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BABY
Erzählungen, Reihe 1 7, Deutschsprachige und internationale Gegenwartsliteratur
Buch von Paula Bomer
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
In der Nacht, als sie starb, sah er sie aus dem Bad zurückkommen. Im Halbschlaf, mitten in der Nacht sah er sie. Sie hatte ein dünnes weißes Nachthemd an, ihre Arme waren leuchtendrot und klatschnass. Sie hustete so laut, dass er sich aufsetzte, so sehr hatte das Geräusch ihn erschreckt. Sie legte die nackten Hände über den Mund, und als sie sie von ihrem zitternden Gesicht wegnahm, tropfte eine dunkle Flüssigkeit von den Fingern auf den Boden. 'Ich sterbe. Ich glaube, ich sterbe, und ich habe Angst.''Gleich morgen früh gehen wir zum Arzt', sagte James leise, 'das kriegen wir wieder hin.' Hatte er das geglaubt? Aber nein, James glaubte an gar nichts mehr. Er wusste einfach, was zu sagen war, wenn etwas zu sagen war.'Ich hab solche Angst', sagte sie und rieb die schmutzigen Hände am Nachthemd auf und ab. Ihre Stimme war nicht mehr die ihre. James schloss, mitten in der Nacht, dass das, was sie von sich gab, keinen Sinn ergab, denn er erkannte ja ihre Stimme nicht wieder.'Geh wieder schlafen. Geh einfach wieder schlafen.'Als sie sich dem Bett näherte, schlug ihm ein so giftiger Geruch entgegen, dass er sein Gesicht schnell im Kissen verbarg und sich am äußersten Rand der riesigen Matratze zusammenrollte. Dort, in dieser Stellung, so weit vom Tod entfernt wie nur irgend möglich, ohne seine Frau in diesem Zimmer alleine zu lassen, schlief er neben ihr ein, während das, was von ihr in ihrem Innern noch übrig war, aufhörte zu existieren. Er schämte sich nicht, wenn er daran dachte. Aber er war verwundert. Wie können wir so leben? So sterben? Es war doch nicht möglich, dass ihr gemeinsames Leben wirklich so schäbig war. War seine Frau vielleicht gestorben, weil sie nicht gelebt hatte? Mein Gott, warum hatte er nichts dagegen unternommen? Warum hatte er sie so krank werden lassen? Warum hatte sie sich so gehen lassen?Sie waren keine mutigen Menschen, angesichts des Lebens nicht, und eindeutig auch nicht jetzt, im Angesicht des Todes. Die Kälte ihres Todes würde schon bald auf ihn übergreifen, er spürte es in der Distanz zu seinem eigenen Körper. Die Sonne in Florida konnte ihn auch nur ein wenig aufwärmen. Er würde sie vermissen, so, wie er einen abgeschnittenen Arm vermissen würde. Er würde sich schämen als ob er einen körperlichen Makel hätte, der für die ganze Welt offensichtlich war. So könnte er mit der Trauer umgehen, über Scham und Erniedrigung, über das öffentliche Eingeständnis seines gescheiterten Lebens.Das Klingeln des Telefons schreckte James auf. Und das klingelnde Telefon (er würde nicht rangehen) brachte ihn dazu, seinen Blick von der Straße ab- und zum Haus hinzuwenden, wo seine beiden Kinder auf ihn zukamen, durch den abgedunkelten, engen Durchgang ihres Ferienhauses, die Gesichter im Schatten, verdeckt, konturlose Geschöpfe, die auf ihn zustürzten, auf ihn, der draußen in der Sonne saß. Angst packte ihn. Warum hatten sie aufgehört zu fernsehen? O Gott, wenn sie doch einfach für immer weiter fernsehen würden, dann wäre alles o. k.! Sie kamen auf ihn zu, wie Monster, rot und verbrannt und von seinem Platz aus riesenhaft. Er wollte ihnen nicht in die Augen sehen, nicht jetzt, noch nicht.Dabei waren sie doch bloß seine Kinder. Aber sie würden Fragen an ihn haben, die er ihnen nicht beantworten konnte. Sie kamen. So schnell, und so früh, wie Tiere würden sie über ihn herfallen. Überall auf ihm herumkriechen. Er war darauf nicht vorbereitet, überhaupt nicht, und das war bedeutungslos.Aus der Erzählung: Galoppierende Infektion
