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Big Sue
Roman
Buch von Zora del Buono
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
Wir lernten uns am Flughafen von Atlanta kennen, als wir hintereinander in der Menschenschlange des Immigrationsschalters standen. Es war ein kurzes Zusammentreffen unter Fremden, in einer jener von Anspannung befreiten Situationen, in der selbst Empfindliche den mit Kopfhautteilen übersäten Kragen des Vordermanns mit Gelassenheit betrachten konnten, dem Zwang widerstehend, die weißen Flocken in Ehefrauenmanier vom Jackett zu wedeln, schlicht erleichtert, den Flug über den Atlantik unbescholten überstanden zu haben.

Wahrscheinlich hätte ich nicht weiter auf ihn geachtet, wäre ihm nicht sein roter Pass aus der Hand gefallen und mir zwischen die Füße gerutscht, so nah, dass er ihn selber nicht hätte aufheben können, ohne uns beide in Verlegenheit zu bringen. Ich bückte mich, sah elegant geschnittene Wildlederschuhe, drückte ihm den Pass in die Hand, eine sehr gepflegte Hand, helle und ungewöhnlich glatte Haut, womöglich rasierte er sich die Arme. Er war feingliedrig, ein kleiner Mann, kaum größer als ich. Der eigentlich zarte Körper schien von einer zentimeterdicken Fettschicht überzogen, die fremd wirkte, als ob sie nicht zu ihm gehörte, ihm von jemandem übergestülpt und sacht angedrückt worden wäre vor nicht allzu langer Zeit. Er blinzelte mich an und sagte Määrci statt Danke, eine kleine Schweizer Koketterie wahrscheinlich.

Unser Immigration Officer trug leuchtend lila Gummihandschuhe, die ihm bis zu den Ellbogen reichten, in den Pässen zu blättern bereitete ihm sichtlich Mühe. Ich sprach ihn darauf an, es musste sich um eine Neurose handeln. Tatsächlich: Man ahne ja nicht, mit wie vielen Mikroorganismen er konfrontiert sei, entgegnete er, tagtäglich all diese Bakterien, Viren, er wolle nicht sterben wegen fremder Mikroben. Auch Blut klebe an den Pässen, bei manchen tropfe es gar auf den Boden, dickflüssig und zäh. Auf meine Frage, ob er das metaphorisch meine, ging der von seinen eigenen Worten erhitzte Officer nicht ein, er drückte den Stempel auf das Papier, wünschte einen guten Aufenthalt und winkte Fenner heran, der die Szene aufmerksam beobachtet hatte. Mir schien, als habe dieser einen belustigten Zug um den Mund, dessen Oberlippe scharf konturiert, jedoch beinahe ohne Einbuchtung war, ein makellos nach unten geschwungener Bogen, der dem jungen Mann eine leise Verächtlichkeit verlieh, die nicht ohne Reiz war. Er strich sich die glatten, dunklen Haare aus der Stirn und trat auf den Mysophobiker zu.

Dass der Schweizer Fenner hieß, erfuhr ich allerdings erst wenige Stunden später. Wir verließen beide die Schalterhalle des Flughafens von Savannah, atmeten zum ersten Mal diese schwüle, träge, den Körper umgarnende Luft ein, die uns während der nächsten Wochen bei unseren unterschiedlichen Vorhaben begleiten würde; es war überraschend warm für einen Tag im Februar. Ein dürrer Mann mit Hut saß in einem der hölzernen Schaukelstühle bei dem Taxistand und rief immer wieder: Mr. Fenner! Mr. Fenner! Er winkte den Schweizer dabei so auffordernd zu sich, dass kaum Zeit für eine Verabschiedung blieb.

Fenner also. Wir hatten in Atlanta eine halbe Stunde miteinander gesprochen, als wir uns beim Warten auf den Inlandflug nach Savannah wieder getroffen hatten. Es war ein selbstverständliches Zusammensitzen gewesen, Zeitvertreib für zwei Reisende, er mit übergeschlagenen Beinen, immer wieder seine Schuhe streichelnd, ein wenig selbstverliebt, wie mir schien. Vielleicht wollte er auch nur ausdrücken, dass er kostbare Dinge zu schätzen wusste, sich mit Werten auskannte, auch wenn er zehn Jahre jünger war als ich, ein weltgewandter Mann in den Dreißigern. Ich erzählte ihm von meiner Aufgabe in Georgia, er stellte Zwischenfragen; er war ein leiser Sprecher. Von Gullah hatte er noch nie gehört, kaum ein Europäer wusste von der Kultur, diesem Gemisch aus westafrikanischen Riten, Sprachen und geheimen Codes der Sklaven und ihrer Nachfahren. Selbst Amerikanern war Gullah m
Wir lernten uns am Flughafen von Atlanta kennen, als wir hintereinander in der Menschenschlange des Immigrationsschalters standen. Es war ein kurzes Zusammentreffen unter Fremden, in einer jener von Anspannung befreiten Situationen, in der selbst Empfindliche den mit Kopfhautteilen übersäten Kragen des Vordermanns mit Gelassenheit betrachten konnten, dem Zwang widerstehend, die weißen Flocken in Ehefrauenmanier vom Jackett zu wedeln, schlicht erleichtert, den Flug über den Atlantik unbescholten überstanden zu haben.

