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Das Walnusshaus
Roman
Buch von Miljenko Jergovic
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
"Als die verrückte Manda in ihrem nächtlichen Wahnsinn mit der Hand die Scheibe in der Küchentür – sie war aus dickem Milchglas – eingeschlagen hatte und am Morgen in einer Lache aus Kot und Blut gefunden wurde, so bleich, als sei bereits alles Leben aus ihr gewichen, rief Diana den Notarzt. Sie konnte es nicht mehr verheimlichen, konnte vor den Leuten nicht länger verbergen, was ohnehin jeder wusste: Ihre Mutter hatte mit siebenundneunzig Jahren komplett den Verstand verloren. Aber wie: Sie fluchte fürchterlich und stieß die übelsten Drohungen aus, traf ihre Nächsten zielsicher unter der Gürtellinie und zeigte sich, wie man sich selbst in jungen Jahren nicht zeigen sollte, packte splitternackt, dürr wie ein Gespenst, ihre schlaffe Brust und schrie: »He, du Hafennutte, willste Milch, soll ich deine Brut säugen?« Oder sie fasste sich zwischen die Beine, urinierte und sagte: »Ja, guck nur, du vertrocknete Fotze, so sieht eine richtige Frau aus!« Diana schützte die Kinder und deren Seelen, so gut sie konnte, vor solchen und schlimmeren Ausfällen, aber noch mehr litt sie darunter, dass die Nachbarn die verrückte Manda hören konnten – Manda, so hatte Darijan eines Abends Großmutter Regina genannt, und alle drei hatten fortan diesen Namen benutzt, wohl um sich selbst davon zu überzeugen, dass die Alte nichts mit der Frau zu tun hatte, bei der sie früher gelebt hatten. Diana hatte vor einigen Monaten, noch bevor es richtig schlimm geworden war, versucht, die Mutter in der städtischen Psychiatrie unterzubringen, aber dort gab es keine freien Plätze. Ein Dutzend chronischer, von der Familie aufgegebener Fälle belegte seit Jahren die Hälfte der Zimmer, während die andere Hälfte teils von verrückt gewordenen Veteranen in Beschlag genommen wurde, teils von den drogensüchtigen Söhnen und Töchtern aus besseren Kreisen, deren Eltern sie vor der Öffentlichkeit verstecken wollten. Für eine wahnsinnige, aggressive Greisin gab es in der Psychiatrie keinen Platz. Vielleicht hätte sie in einer anderen Abteilung untergebracht werden können, Regina litt unter genug Krankheiten, um sie irgendwo einzuweisen, aber Diana wollte nicht zulassen, dass außer den Psychiatern jemand erfuhr, was aus ihrer Mutter geworden war. Bis zu jenem Morgen kam nicht in Frage, dass auch andere Ärzte sie zu Gesicht bekamen.Der Krankenwagen traf eine Stunde nach dem Anruf ein.»Was ist denn das für ein Saustall?«, entfuhr es dem dicken Sanitäter mit dem geschorenen Schädel. Diana überlegte schon seit dem Anruf beim Notarzt fieberhaft, wie sie Trümmer, Kot, Urin und Blut in der Wohnung erklären könnte, aber ihr fiel nichts ein. Mirna und Darijan hatte sie gebeten, sich im Schlafzimmer einzuschließen, bis die verrückte Manda fort sei. Es war besser, wenn die Sanitäter sie nicht sahen.»Komm, Oma, lass uns gehen«, sagte der Glatzkopf und wollte sie mit einem Griff unter die Achseln hochheben, während sein Kollege, ein verhärmter Grauhaariger mit Brille, sie an den Beinen fasste, aber die verrückte Manda drehte sich blitzschnell um und biss den Glatzkopf in die Hand.»Heilige Maria!« Der Mann sprang zwei Meter zurück und brüllte Diana an: »Was stehst du da rum, verflucht noch mal, bring sie zur Vernunft!«Diana stand an der Wand, an der man noch die Schmutzspuren der vergangenen Nächte sah, und starrte auf den Boden.»Sie ist nicht normal«, sagte sie schließlich.»Ach, und wir haben gedacht, sie soll dein Haus hüten und den Briefträger beißen!