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Die Antinomien der Demokratie
Taschenbuch von Oliver Hidalgo
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
Einleitung

Die Umstrittenheit der Demokratie

Die theoretische Beschäftigung mit der Demokratie ist gekennzeichnet durch das Auffinden von Widersprüchen und Aporien. Wie Konstitutionalismus und Rechtsstaatlichkeit den demokratischen Prozess gleichzeitig begrenzen wie aus ihm hervorgehen sollen (Habermas), scheint ebenso wenig plausibel wie die zweifelhafte Synthese aus Volkssouveränität und repräsentativen Entschei-dungsverfahren (Sieyès, Kant), die Vereinbarkeit von individuellen und kollektiven Ansprüchen (Rawls) oder die Äquivalenz zwischen Freiheit und Gleichheit (Rousseau). Die wechselvolle Geschichte des Demokratiebegriffs zeigt andererseits, dass der immense Erfolg des Konzepts vor allem mit seinem Potential zu tun haben dürfte, höchst unterschiedliche politische Ideen und sozialhistorische Realitäten unter ein und demselben Terminus zu subsumieren. Die theoretische Schwäche der Demokratie scheint sich demnach in der Praxis gerade in ihre größte Stärke zu verwandeln und ihrer Idee eine legitimierende Kraft zu verschaffen, die im Konzert der politischen Begriffe ihresgleichen sucht.

Die Schattenseite dieser Einsicht ist zweifelsohne, dass die Apperzeption der Demokratie an Präzision eingebüßt hat oder vielleicht auch noch niemals präzise war. Kaum ein Staat auf der Erde würde sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch explizit als 'anti-demokratisch' titulieren. Gleichzeitig verschwimmen die Kriterien, nach denen sich 'wirkliche' Demokratien von Systemen unterscheiden ließen, die mit Hilfe des divergent interpretierbaren Demokratiekonzepts lediglich ihren autoritären (oder gar totalitären) Charakter kaschieren - sofern man darunter Begriffe versteht, die vom Attribut "demokratisch" überhaupt eindeutig unterscheidbar sind. Aus der bloßen Berufung auf die Demokratie ist - wie die ideologischen Kämpfe des 19. und 20. Jahrhunderts schmerzlich zeigten - in der politischen Praxis jedenfalls wenig Substanz abzuleiten.

Um in dem undurchdringlichen Dickicht der Komplexität und Vieldeutig-keit des Demokratiebegriffs einigermaßen den Überblick zu behalten, wird nach wie vor gern auf die historische Erfolgsgeschichte der Demokratie in den OECD-Ländern verwiesen. Mögen die eingangs erwähnten Widersprüche theoretisch auch einleuchten und in der Praxis zu erheblichen Differenzen in der konkreten Ausgestaltung demokratischer Systeme führen, so habe sich doch in Europa, Amerika und einigen weiteren Ländern empirisch ein allgemeiner Maßstab herausgebildet, der zur Messung des Demokratiegehalts von anderen, 'neuen' Demokratien geeignet ist. Doch selbst wenn man solche Messungen derart akkurat, breit angelegt und intersubjektiv nachprüfbar durchführt wie Arend Lijphart in seiner bahnbrechenden Studie Patterns of Democracy (1999), offenbart sich an ihnen vor allem eines: dass "Demokratie" sehr vieles sein kann, die verschiedenen Systeme nur bedingt miteinander vergleichbar sind, manche Beispiele (wie die Schweiz) zu den übrigen Befunden nicht recht passen wollen sowie notgedrungen immer nur bestimmte, zu operativen Zwecken eingeschränkte Untersuchungskriterien in die einschlägigen Studien einfließen. Bedenkt man außerdem, dass etwa 1961 die (staats- statt volkssouveräne) kemalistische türkische Republik zu den Gründungsmitgliedern der OECD zählte (während Indien bis heute dem Kreis nicht angehört), dass weiterhin Russland 2007 zu Beitrittsgesprächen eingeladen und selbst mit China die Zusammenarbeit im Hinblick auf eine mögliche Mitgliedschaft vereinbart wurde, so schmälert dies mit Sicherheit den Orientierungsgehalt, den die OECD in punkto Demokratie zu bieten vermag. Überhaupt weisen Lijpharts 36 Länder, die er 1999 in den erlauchten Kreis der Demokratien aufnahm, zwar deutliche Überschneidungen mit den OECD-Staaten auf, sie sind aber keineswegs mit ihnen kongruent, insbesondere da auch einige ärmere Länder des Südens in der Studie auftauchen. Dies sowie demokratische Entwicklungen in Asien (Südkorea, Indonesien), Afrika (Namib

Einleitung

Die Umstrittenheit der Demokratie

Die theoretische Beschäftigung mit der Demokratie ist gekennzeichnet durch das Auffinden von Widersprüchen und Aporien. Wie Konstitutionalismus und Rechtsstaatlichkeit den demokratischen Prozess gleichzeitig begrenzen wie aus ihm hervorgehen sollen (Habermas), scheint ebenso wenig plausibel wie die zweifelhafte Synthese aus Volkssouveränität und repräsentativen Entschei-dungsverfahren (Sieyès, Kant), die Vereinbarkeit von individuellen und kollektiven Ansprüchen (Rawls) oder die Äquivalenz zwischen Freiheit und Gleichheit (Rousseau). Die wechselvolle Geschichte des Demokratiebegriffs zeigt andererseits, dass der immense Erfolg des Konzepts vor allem mit seinem Potential zu tun haben dürfte, höchst unterschiedliche politische Ideen und sozialhistorische Realitäten unter ein und demselben Terminus zu subsumieren. Die theoretische Schwäche der Demokratie scheint sich demnach in der Praxis gerade in ihre größte Stärke zu verwandeln und ihrer Idee eine legitimierende Kraft zu verschaffen, die im Konzert der politischen Begriffe ihresgleichen sucht.

