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Ascheland
Roman
Buch von Oliver Kyr
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
1. März 2023, nördlicher SchwarzwaldDas dunkle Holz der Stiege seufzt unter meinen Schritten. Ich starre hinauf, dem fleckigen Kleid der Frau hinterher, bemüht, Schritt zu halten. Sie hat es eilig. Das linke Bein setzt sie vorsichtiger auf als das andere. Ihre rechte Hand mit den frisch, aber unsauber lackierten Fingernägeln hebt den fleckigen Rock eine Handbreit. Als ob er noch zu retten wäre. Kurz hält sie inne, lacht unsicher, ein geisterhaftes, verstörendes Geräusch. Dann steigt sie weiter hinauf. Ohne sich nach mir umzudrehen. Der violette, grob gestrickte Schal auf ihren Schultern verleiht ihr etwas eigenartig Pastorales.Ich zwinge mich, nicht an den armen Kerl unten in der Wohnküche zu denken. Wie er da hockt, traurig und stumm, den Blick ins erbärmliche Feuer des alten Kachelofens gerichtet. Seinen Filzhut in den Händen drehend und windend, als ob er eine andere Gegenwart aus dem Stoff wringen könnte.Die Frau heißt Brigitte, sagt sie. Ich registriere den Namen und lasse ihn sofort wieder los. Es ist ein Tauschgeschäft, kein Kennenlernen. Sie muss hübsch gewesen sein, damals, vor ein paar Jahren, vor einer Ewigkeit. Schön sogar. Ein Bild von ihr steht unten auf einer von Würmern zerfressenen Anrichte. Langes, dunkelblondes Haar, strahlende Augen, ein Lächeln zum Sterben.Jetzt ist davon nicht mehr viel übrig.Wir sind jetzt oben. Sie öffnet eine schwere Tür, und wir betreten einen dunklen, kleinen Raum, dessen muffige und schwere Luft mir den Atem raubt. Die Frau entzündet eine kleine Petroleumlampe. Aus dem von Ruß geschwärzten Glas schaut mich mein eigenes Gesicht an. Kurz nur, dann drehe ich mich weg.Ich kann die Frau nicht anschauen und mich selbst noch weniger.Ich sollte daran gewöhnt sein, nach all der Zeit. Aber noch immer drängt das Bild des Kerls unten in der Stube in mein Bewusstsein. Ich bin seine einzige Chance auf einen Neuanfang, aber der Weg dorthin raubt ihm den Verstand.Natürlich.Die Frau schlüpft mit einer schnellen Bewegung aus ihren Kleidern. Wie ein zerplatzter Traum taumelt der fleckige Rock mit dem Spitzensaum zu Boden und bleibt liegen.Ich begegne dem unsicheren Blick der Frau, und schenke ihr ein dünnes Lächeln.Ein Lächeln, das ich geprobt habe, im Spiegel ruhiger Seen.Ein Lächeln, das ihr Sicherheit geben soll. Die Sicherheit, das Richtige zu tun. Und mir die Sicherheit von Nahrung und Unterkunft. Wenn du etwas bekommen willst, musst du etwas geben. Das einzige Gesetz der neuen Welt.Ich ziehe den nackten Körper der Frau zu mir hin und wische den säuerlichen Geruch, der ihr entströmt, aus meinem Bewusstsein. Sie schaut zu Boden, während ihre Hände kraftlos herunter hängen. Ihre kleinen Fußzehen stoßen gegen meine schweren Stiefel, dann fällt ihr Kopf an meine Schulter und sie weint. Ganz leise.Ich streiche ihr übers strohige Haar. Dann drücke ich sie sanft von mir weg und streife meine schwere Kleidung ab. Führe sie zu dem breiten Bett mit den Schnitzereien am Kopfteil: ein Eber, eine Hirschkuh, ein Fuchs. Primitiv ins helle Holz gearbeitet. Der Kerl unten war wohl Jäger. Oder ist es immer noch.Die Frau zittert, und ich decke sie mit der struppigen Wolldecke zu, die am Fußende liegt. Ich lege meine Hand sanft auf ihre Augen, und sie schließt die Lider.Ich lege meine Lippen auf ihre, und sie öffnet den Mund. Ich atme warme, stickige Luft aus ihrer Mundhöhle und schließe selbst die Augen. Ihr Atem riecht nach kaltem Braten und Hoffnungslosigkeit, nach feuchter Erde und trockenem Stroh.Ich stelle sie mir vor, wie sie auf dem Foto unten aussieht. Das lange, dunkelblonde Haar. Der zauberhafte Blick. Die Sommersprossen rund um ihren vollen Mund.Ich träume sie mir schöner. Damit es schneller geht.Die Frau beginnt zu stöhnen, leise, fast unhörbar. Vermutlich, um sich selbst in trügerische Leidenschaft zu wiegen. Es ist mir egal. Alles, was hilft, ist willkommen. Ihre Hände beginnen, mich zu berühren. Legen sich wie kalte Frösche auf meinen Rücken und mein Hinterteil. Ihr Mund will den
