark mit der Erlösung des jüdischen Volkes und seiner Rückkehr ins Land Israel verbunden. Ein weiteres Jahrhundert später waren es schließlich die katastrophale Epoche der beiden Weltkriege, die Verwirklichung des politischen Zionismus in Palästina und das damit einhergehende messianische Gedankengut, die Martin Buber zum Verfassen seines Romans Gog und Magog bewegten, seiner literarischen Stellungnahme zu Messianismus, Eschatologie und politischer Theologie.
Bubers Bezeichnung des Werkes als "Chronik" weist auf dessen beabsichtigte tendenzlose Wahrheitstreue hin; tatsächlich sind in fast allen Figuren des Romans gleichnamige historische Personen zu erkennen. Der Schweizer Theologe Leonhard Ragaz (1868-1945) fand, daß Gog und Magog - den der Religionswissenschaftler Karl Kerényi (1897-1973) mit Thomas Manns Der Auserwählte und der amerikanische Literaturwissenschaftler Maurice. Friedman (geb. 1921) mit Fjodor M. Dostojewskijs Die Brüder Karamasow verglich - kein Roman, sondern ein Werk suigeneris sei. Treffend ist die Bezeichnung des Werkes durch den Philosophen und Pädagogen Ernst Simon (1899-1988) als "Philosophie in Romanform":
Was ist der Sinn der ideellen Auseinandersetzungen, die den Raum von Geschichten wie Thomas Manns Zauberberg oder Bubers Gog und Magog füllen? Dienen sie hauptsächlich zur Charakterisierung der Protagonisten? Oder zur Annäherung an eine objektive Entscheidung im behandelten Streitthema? Oder aber zur Bestimmung der Position des Autors, entweder indem man ihn auf der Seite einer der Parteien wiederfindet, oder indem man seine Position als zwischen den Parteien stehend oder außerhalb von ihnen ausmachen kann? [...] Gog und Magog gehört zu diesem letzteren Typus.
Sagt Buber jedoch in seinem Nachwort: "Ich aber habe keine >Lehre<. Ich habe nur die Funktion, auf solche Wirklichkeiten hinzuzeigen. Wer eine Lehre von mir erwartet, die etwas anderes ist als eine Hinzeigung dieser
5. Vgl. das Figurenregister in diesem Band; vgl. die Bemerkung des anonymen Rezensenten der Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland, 31.3.1950: "Martin Buber nennt dieses Buch eine Chronik. Das ist es sogar in doppeltem Sinne: dem Wortsinn des Berichtens zeitlichen Geschehens nach und sodann in jenem anderen, der das Kriterium der chassidischen (wie jeglicher mythischen) Erzählung ist, nämlich die hinter der zeitlichen Erscheinung, hinter den Gebärden wirkende, die eigentlich reale Ursache, den Kern der reifenden Frucht aufzuweisen."
Der Grundgedanke Bubers - der als roter Faden in seinem Gesamtwerk wiederzufinden ist - ist sein Glaube an die Möglichkeit der Erlösung der Welt wie auch an die Fähigkeit des Einzelnen, daran teilzunehmen. Diesen Glauben gewann er aus dem Chassidismus: "Was ich in Wahrheit als den großen chassidischen Beitrag zum Glauben an die Erlösbarkeit der Welt erkannt habe, ist dies, daß jeder Mensch an ihrer Erlösung wirken, aber keiner sie bewirken kann. Dies ist gemeinsame chassidische Einsicht." Auf diese Voraussetzung folgt die Frage nach der Art und Weise: wie kann der Mensch die Erlösung erwirken. Die Antwort Bubers beginnt mit der Ablehnung der Magie als Mittel zur Erlösung:
In der inneren Dialektik der Bewegung aber stehen einander zwei Grundanschauungen gegenüber. Die eine behauptet, der Mensch könne an der Erlösung der Welt wirken, indem er magisch auf die göttlichen Konfigurationen einwirkt, die andere erklärt dem gegenüber, nur dadurch könne der Mensch an der Erlösung der Welt wirken, daß er mit seinem ganzen Wesen sich auf Gott zu bewegt, zu ihm "umkehrt", und alles, was er von nun an tut, auf Gott zu tut. Damit steigert er, in einem der Kraft seiner Bewegung entsprechenden Maße, die Erlösbarkeit der Welt: er "nähert" sie der himmlischen Einwirkung. Das ist das Grundthema meines Buches "Gog und Magog".
