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Erzählende Prosa Die Lügner sind ehrlich; Calabria; Die Düne; Der Brand; Mißverständnisse
Die Lügner sind erlich/Calabria/Die Düne/Der Brand/Mißverständnisse - Werke 2
Buch von Kuno Raeber
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
Am morgen, wenn ich erwachte, war es dunkel in meinem Zimmer, denn ich schloß abends die schweren weißen Holzläden, die in diesem Lande Gardinen und Rolläden ersetzen. Ich wußte, was mir drohte: im Augenblick, in dem ich sie aufmachte, trat ein überheller Tag herein, ein Licht, das sogar die Erinnerung an Dunkelheit vernichtete. Dieses Licht lag nicht, wie unter unserer matten Sonne, auf den Dingen, es beleuchtete nicht die Häuser und die Felshänge und die Ölbäume und das Meer. Es war vielmehr in diesen Dingen enthalten, sie strahlten das Licht aus wie Phosphor. Im Augenblick, in dem ich das Fenster öffnete, erlebte ich eine Sonnenorgie, einen stillen Taumel, der draußen die Welt ergriffen und bisher nur mein Zimmer mit seiner hohen gewölbten Decke ausgespart hatte, wie eine Grotte und einen Fluchtort der Nacht. Ich ging hinaus, die lange Straße hinunter. Alles war lebendig und betriebsam: der Markt mit den Fruchtständen, die Kaffeehäuser mit den Männern, die dort den ganzen Tag zu sitzen schienen, die Läden, die zur Straße keine Wand hatten. Leute gingen auf und ab und hin und her, teils in der Verfolgung irgendwelcher Zwecke, teils nur, um sich zu bewegen. Ich ging die ganze Straße hinunter bis zu dem Geländer, wo der Felsen ohne Übergang hinabstürzte zum Strand. Das Meer lag weiß gekräuselt und tiefgrün, begrenzt auf beiden Seiten von Felshügeln, deren Kuppen Öl- und Palmengärten bedeckten. Auf dem Hügel links erhob sich ein breiter, palastartiger Bau, ein Kloster, wie es hieß. Ich stieg eine breite Treppe hinab zum Strand. Unter dem einen der Hügel konnte man hindurchgehen: durch ein Gewirr von Höhlen. Auf der andern Seite setzte sich der Strand fort, nochmals geteilt durch einen Felssporn. Um dessen Spitze wiederum konnte man, wenn man Glück hatte, trockenen Fußes herumsteigen. Hatte man Pech, benetzte die Brandungswelle Füße und Waden. Ich lief den ganzen Strand entlang in dem heißen, leuchtenden Sand und war froh, Sandalen an den Füßen zu tragen, schon die Sandkörner, die mir ab und zu zwischen die Zehen gerieten, brannten mich. Ich war der einzige Mensch in der Stadt, der noch Sandalen trug: nach Ansicht der Einheimischen war es Winter. Das Licht war so grell, daß ich jede Vorstellung verlor, es könnte irgendwann und irgendwo anders sein. Ich war selber ein Teil dieser ungeheuren Sonne, und die Zeit stand still.
Sie stand still bis nachmittags zwischen drei und vier. Dann stürzte der Tag in einer Katastrophe ins Meer. Die Vulkaninsel draußen wurde beängstigend schwarz und schien sich mit immer größerer Schnelligkeit zu entfernen. Wohl war der Himmel einen kurzen Augenblick rot und gelb und grün. Aber kaum nahm ich es wahr, war alles schwarz. Die Finsternis des Todes und einer unaufhebbaren Verbannung fiel wie aus einem Hinterhalt über die Stadt und den Strand und das Meer. Ich wußte nicht, warum. Es war jeden Tag so, und immer traf mich das Unglück unvorbereitet. Denn in dem großen Tag, der Welt einer einzigen Sonne, war es nicht möglich, das Schreckliche zu ahnen. Trat es ein, war es aussichtslos, ihm zu entfliehen und sich mit der Erinnerung an die zerbrochene Herrlichkeit zu trösten. In jener kurzen Zwischenzeit, in dem Augenblick, da die Katastrophe eintrat, aber noch nicht vollendet war, ergriff mich immer Angst und Verzweiflung: ich setzte mich in ein leeres Fischerboot und schaute in eine bunte Illustrierte, die ich mir eigens als Medikament gegen diese Stunde gekauft hatte. Aber Farah Dibas Lächeln kam nicht auf gegen die heranziehende Finsternis. Ich konnte mir nur helfen, indem ich tat, was alle andern Leute tate