«, sagte der Grauhaarige.Der Glatzkopf näherte sich wieder der verrückten Manda, diesmal schräg von hinten, aber sie drehte sich wie eine Katze und fletschte die Zähne.»Das ist nicht unser Job, gehen wir«, sagte der Grauhaarige.»Leute, bitte nicht!«, schrie Diana auf.»Signorina, wir sind für Herzinfarkte und Lungenentzündungen zuständig, dafür können Sie uns rufen, aber mit so was haben wir nichts zu tun«, erklärte der Grauhaarige.Der Glatzkopf stand über der verrückten Manda und guckte von oben auf sie herab: »Dir könnte ich mal ordentlich an den Kopf treten!«Die Alte riss wütend den Mund auf, ihre wenigen, aber scharfen gelben Zähne blitzten; sie lauerte wohl nur auf eine Gelegenheit, um ihm die Hoden abzubeißen. Da wusste Diana, auf welche Karte sie setzen musste, wild entschlossen, das einmal Begonnene um jeden Preis durchzuziehen.»Bringt sie fort, ich bitte Sie!«, bat sie den Glatzkopf und faltete dabei die Hände.»Und wohin, mal abgesehen davon, dass wir noch nicht wissen, wie?«»Ins Krankenhaus, sie verblutet sonst bestimmt.«»Wenn sie bis jetzt nicht verblutet ist, verblutet sie ab jetzt auch nicht mehr«, mischte sich der Grauhaarige ein. »Wir hauen ab, Damir, bevor dich die Alte in den Hintern beißt, du weißt ja, der Tetanusimpfstoff ist aus«, witzelte er, wohl um Diana zu demütigen, »das hier glaubt uns sowieso keiner.«»Ginge es für hundert Mark?«, fragte Diana den Glatzkopf.»Nicht mal für fünfhundert!«
"Als die verrückte Manda in ihrem nächtlichen Wahnsinn mit der Hand die Scheibe in der Küchentür – sie war aus dickem Milchglas – eingeschlagen hatte und am Morgen in einer Lache aus Kot und Blut gefunden wurde, so bleich, als sei bereits alles Leben aus ihr gewichen, rief Diana den Notarzt. Sie konnte es nicht mehr verheimlichen, konnte vor den Leuten nicht länger verbergen, was ohnehin jeder wusste: Ihre Mutter hatte mit siebenundneunzig Jahren komplett den Verstand verloren. Aber wie: Sie fluchte fürchterlich und stieß die übelsten Drohungen aus, traf ihre Nächsten zielsicher unter der Gürtellinie und zeigte sich, wie man sich selbst in jungen Jahren nicht zeigen sollte, packte splitternackt, dürr wie ein Gespenst, ihre schlaffe Brust und schrie: »He, du Hafennutte, willste Milch, soll ich deine Brut säugen?« Oder sie fasste sich zwischen die Beine, urinierte und sagte: »Ja, guck nur, du vertrocknete Fotze, so sieht eine richtige Frau aus!« Diana schützte die Kinder und deren Seelen, so gut sie konnte, vor solchen und schlimmeren Ausfällen, aber noch mehr litt sie darunter, dass die Nachbarn die verrückte Manda hören konnten – Manda, so hatte Darijan eines Abends Großmutter Regina genannt, und alle drei hatten fortan diesen Namen benutzt, wohl um sich selbst davon zu überzeugen, dass die Alte nichts mit der Frau zu tun hatte, bei der sie früher gelebt hatten. Diana hatte vor einigen Monaten, noch bevor es richtig schlimm geworden war, versucht, die Mutter in der städtischen Psychiatrie unterzubringen, aber dort gab es keine freien Plätze. Ein Dutzend chronischer, von der Familie aufgegebener Fälle belegte seit Jahren die Hälfte der Zimmer, während die andere Hälfte teils von verrückt gewordenen Veteranen in Beschlag genommen wurde, teils von den drogensüchtigen Söhnen und Töchtern aus besseren Kreisen, deren Eltern sie vor der Öffentlichkeit verstecken wollten. Für eine wahnsinnige, aggressive Greisin gab es in der Psychiatrie keinen Platz. Vielleicht hätte sie in einer anderen Abteilung untergebracht werden können, Regina litt unter genug Krankheiten, um sie irgendwo einzuweisen, aber Diana wollte nicht zulassen, dass außer den Psychiatern jemand erfuhr, was aus ihrer Mutter geworden war. Bis zu jenem Morgen kam nicht in Frage, dass auch andere Ärzte sie zu Gesicht bekamen.Der Krankenwagen traf eine Stunde nach dem Anruf ein.»Was ist denn das für ein Saustall?