Nicht eine mystische Flucht vor der Welt zu Gott, sondern das Leben in der Welt ist also der Weg zur Erlösung. Und dieser Weg ist die sogenannte "Umkehr" (hebr. Teschuwa), die Bewegung auf Gott zu, die nichts anderes ist als die Bekämpfung des Bösen. Auf die Frage, wo der Kampf gegen das Böse anfangen soll, hatte Buber eine Antwort; "[...] sie lautete: Der Kampf muß in der eigenen Seele ansetzen - alles andere kann sich erst von da aus ergeben." Und daraus läßt sich auch die Antwort auf die zentrale politische Frage schließen, die folgendermaßen formuliert werden kann: Darf man das Böse - in seiner realpolitischen Form von weltumwälzenden Ereignissen - als (göttliches) Mittel zur Erlösung ansehen, das letztendlich das Gute befördert und daher unterstützt werden soll?
Am Ende der Tage, wenn Gott sein Volk erlösen und seine Verstreuten zusammenziehen wird, werden alle Christen, die Söhne Edoms, zum Land Israel aufziehen, um es zu erobern. Erst werden sie Ägypten verwüsten und dort viele Tote hinterlassen. Dann werden sie aufziehen, um das Land Israel zu besetzen, um Jerusalem einzunehmen und zu regieren. Infolgedessen, um sie zu bekämpfen, werden sich die Völker des Ostens und des Nordens verbünden. Unter ihnen wird sich Gog des Landes Magog befinden, der auch aus dem weitesten Norden aufbrechen wird, um zu diesem Krieg zu kommen. Raschi schrieb, daß Gog der Königsname und Magog der Volksname ist, mir scheint es aber anders, nämlich daß Gog der Volksname und Magog der Name der Region oder des Landes ist, wo er wohnt ...
Drei Jahrhunderte später waren es die Französische Revolution und die Napoleonischen Kriege, die unter den chassidischen Gemeinden Polens eschatologische Erwartungen hervorriefen, indem manche in dem französischen General und späteren Kaiser einen die Erlösung ankündigenden Gog sehen wollten. Die Tatsache, daß Napoleon kurzzeitig Palästina besetzte und mit der Idee eines Judenstaates spielte, nährte noch zusätzlich die Hoffnungen der gesetzestreuen Juden Osteuropas, die täglich nach dem Morgengebet zu sagen pflegen: "Ich glaube mit vollkommenem Glauben an das Kommen des Messias, und wenn er auch zögert, so harre ich doch jeglichen Tages seines Kommens." Denn die Erlösung der Welt ist im Judentum stark mit der Erlösung des jüdischen Volkes und seiner Rückkehr ins Land Israel verbunden. Ein weiteres Jahrhundert später waren es schließlich die katastrophale Epoche der beiden Weltkriege, die Verwirklichung des politischen Zionismus in Palästina und das damit einhergehende messianische Gedankengut, die Martin Buber zum Verfassen seines Romans Gog und Magog bewegten, seiner literarischen Stellungnahme zu Messianismus, Eschatologie und politischer Theologie.
Bubers Bezeichnung des Werkes als "Chronik" weist auf dessen beabsichtigte tendenzlose Wahrheitstreue hin; tatsächlich sind in fast allen Figuren des Romans gleichnamige historische Personen zu erkennen. Der Schweizer Theologe Leonhard Ragaz (1868-1945) fand, daß Gog und Magog - den der Religionswissenschaftler Karl Kerényi (1897-1973) mit Thomas Manns Der Auserwählte und der amerikanische Literaturwissenschaftler Maurice. Friedman (geb. 1921) mit Fjodor M. Dostojewskijs Die Brüder Karamasow verglich - kein Roman, sondern ein Werk suigeneris sei. Treffend ist die Bezeichnung des Werkes durch den Philosophen und Pädagogen Ernst Simon (1899-1988) als "Philosophie in Romanform":
Was ist der Sinn der ideellen Auseinandersetzungen, die den Raum von Geschichten wie Thomas Manns Zauberberg oder Bubers Gog und Magog füllen? Dienen sie hauptsächlich zur Charakterisierung der Protagonisten? Oder zur Annäherung an eine objektive Entscheidung im behandelten Streitthema? Oder aber zur Bestimmung der Position des Autors, entweder indem man ihn auf der Seite einer der Parteien wiederfindet, oder indem man seine Position als zwischen den Parteien stehend oder außerhalb von ihnen ausmachen kann? [...] Gog und Magog gehört zu diesem letzteren Typus.