Die Schattenseite dieser Einsicht ist zweifelsohne, dass die Apperzeption der Demokratie an Präzision eingebüßt hat oder vielleicht auch noch niemals präzise war. Kaum ein Staat auf der Erde würde sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch explizit als 'anti-demokratisch' titulieren. Gleichzeitig verschwimmen die Kriterien, nach denen sich 'wirkliche' Demokratien von Systemen unterscheiden ließen, die mit Hilfe des divergent interpretierbaren Demokratiekonzepts lediglich ihren autoritären (oder gar totalitären) Charakter kaschieren - sofern man darunter Begriffe versteht, die vom Attribut "demokratisch" überhaupt eindeutig unterscheidbar sind. Aus der bloßen Berufung auf die Demokratie ist - wie die ideologischen Kämpfe des 19. und 20. Jahrhunderts schmerzlich zeigten - in der politischen Praxis jedenfalls wenig Substanz abzuleiten.

Um in dem undurchdringlichen Dickicht der Komplexität und Vieldeutig-keit des Demokratiebegriffs einigermaßen den Überblick zu behalten, wird nach wie vor gern auf die historische Erfolgsgeschichte der Demokratie in den OECD-Ländern verwiesen. Mögen die eingangs erwähnten Widersprüche theoretisch auch einleuchten und in der Praxis zu erheblichen Differenzen in der konkreten Ausgestaltung demokratischer Systeme führen, so habe sich doch in Europa, Amerika und einigen weiteren Ländern empirisch ein allgemeiner Maßstab herausgebildet, der zur Messung des Demokratiegehalts von anderen, 'neuen' Demokratien geeignet ist. Doch selbst wenn man solche Messungen derart akkurat, breit angelegt und intersubjektiv nachprüfbar durchführt wie Arend Lijphart in seiner bahnbrechenden Studie Patterns of Democracy (1999), offenbart sich an ihnen vor allem eines: dass "Demokratie" sehr vieles sein kann, die verschiedenen Systeme nur bedingt miteinander vergleichbar sind, manche Beispiele (wie die Schweiz) zu den übrigen Befunden nicht recht passen wollen sowie notgedrungen immer nur bestimmte, zu operativen Zwecken eingeschränkte Untersuchungskriterien in die einschlägigen Studien einfließen. Bedenkt man außerdem, dass etwa 1961 die (staats- statt volkssouveräne) kemalistische türkische Republik zu den Gründungsmitgliedern der OECD zählte (während Indien bis heute dem Kreis nicht angehört), dass weiterhin Russland 2007 zu Beitrittsgesprächen eingeladen und selbst mit China die Zusammenarbeit im Hinblick auf eine mögliche Mitgliedschaft vereinbart wurde, so schmälert dies mit Sicherheit den Orientierungsgehalt, den die OECD in punkto Demokratie zu bieten vermag. Überhaupt weisen Lijpharts 36 Länder, die er 1999 in den erlauchten Kreis der Demokratien aufnahm, zwar deutliche Überschneidungen mit den OECD-Staaten auf, sie sind aber keineswegs mit ihnen kongruent, insbesondere da auch einige ärmere Länder des Südens in der Studie auftauchen. Dies sowie demokratische Entwicklungen in Asien (Südkorea, Indonesien), Afrika (Namib

Details
Erscheinungsjahr: 2014
Genre: Recht, Sozialwissenschaften, Wirtschaft
Medium: Taschenbuch
Inhalt: 639 S.
ISBN-13: 9783593399850
ISBN-10: 3593399857
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Hidalgo, Oliver
Auflage: 1/2014
Hersteller: Campus Verlag
Verantwortliche Person für die EU: Campus Verlag GmbH, Werderstr. 10, D-69469 Weinheim, info@campus.de
Maße: 228 x 154 x 39 mm
Von/Mit: Oliver Hidalgo
Erscheinungsdatum: 08.03.2014
Gewicht: 0,924 kg
Artikel-ID: 105932373
Details
Erscheinungsjahr: 2014
Genre: Recht, Sozialwissenschaften, Wirtschaft
Medium: Taschenbuch
Inhalt: 639 S.
ISBN-13: 9783593399850
ISBN-10: 3593399857
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Autor: Hidalgo, Oliver
Auflage: 1/2014
Hersteller: Campus Verlag
Verantwortliche Person für die EU: Campus Verlag GmbH, Werderstr. 10, D-69469 Weinheim, info@campus.de
Maße: 228 x 154 x 39 mm
Von/Mit: Oliver Hidalgo
Erscheinungsdatum: 08.03.2014
Gewicht: 0,924 kg
Artikel-ID: 105932373
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