In der Nacht, als sie starb, sah er sie aus dem Bad zurückkommen. Im Halbschlaf, mitten in der Nacht sah er sie. Sie hatte ein dünnes weißes Nachthemd an, ihre Arme waren leuchtendrot und klatschnass. Sie hustete so laut, dass er sich aufsetzte, so sehr hatte das Geräusch ihn erschreckt. Sie legte die nackten Hände über den Mund, und als sie sie von ihrem zitternden Gesicht wegnahm, tropfte eine dunkle Flüssigkeit von den Fingern auf den Boden. 'Ich sterbe. Ich glaube, ich sterbe, und ich habe Angst.''Gleich morgen früh gehen wir zum Arzt', sagte James leise, 'das kriegen wir wieder hin.' Hatte er das geglaubt? Aber nein, James glaubte an gar nichts mehr. Er wusste einfach, was zu sagen war, wenn etwas zu sagen war.'Ich hab solche Angst', sagte sie und rieb die schmutzigen Hände am Nachthemd auf und ab. Ihre Stimme war nicht mehr die ihre. James schloss, mitten in der Nacht, dass das, was sie von sich gab, keinen Sinn ergab, denn er erkannte ja ihre Stimme nicht wieder.'Geh wieder schlafen. Geh einfach wieder schlafen.'Als sie sich dem Bett näherte, schlug ihm ein so giftiger Geruch entgegen, dass er sein Gesicht schnell im Kissen verbarg und sich am äußersten Rand der riesigen Matratze zusammenrollte. Dort, in dieser Stellung, so weit vom Tod entfernt wie nur irgend möglich, ohne seine Frau in diesem Zimmer alleine zu lassen, schlief er neben ihr ein, während das, was von ihr in ihrem Innern noch übrig war, aufhörte zu existieren. Er schämte sich nicht, wenn er daran dachte. Aber er war verwundert. Wie können wir so leben? So sterben? Es war doch nicht möglich, dass ihr gemeinsames Leben wirklich so schäbig war. War seine Frau vielleicht gestorben, weil sie nicht gelebt hatte? Mein Gott, warum hatte er nichts dagegen unternommen? Warum hatte er sie so krank werden lassen? Warum hatte sie sich so gehen lassen?Sie waren keine mutigen Menschen, angesichts des Lebens nicht, und eindeutig auch nicht jetzt, im Angesicht des Todes. Die Kälte ihres Todes würde schon bald auf ihn übergreifen, er spürte es in der Distanz zu seinem eigenen Körper. Die Sonne in Florida konnte ihn auch nur ein wenig aufwärmen. Er würde sie vermissen, so, wie er einen abgeschnittenen Arm vermissen würde. Er würde sich schämen als ob er einen körperlichen Makel hätte, der für die ganze Welt offensichtlich war. So könnte er mit der Trauer umgehen, über Scham und Erniedrigung, über das öffentliche Eingeständnis seines gescheiterten Lebens.Das Klingeln des Telefons schreckte James auf. Und das klingelnde Telefon (er würde nicht rangehen) brachte ihn dazu, seinen Blick von der Straße ab- und zum Haus hinzuwenden, wo seine beiden Kinder auf ihn zukamen, durch den abgedunkelten, engen Durchgang ihres Ferienhauses, die Gesichter im Schatten, verdeckt, konturlose Geschöpfe, die auf ihn zustürzten, auf ihn, der draußen in der Sonne saß. Angst packte ihn. Warum hatten sie aufgehört zu fernsehen? O Gott, wenn sie doch einfach für immer weiter fernsehen würden, dann wäre alles o. k.! Sie kamen auf ihn zu, wie Monster, rot und verbrannt und von seinem Platz aus riesenhaft. Er wollte ihnen nicht in die Augen sehen, nicht jetzt, noch nicht.Dabei waren sie doch bloß seine Kinder. Aber sie würden Fragen an ihn haben, die er ihnen nicht beantworten konnte. Sie kamen. So schnell, und so früh, wie Tiere würden sie über ihn herfallen. Überall auf ihm herumkriechen. Er war darauf nicht vorbereitet, überhaupt nicht, und das war bedeutungslos.Aus der Erzählung: Galoppierende Infektion
Details
Erscheinungsjahr: 2014
Medium: Buch
Seiten: 187
Originaltitel: BABY & other stories
Inhalt: 187 S.
ISBN-13: 9783944122083
ISBN-10: 3944122089
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Bomer, Paula
Übersetzung: Christine Koschmieder/Rainer Höltschl
open house verlag: Open House Verlag
inh. dr. rainer höltschl: Inh. Dr. Rainer Höltschl
Maße: 206 x 129 x 20 mm
Von/Mit: Paula Bomer
Erscheinungsdatum: 03.03.2014
Gewicht: 0,308 kg
preigu-id: 105504949
Details
Erscheinungsjahr: 2014
Medium: Buch
Seiten: 187
Originaltitel: BABY & other stories
Inhalt: 187 S.
ISBN-13: 9783944122083
ISBN-10: 3944122089
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Bomer, Paula
Übersetzung: Christine Koschmieder/Rainer Höltschl
open house verlag: Open House Verlag
inh. dr. rainer höltschl: Inh. Dr. Rainer Höltschl
Maße: 206 x 129 x 20 mm
Von/Mit: Paula Bomer
Erscheinungsdatum: 03.03.2014
Gewicht: 0,308 kg
preigu-id: 105504949
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