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Biographien
Lesen - erforschen - erzählen, Historische Einführungen 12
Taschenbuch von Thomas Etzemüller
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
1. Einleitung

1.1. Ein überraschend komplexes Genre

Es gibt eine eigene Wissenschaft, die sich mit Biographien beschäftigt,die Biographieforschung. Sie ist mittlerweile derartausdifferenziert, dass es unmöglich ist, einen auch nur halbwegsumfassenden Überblick über diesen Forschungszweig zu geben.Um das zu begreifen, reicht ein Blick in das Inhaltsverzeichniseiner der jüngsten Publikationen zu diesem Thema, das 2009erschienene Handbuch Biographie (Klein 2009). Auf knapp 500zweispaltigen Seiten werden 59 Themenfelder in knappen Artikelnskizziert, etwa die Begriffsbestimmung, die Frage, ob dieBiographie eine Gattung sei, das Problem der Fiktionalität, dieBiographiewürdigkeit oder gar Rechtsfragen der biographischenArbeit. Das Handbuch macht deutlich, dass sich Biographien inder Antike, im Mittelalter oder der Neuzeit signifikant unterscheiden,dass es unterschiedliche nationale Traditionen biographischenSchreibens gibt, dass die wissenschaftlichen Disziplinenihre eigenen biographischen Methoden und Fragestellungen entwickelthaben, dass Institutionen ihre ganz eigentümlichen biographischenTexte generieren oder dass schließlich biographischesErzählen in Medien, Kunst, Alltag, Wissenschaft oder Literaturunterschiedliche Formen annimmt und verschiedenen Zweckendient. Spätestens nach der Lektüre dieses Standardwerkes machtes keinen Sinn mehr, von der Biographie zu sprechen. Die Biographiegibt es nicht - doch ist sie ein jahrhundertealtes Genre, dassich hinreichend scharf gegen andere Textgattungen abgrenzenlässt. Und dieses Genre zeichnet sich durch Eigentümlichkeitenund bestimmte Probleme aus. Ich werde mit dieser Einführungnicht versuchen, das Handbuch Biographie (und die übrige Forschungsliteratur)zusammenzufassen oder gar zu ersetzen. Vielmehrwerde ich aus der Perspektive des Historikers und gestütztauf die jüngere Biographieforschung einen Einblick in die Vielfaltund Charakteristika des Genres geben.

Ich selber habe nie eine Biographie geschrieben. Aber ich habein mehreren Forschungsprojekten die biographische Methode genutzt,sei es, um wissenschaftssoziologisch und mikrohistorisch,wie in einer Laborstudie, den Arbeitsprozess von Historikern zubeschreiben, sei es, um das social engineering im europäischen20. Jahrhundert zu untersuchen. Der biographische Zugriff dientmir als »Sonde«, um das Funktionieren der Gesellschaft zu verstehen.Dabei ist mir immer deutlicher geworden, dass Biographienerstaunlich komplexe Textformen sein können. Sie informierennicht einfach möglichst vollständig und wahrhaftig überdas Leben einer Person - auch wenn das viele Biographen undLeser glauben mögen -, sondern sie werden durch ihre Autorenund deren Leser gestaltet. Sie basieren zwar auf Quellen, könnenHistorikern aber selbst als Quelle dienen. Sie sollen nicht immerdie Neugierde von Lesern befriedigen, sondern oft nur persönlichenoder administrativen Zwecken dienen. Sie beschreiben nichtallein einen Ausschnitt der Welt, sondern können durchaus eineprägende Wirkung auf die Welt ausüben. Außerdem vermögen siees, allzu einfache Vorstellungen von der Realität infrage zu stellen.In dieser Einleitung umreiße ich den Gegenstand und seinefortdauernde Attraktivität und nehme eine provisorische Begriffsklärungvor. Dann soll die Problematik in sechs Kapiteln aufgefächertwerden. In Kapitel 2 werden sechs Biographien beispielhaftvorgestellt, die narrativ unterschiedlich aufgebaut sind undden Lesern ihren Gegenstand auf divergierende Weise und mitunterschiedlichen Absichten präsentieren. Kapitel 3 behandelt dieFrage, welche gesellschaftlichen Institutionen als »Biographiegeneratoren« wirken und wie die von ihnen produzierten biographischenTexte mit ihren Objekten, den Menschen, umgehen. ImMittelpunkt werden der Unterschied zwischen »Lebenslauf« und»Biographie« sowie Subjektivierungsprozesse stehen. In Kapitel 4wird es dann um die »Performanz« der Quellenproduktion gehen,durch die Lebenslä