Sagt Buber jedoch in seinem Nachwort: "Ich aber habe keine >Lehre<. Ich habe nur die Funktion, auf solche Wirklichkeiten hinzuzeigen. Wer eine Lehre von mir erwartet, die etwas anderes ist als eine Hinzeigung dieser
5. Vgl. das Figurenregister in diesem Band; vgl. die Bemerkung des anonymen Rezensenten der Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland, 31.3.1950: "Martin Buber nennt dieses Buch eine Chronik. Das ist es sogar in doppeltem Sinne: dem Wortsinn des Berichtens zeitlichen Geschehens nach und sodann in jenem anderen, der das Kriterium der chassidischen (wie jeglicher mythischen) Erzählung ist, nämlich die hinter der zeitlichen Erscheinung, hinter den Gebärden wirkende, die eigentlich reale Ursache, den Kern der reifenden Frucht aufzuweisen."
Der Grundgedanke Bubers - der als roter Faden in seinem Gesamtwerk wiederzufinden ist - ist sein Glaube an die Möglichkeit der Erlösung der Welt wie auch an die Fähigkeit des Einzelnen, daran teilzunehmen. Diesen Glauben gewann er aus dem Chassidismus: "Was ich in Wahrheit als den großen chassidischen Beitrag zum Glauben an die Erlösbarkeit der Welt erkannt habe, ist dies, daß jeder Mensch an ihrer Erlösung wirken, aber keiner sie bewirken kann. Dies ist gemeinsame chassidische Einsicht." Auf diese Voraussetzung folgt die Frage nach der Art und Weise: wie kann der Mensch die Erlösung erwirken. Die Antwort Bubers beginnt mit der Ablehnung der Magie als Mittel zur Erlösung:
In der inneren Dialektik der Bewegung aber stehen einander zwei Grundanschauungen gegenüber. Die eine behauptet, der Mensch könne an der Erlösung der Welt wirken, indem er magisch auf die göttlichen Konfigurationen einwirkt, die andere erklärt dem gegenüber, nur dadurch könne der Mensch an der Erlösung der Welt wirken, daß er mit seinem ganzen Wesen sich auf Gott zu bewegt, zu ihm "umkehrt", und alles, was er von nun an tut, auf Gott zu tut. Damit steigert er, in einem der Kraft seiner Bewegung entsprechenden Maße, die Erlösbarkeit der Welt: er "nähert" sie der himmlischen Einwirkung. Das ist das Grundthema meines Buches "Gog und Magog".
Nicht eine mystische Flucht vor der Welt zu Gott, sondern das Leben in der Welt ist also der Weg zur Erlösung. Und dieser Weg ist die sogenannte "Umkehr" (hebr. Teschuwa), die Bewegung auf Gott zu, die nichts anderes ist als die Bekämpfung des Bösen. Auf die Frage, wo der Kampf gegen das Böse anfangen soll, hatte Buber eine Antwort; "[...] sie lautete: Der Kampf muß in der eigenen Seele ansetzen - alles andere kann sich erst von da aus ergeben." Und daraus läßt sich auch die Antwort auf die zentrale politische Frage schließen, die folgendermaßen formuliert werden kann: Darf man das Böse - in seiner realpolitischen Form von weltumwälzenden Ereignissen - als (göttliches) Mittel zur Erlösung ansehen, das letztendlich das Gute befördert und daher unterstützt werden soll?
Details
Erscheinungsjahr: | 2009 |
---|---|
Genre: | Religion & Theologie |
Religion: | Judentum |
Rubrik: | Geisteswissenschaften |
Medium: | Buch |
Inhalt: | 304 S. |
ISBN-13: | 9783579026954 |
ISBN-10: | 357902695X |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Gebunden |
Autor: | Buber, Martin |
Redaktion: | Ran HaCohen |
Herausgeber: | Ran HaCohen |
Auflage: | 1/2009 |
gütersloher verlagshaus: | Gütersloher Verlagshaus |
penguin random house verlagsgruppe gmbh: | Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH |
Maße: | 230 x 155 x 25 mm |
Von/Mit: | Martin Buber |
Erscheinungsdatum: | 21.09.2009 |
Gewicht: | 0,608 kg |
Details
Erscheinungsjahr: | 2009 |
---|---|
Genre: | Religion & Theologie |
Religion: | Judentum |
Rubrik: | Geisteswissenschaften |
Medium: | Buch |
Inhalt: | 304 S. |
ISBN-13: | 9783579026954 |
ISBN-10: | 357902695X |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Gebunden |
Autor: | Buber, Martin |
Redaktion: | Ran HaCohen |
Herausgeber: | Ran HaCohen |
Auflage: | 1/2009 |
gütersloher verlagshaus: | Gütersloher Verlagshaus |
penguin random house verlagsgruppe gmbh: | Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH |
Maße: | 230 x 155 x 25 mm |
Von/Mit: | Martin Buber |
Erscheinungsdatum: | 21.09.2009 |
Gewicht: | 0,608 kg |
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