Wahrscheinlich hätte ich nicht weiter auf ihn geachtet, wäre ihm nicht sein roter Pass aus der Hand gefallen und mir zwischen die Füße gerutscht, so nah, dass er ihn selber nicht hätte aufheben können, ohne uns beide in Verlegenheit zu bringen. Ich bückte mich, sah elegant geschnittene Wildlederschuhe, drückte ihm den Pass in die Hand, eine sehr gepflegte Hand, helle und ungewöhnlich glatte Haut, womöglich rasierte er sich die Arme. Er war feingliedrig, ein kleiner Mann, kaum größer als ich. Der eigentlich zarte Körper schien von einer zentimeterdicken Fettschicht überzogen, die fremd wirkte, als ob sie nicht zu ihm gehörte, ihm von jemandem übergestülpt und sacht angedrückt worden wäre vor nicht allzu langer Zeit. Er blinzelte mich an und sagte Määrci statt Danke, eine kleine Schweizer Koketterie wahrscheinlich.

Unser Immigration Officer trug leuchtend lila Gummihandschuhe, die ihm bis zu den Ellbogen reichten, in den Pässen zu blättern bereitete ihm sichtlich Mühe. Ich sprach ihn darauf an, es musste sich um eine Neurose handeln. Tatsächlich: Man ahne ja nicht, mit wie vielen Mikroorganismen er konfrontiert sei, entgegnete er, tagtäglich all diese Bakterien, Viren, er wolle nicht sterben wegen fremder Mikroben. Auch Blut klebe an den Pässen, bei manchen tropfe es gar auf den Boden, dickflüssig und zäh. Auf meine Frage, ob er das metaphorisch meine, ging der von seinen eigenen Worten erhitzte Officer nicht ein, er drückte den Stempel auf das Papier, wünschte einen guten Aufenthalt und winkte Fenner heran, der die Szene aufmerksam beobachtet hatte. Mir schien, als habe dieser einen belustigten Zug um den Mund, dessen Oberlippe scharf konturiert, jedoch beinahe ohne Einbuchtung war, ein makellos nach unten geschwungener Bogen, der dem jungen Mann eine leise Verächtlichkeit verlieh, die nicht ohne Reiz war. Er strich sich die glatten, dunklen Haare aus der Stirn und trat auf den Mysophobiker zu.

Dass der Schweizer Fenner hieß, erfuhr ich allerdings erst wenige Stunden später. Wir verließen beide die Schalterhalle des Flughafens von Savannah, atmeten zum ersten Mal diese schwüle, träge, den Körper umgarnende Luft ein, die uns während der nächsten Wochen bei unseren unterschiedlichen Vorhaben begleiten würde; es war überraschend warm für einen Tag im Februar. Ein dürrer Mann mit Hut saß in einem der hölzernen Schaukelstühle bei dem Taxistand und rief immer wieder: Mr. Fenner! Mr. Fenner! Er winkte den Schweizer dabei so auffordernd zu sich, dass kaum Zeit für eine Verabschiedung blieb.

Fenner also. Wir hatten in Atlanta eine halbe Stunde miteinander gesprochen, als wir uns beim Warten auf den Inlandflug nach Savannah wieder getroffen hatten. Es war ein selbstverständliches Zusammensitzen gewesen, Zeitvertreib für zwei Reisende, er mit übergeschlagenen Beinen, immer wieder seine Schuhe streichelnd, ein wenig selbstverliebt, wie mir schien. Vielleicht wollte er auch nur ausdrücken, dass er kostbare Dinge zu schätzen wusste, sich mit Werten auskannte, auch wenn er zehn Jahre jünger war als ich, ein weltgewandter Mann in den Dreißigern. Ich erzählte ihm von meiner Aufgabe in Georgia, er stellte Zwischenfragen; er war ein leiser Sprecher. Von Gullah hatte er noch nie gehört, kaum ein Europäer wusste von der Kultur, diesem Gemisch aus westafrikanischen Riten, Sprachen und geheimen Codes der Sklaven und ihrer Nachfahren. Selbst Amerikanern war Gullah m
Details
Erscheinungsjahr: 2010
Medium: Buch
Seiten: 192
Inhalt: 192 S.
ISBN-13: 9783866481350
ISBN-10: 3866481357
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Buono, Zora del
sandthorquaihof: Sandthorquaihof
mareverlag gmbh & co ohg: mareverlag GmbH & Co oHG
Maße: 210 x 134 x 20 mm
Von/Mit: Zora del Buono
Erscheinungsdatum: 24.08.2010
Gewicht: 0,312 kg
preigu-id: 101093559
Details
Erscheinungsjahr: 2010
Medium: Buch
Seiten: 192
Inhalt: 192 S.
ISBN-13: 9783866481350
ISBN-10: 3866481357
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Buono, Zora del
sandthorquaihof: Sandthorquaihof
mareverlag gmbh & co ohg: mareverlag GmbH & Co oHG
Maße: 210 x 134 x 20 mm
Von/Mit: Zora del Buono
Erscheinungsdatum: 24.08.2010
Gewicht: 0,312 kg
preigu-id: 101093559
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