1. Einleitung

1.1. Ein überraschend komplexes Genre

Es gibt eine eigene Wissenschaft, die sich mit Biographien beschäftigt,die Biographieforschung. Sie ist mittlerweile derartausdifferenziert, dass es unmöglich ist, einen auch nur halbwegsumfassenden Überblick über diesen Forschungszweig zu geben.Um das zu begreifen, reicht ein Blick in das Inhaltsverzeichniseiner der jüngsten Publikationen zu diesem Thema, das 2009erschienene Handbuch Biographie (Klein 2009). Auf knapp 500zweispaltigen Seiten werden 59 Themenfelder in knappen Artikelnskizziert, etwa die Begriffsbestimmung, die Frage, ob dieBiographie eine Gattung sei, das Problem der Fiktionalität, dieBiographiewürdigkeit oder gar Rechtsfragen der biographischenArbeit. Das Handbuch macht deutlich, dass sich Biographien inder Antike, im Mittelalter oder der Neuzeit signifikant unterscheiden,dass es unterschiedliche nationale Traditionen biographischenSchreibens gibt, dass die wissenschaftlichen Disziplinenihre eigenen biographischen Methoden und Fragestellungen entwickelthaben, dass Institutionen ihre ganz eigentümlichen biographischenTexte generieren oder dass schließlich biographischesErzählen in Medien, Kunst, Alltag, Wissenschaft oder Literaturunterschiedliche Formen annimmt und verschiedenen Zweckendient. Spätestens nach der Lektüre dieses Standardwerkes machtes keinen Sinn mehr, von der Biographie zu sprechen. Die Biographiegibt es nicht - doch ist sie ein jahrhundertealtes Genre, dassich hinreichend scharf gegen andere Textgattungen abgrenzenlässt. Und dieses Genre zeichnet sich durch Eigentümlichkeitenund bestimmte Probleme aus. Ich werde mit dieser Einführungnicht versuchen, das Handbuch Biographie (und die übrige Forschungsliteratur)zusammenzufassen oder gar zu ersetzen. Vielmehrwerde ich aus der Perspektive des Historikers und gestütztauf die jüngere Biographieforschung einen Einblick in die Vielfaltund Charakteristika des Genres geben.

Ich selber habe nie eine Biographie geschrieben. Aber ich habein mehreren Forschungsprojekten die biographische Methode genutzt,sei es, um wissenschaftssoziologisch und mikrohistorisch,wie in einer Laborstudie, den Arbeitsprozess von Historikern zubeschreiben, sei es, um das social engineering im europäischen20. Jahrhundert zu untersuchen. Der biographische Zugriff dientmir als »Sonde«, um das Funktionieren der Gesellschaft zu verstehen.Dabei ist mir immer deutlicher geworden, dass Biographienerstaunlich komplexe Textformen sein können. Sie informierennicht einfach möglichst vollständig und wahrhaftig überdas Leben einer Person - auch wenn das viele Biographen undLeser glauben mögen -, sondern sie werden durch ihre Autorenund deren Leser gestaltet. Sie basieren zwar auf Quellen, könnenHistorikern aber selbst als Quelle dienen. Sie sollen nicht immerdie Neugierde von Lesern befriedigen, sondern oft nur persönlichenoder administrativen Zwecken dienen. Sie beschreiben nichtallein einen Ausschnitt der Welt, sondern können durchaus eineprägende Wirkung auf die Welt ausüben. Außerdem vermögen siees, allzu einfache Vorstellungen von der Realität infrage zu stellen.In dieser Einleitung umreiße ich den Gegenstand und seinefortdauernde Attraktivität und nehme eine provisorische Begriffsklärungvor. Dann soll die Problematik in sechs Kapiteln aufgefächertwerden. In Kapitel 2 werden sechs Biographien beispielhaftvorgestellt, die narrativ unterschiedlich aufgebaut sind undden Lesern ihren Gegenstand auf divergierende Weise und mitunterschiedlichen Absichten präsentieren. Kapitel 3 behandelt dieFrage, welche gesellschaftlichen Institutionen als »Biographiegeneratoren« wirken und wie die von ihnen produzierten biographischenTexte mit ihren Objekten, den Menschen, umgehen. ImMittelpunkt werden der Unterschied zwischen »Lebenslauf« und»Biographie« sowie Subjektivierungsprozesse stehen. In Kapitel 4wird es dann um die »Performanz« der Quellenproduktion gehen,durch die Lebenslä

Details
Medium: Taschenbuch
Seiten: 195
Inhalt: 195 S.
ISBN-13: 9783593397412
ISBN-10: 3593397412
Sprache: Deutsch
Einband: Kartoniert / Broschiert
Autor: Etzemüller, Thomas
Auflage: 1/2012
Besonderheit: Unsere Aufsteiger
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 206 x 135 x 17 mm
Von/Mit: Thomas Etzemüller
Erscheinungsdatum: 10.09.2012
Gewicht: 0,232 kg
preigu-id: 106468383
Details
Medium: Taschenbuch
Seiten: 195
Inhalt: 195 S.
ISBN-13: 9783593397412
ISBN-10: 3593397412
Sprache: Deutsch
Einband: Kartoniert / Broschiert
Autor: Etzemüller, Thomas
Auflage: 1/2012
Besonderheit: Unsere Aufsteiger
campus verlag: Campus Verlag
Maße: 206 x 135 x 17 mm
Von/Mit: Thomas Etzemüller
Erscheinungsdatum: 10.09.2012
Gewicht: 0,232 kg
preigu-id: 106468383
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