Am morgen, wenn ich erwachte, war es dunkel in meinem Zimmer, denn ich schloß abends die schweren weißen Holzläden, die in diesem Lande Gardinen und Rolläden ersetzen. Ich wußte, was mir drohte: im Augenblick, in dem ich sie aufmachte, trat ein überheller Tag herein, ein Licht, das sogar die Erinnerung an Dunkelheit vernichtete. Dieses Licht lag nicht, wie unter unserer matten Sonne, auf den Dingen, es beleuchtete nicht die Häuser und die Felshänge und die Ölbäume und das Meer. Es war vielmehr in diesen Dingen enthalten, sie strahlten das Licht aus wie Phosphor. Im Augenblick, in dem ich das Fenster öffnete, erlebte ich eine Sonnenorgie, einen stillen Taumel, der draußen die Welt ergriffen und bisher nur mein Zimmer mit seiner hohen gewölbten Decke ausgespart hatte, wie eine Grotte und einen Fluchtort der Nacht. Ich ging hinaus, die lange Straße hinunter. Alles war lebendig und betriebsam: der Markt mit den Fruchtständen, die Kaffeehäuser mit den Männern, die dort den ganzen Tag zu sitzen schienen, die Läden, die zur Straße keine Wand hatten. Leute gingen auf und ab und hin und her, teils in der Verfolgung irgendwelcher Zwecke, teils nur, um sich zu bewegen. Ich ging die ganze Straße hinunter bis zu dem Geländer, wo der Felsen ohne Übergang hinabstürzte zum Strand. Das Meer lag weiß gekräuselt und tiefgrün, begrenzt auf beiden Seiten von Felshügeln, deren Kuppen Öl- und Palmengärten bedeckten. Auf dem Hügel links erhob sich ein breiter, palastartiger Bau, ein Kloster, wie es hieß. Ich stieg eine breite Treppe hinab zum Strand. Unter dem einen der Hügel konnte man hindurchgehen: durch ein Gewirr von Höhlen. Auf der andern Seite setzte sich der Strand fort, nochmals geteilt durch einen Felssporn. Um dessen Spitze wiederum konnte man, wenn man Glück hatte, trockenen Fußes herumsteigen. Hatte man Pech, benetzte die Brandungswelle Füße und Waden. Ich lief den ganzen Strand entlang in dem heißen, leuchtenden Sand und war froh, Sandalen an den Füßen zu tragen, schon die Sandkörner, die mir ab und zu zwischen die Zehen gerieten, brannten mich. Ich war der einzige Mensch in der Stadt, der noch Sandalen trug: nach Ansicht der Einheimischen war es Winter. Das Licht war so grell, daß ich jede Vorstellung verlor, es könnte irgendwann und irgendwo anders sein. Ich war selber ein Teil dieser ungeheuren Sonne, und die Zeit stand still.
Sie stand still bis nachmittags zwischen drei und vier. Dann stürzte der Tag in einer Katastrophe ins Meer. Die Vulkaninsel draußen wurde beängstigend schwarz und schien sich mit immer größerer Schnelligkeit zu entfernen. Wohl war der Himmel einen kurzen Augenblick rot und gelb und grün. Aber kaum nahm ich es wahr, war alles schwarz. Die Finsternis des Todes und einer unaufhebbaren Verbannung fiel wie aus einem Hinterhalt über die Stadt und den Strand und das Meer. Ich wußte nicht, warum. Es war jeden Tag so, und immer traf mich das Unglück unvorbereitet. Denn in dem großen Tag, der Welt einer einzigen Sonne, war es nicht möglich, das Schreckliche zu ahnen. Trat es ein, war es aussichtslos, ihm zu entfliehen und sich mit der Erinnerung an die zerbrochene Herrlichkeit zu trösten. In jener kurzen Zwischenzeit, in dem Augenblick, da die Katastrophe eintrat, aber noch nicht vollendet war, ergriff mich immer Angst und Verzweiflung: ich setzte mich in ein leeres Fischerboot und schaute in eine bunte Illustrierte, die ich mir eigens als Medikament gegen diese Stunde gekauft hatte. Aber Farah Dibas Lächeln kam nicht auf gegen die heranziehende Finsternis. Ich konnte mir nur helfen, indem ich tat, was alle andern Leute tate
Details
Erscheinungsjahr: 2003
Medium: Buch
Seiten: 512
Inhalt: 512 S.
ISBN-13: 9783312003006
ISBN-10: 3312003008
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Raeber, Kuno
Redaktion: Wyrwa, Christiane
Klein, Matthias
Herausgeber: Matthias Klein/Christiane Wyrwa
nagel & kimche ag verlag: Nagel & Kimche AG Verlag
c/o harpercollins deutschland gmbh: c/o HarperCollins Deutschland GmbH
Maße: 210 x 135 x 35 mm
Von/Mit: Kuno Raeber
Erscheinungsdatum: 10.03.2003
Gewicht: 0,619 kg
preigu-id: 103568241
Details
Erscheinungsjahr: 2003
Medium: Buch
Seiten: 512
Inhalt: 512 S.
ISBN-13: 9783312003006
ISBN-10: 3312003008
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Raeber, Kuno
Redaktion: Wyrwa, Christiane
Klein, Matthias
Herausgeber: Matthias Klein/Christiane Wyrwa
nagel & kimche ag verlag: Nagel & Kimche AG Verlag
c/o harpercollins deutschland gmbh: c/o HarperCollins Deutschland GmbH
Maße: 210 x 135 x 35 mm
Von/Mit: Kuno Raeber
Erscheinungsdatum: 10.03.2003
Gewicht: 0,619 kg
preigu-id: 103568241
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