1. März 2023, nördlicher SchwarzwaldDas dunkle Holz der Stiege seufzt unter meinen Schritten. Ich starre hinauf, dem fleckigen Kleid der Frau hinterher, bemüht, Schritt zu halten. Sie hat es eilig. Das linke Bein setzt sie vorsichtiger auf als das andere. Ihre rechte Hand mit den frisch, aber unsauber lackierten Fingernägeln hebt den fleckigen Rock eine Handbreit. Als ob er noch zu retten wäre. Kurz hält sie inne, lacht unsicher, ein geisterhaftes, verstörendes Geräusch. Dann steigt sie weiter hinauf. Ohne sich nach mir umzudrehen. Der violette, grob gestrickte Schal auf ihren Schultern verleiht ihr etwas eigenartig Pastorales.Ich zwinge mich, nicht an den armen Kerl unten in der Wohnküche zu denken. Wie er da hockt, traurig und stumm, den Blick ins erbärmliche Feuer des alten Kachelofens gerichtet. Seinen Filzhut in den Händen drehend und windend, als ob er eine andere Gegenwart aus dem Stoff wringen könnte.Die Frau heißt Brigitte, sagt sie. Ich registriere den Namen und lasse ihn sofort wieder los. Es ist ein Tauschgeschäft, kein Kennenlernen. Sie muss hübsch gewesen sein, damals, vor ein paar Jahren, vor einer Ewigkeit. Schön sogar. Ein Bild von ihr steht unten auf einer von Würmern zerfressenen Anrichte. Langes, dunkelblondes Haar, strahlende Augen, ein Lächeln zum Sterben.Jetzt ist davon nicht mehr viel übrig.Wir sind jetzt oben. Sie öffnet eine schwere Tür, und wir betreten einen dunklen, kleinen Raum, dessen muffige und schwere Luft mir den Atem raubt. Die Frau entzündet eine kleine Petroleumlampe. Aus dem von Ruß geschwärzten Glas schaut mich mein eigenes Gesicht an. Kurz nur, dann drehe ich mich weg.Ich kann die Frau nicht anschauen und mich selbst noch weniger.Ich sollte daran gewöhnt sein, nach all der Zeit. Aber noch immer drängt das Bild des Kerls unten in der Stube in mein Bewusstsein. Ich bin seine einzige Chance auf einen Neuanfang, aber der Weg dorthin raubt ihm den Verstand.Natürlich.Die Frau schlüpft mit einer schnellen Bewegung aus ihren Kleidern. Wie ein zerplatzter Traum taumelt der fleckige Rock mit dem Spitzensaum zu Boden und bleibt liegen.Ich begegne dem unsicheren Blick der Frau, und schenke ihr ein dünnes Lächeln.Ein Lächeln, das ich geprobt habe, im Spiegel ruhiger Seen.Ein Lächeln, das ihr Sicherheit geben soll. Die Sicherheit, das Richtige zu tun. Und mir die Sicherheit von Nahrung und Unterkunft. Wenn du etwas bekommen willst, musst du etwas geben. Das einzige Gesetz der neuen Welt.Ich ziehe den nackten Körper der Frau zu mir hin und wische den säuerlichen Geruch, der ihr entströmt, aus meinem Bewusstsein. Sie schaut zu Boden, während ihre Hände kraftlos herunter hängen. Ihre kleinen Fußzehen stoßen gegen meine schweren Stiefel, dann fällt ihr Kopf an meine Schulter und sie weint. Ganz leise.Ich streiche ihr übers strohige Haar. Dann drücke ich sie sanft von mir weg und streife meine schwere Kleidung ab. Führe sie zu dem breiten Bett mit den Schnitzereien am Kopfteil: ein Eber, eine Hirschkuh, ein Fuchs. Primitiv ins helle Holz gearbeitet. Der Kerl unten war wohl Jäger. Oder ist es immer noch.Die Frau zittert, und ich decke sie mit der struppigen Wolldecke zu, die am Fußende liegt. Ich lege meine Hand sanft auf ihre Augen, und sie schließt die Lider.Ich lege meine Lippen auf ihre, und sie öffnet den Mund. Ich atme warme, stickige Luft aus ihrer Mundhöhle und schließe selbst die Augen. Ihr Atem riecht nach kaltem Braten und Hoffnungslosigkeit, nach feuchter Erde und trockenem Stroh.Ich stelle sie mir vor, wie sie auf dem Foto unten aussieht. Das lange, dunkelblonde Haar. Der zauberhafte Blick. Die Sommersprossen rund um ihren vollen Mund.Ich träume sie mir schöner. Damit es schneller geht.Die Frau beginnt zu stöhnen, leise, fast unhörbar. Vermutlich, um sich selbst in trügerische Leidenschaft zu wiegen. Es ist mir egal. Alles, was hilft, ist willkommen. Ihre Hände beginnen, mich zu berühren. Legen sich wie kalte Frösche auf meinen Rücken und mein Hinterteil. Ihr Mund will den
Details
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Romane & Erzählungen
Rubrik: Belletristik
Medium: Buch
Seiten: 220
Inhalt: 220 S.
ISBN-13: 9783862824489
ISBN-10: 3862824489
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Kyr, Oliver
Besonderheit: Unsere Aufsteiger
acabus: acabus
imprint der bedey & thoms media gmbh: Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Maße: 218 x 148 x 20 mm
Von/Mit: Oliver Kyr
Erscheinungsdatum: 25.10.2016
Gewicht: 0,355 kg
preigu-id: 107670518
Details
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Romane & Erzählungen
Rubrik: Belletristik
Medium: Buch
Seiten: 220
Inhalt: 220 S.
ISBN-13: 9783862824489
ISBN-10: 3862824489
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Kyr, Oliver
Besonderheit: Unsere Aufsteiger
acabus: acabus
imprint der bedey & thoms media gmbh: Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Maße: 218 x 148 x 20 mm
Von/Mit: Oliver Kyr
Erscheinungsdatum: 25.10.2016
Gewicht: 0,355 kg
preigu-id: 107670518
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