«, entfuhr es dem dicken Sanitäter mit dem geschorenen Schädel. Diana überlegte schon seit dem Anruf beim Notarzt fieberhaft, wie sie Trümmer, Kot, Urin und Blut in der Wohnung erklären könnte, aber ihr fiel nichts ein. Mirna und Darijan hatte sie gebeten, sich im Schlafzimmer einzuschließen, bis die verrückte Manda fort sei. Es war besser, wenn die Sanitäter sie nicht sahen.»Komm, Oma, lass uns gehen«, sagte der Glatzkopf und wollte sie mit einem Griff unter die Achseln hochheben, während sein Kollege, ein verhärmter Grauhaariger mit Brille, sie an den Beinen fasste, aber die verrückte Manda drehte sich blitzschnell um und biss den Glatzkopf in die Hand.»Heilige Maria!« Der Mann sprang zwei Meter zurück und brüllte Diana an: »Was stehst du da rum, verflucht noch mal, bring sie zur Vernunft!«Diana stand an der Wand, an der man noch die Schmutzspuren der vergangenen Nächte sah, und starrte auf den Boden.»Sie ist nicht normal«, sagte sie schließlich.»Ach, und wir haben gedacht, sie soll dein Haus hüten und den Briefträger beißen!«, sagte der Grauhaarige.Der Glatzkopf näherte sich wieder der verrückten Manda, diesmal schräg von hinten, aber sie drehte sich wie eine Katze und fletschte die Zähne.»Das ist nicht unser Job, gehen wir«, sagte der Grauhaarige.»Leute, bitte nicht!«, schrie Diana auf.»Signorina, wir sind für Herzinfarkte und Lungenentzündungen zuständig, dafür können Sie uns rufen, aber mit so was haben wir nichts zu tun«, erklärte der Grauhaarige.Der Glatzkopf stand über der verrückten Manda und guckte von oben auf sie herab: »Dir könnte ich mal ordentlich an den Kopf treten!«Die Alte riss wütend den Mund auf, ihre wenigen, aber scharfen gelben Zähne blitzten; sie lauerte wohl nur auf eine Gelegenheit, um ihm die Hoden abzubeißen. Da wusste Diana, auf welche Karte sie setzen musste, wild entschlossen, das einmal Begonnene um jeden Preis durchzuziehen.»Bringt sie fort, ich bitte Sie!«, bat sie den Glatzkopf und faltete dabei die Hände.»Und wohin, mal abgesehen davon, dass wir noch nicht wissen, wie?«»Ins Krankenhaus, sie verblutet sonst bestimmt.«»Wenn sie bis jetzt nicht verblutet ist, verblutet sie ab jetzt auch nicht mehr«, mischte sich der Grauhaarige ein. »Wir hauen ab, Damir, bevor dich die Alte in den Hintern beißt, du weißt ja, der Tetanusimpfstoff ist aus«, witzelte er, wohl um Diana zu demütigen, »das hier glaubt uns sowieso keiner.«»Ginge es für hundert Mark?«, fragte Diana den Glatzkopf.»Nicht mal für fünfhundert!«
Details
Erscheinungsjahr: 2008
Medium: Buch
Seiten: 616
Originaltitel: Dvori od oraha
Inhalt: 616 S.
ISBN-13: 9783895613913
ISBN-10: 3895613916
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Jergovic, Miljenko
Übersetzung: Brigitte Döbert
gmbh: GmbH
schöffling & co. verlagsbuchhandlung: Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung
Maße: 212 x 140 x 48 mm
Von/Mit: Miljenko Jergovic
Erscheinungsdatum: 22.02.2008
Gewicht: 0,654 kg
preigu-id: 101903960
Details
Erscheinungsjahr: 2008
Medium: Buch
Seiten: 616
Originaltitel: Dvori od oraha
Inhalt: 616 S.
ISBN-13: 9783895613913
ISBN-10: 3895613916
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Jergovic, Miljenko
Übersetzung: Brigitte Döbert
gmbh: GmbH
schöffling & co. verlagsbuchhandlung: Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung
Maße: 212 x 140 x 48 mm
Von/Mit: Miljenko Jergovic
Erscheinungsdatum: 22.02.2008
Gewicht: 0,654 kg
preigu-id: 101903960
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