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Antonia Forster
Die Schwester des Weltreisenden, Historischer Roman
Buch von Judith Macheiner
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
1791Möwen im WindAntonia zog sich das Tuch fester um die Schultern zusammen. Es war ein heller Tag an diesem Sonntag im frühen Oktober, aber die Sonne war schon zu schwach gegen den böigen Ostwind, der die Möwen immer wieder ein Stück flussabwärts trieb und die Wimpel über den Bootsmasten laut knattern ließ. Sie war froh um die unbesetzte Bank auf dem Weidendamm gegenüber von Monbijou, da sie nun doch schon über eine Stunde durch Werder und Alt-Cölln unterwegs gewesen war. Die Spree war an dieser Stelle ein gutes Stück breiter als in dem Abschnitt zwischen dem Mühlendamm und der Friedrichsbrücke, der Berlin und Cölln trennte, aber ein richtiger Fluss, wie die Themse oder die Donau, war sie auch hier nicht. Vom Schloss gegenüber konnte man allerdings nur ein paar Dächer sehen, da die Fassade hinter einem ganzen Labyrinth von haushohen Hecken verborgen lag. In Nicolais Beschreibung von Berlin hatte sie gelesen, dass die Residenz von Sophie Dorothea, der Mutter des großen Friedrich, seit ihrem Tode nicht mehr bewohnt war. Im Sommer wurde darin noch gelegentlich getafelt, wie gestern, wo dort große Cour en Robe gewesen war. Die Komtess Wallmoden hatte nicht teilgenommen, doch morgen Abend würden sich wieder alle, die dazugehören wollten, in der Oper versammeln, sodass Antonias Vorstellungsgespräch davor bei der kurländischen Herzogin schon deshalb nicht sehr viel Zeit in Anspruch nehmen konnte. Beim Gedanken daran begann ihr Herz schneller zu schlagen, und sie ermahnte sich, heute möglichst wenig an den morgigen Nachmittag zu denken, an dem über die vertraglichen Grundlagen ihres Neuanfangs entschieden würde. Jetzt war sie schon seit zwei Wochen in der preußischen Metropole, aber obwohl sie die Hofetikette von den meisten gesellschaftlichen Ereignissen dieser Tage dispensierte, war ihr neben der kritischen Aufsichtspflicht über ihre kleine Komtess keine Zeit geblieben, sich die berühmten Plätze und Bauten in Berlin anzusehen - wobei der Trubel der Doppelhochzeit der preußischen Prinzessinnen mit dem Gedränge von über zwanzigtausend Menschen Stadtbesichtigungen ohnehin erst einmal ausgeschlossen hatte. Immer neue Windböen fuhren über das Wasser und verwischten das Spiegelbild der Hecken vom Schlossgarten, kaum dass es im Morgenlicht entstand. Antonia sah die kurzen Wellen gegen die Planken der Boote schlagen, die mit ihren Frachten auf der Spree unterwegs waren, und sah für eine kurze Weile der Fähre zu, die sich von der gegenüberliegenden Seite löste. Diesmal, dachte sie, würde sie ohne Schiff zu ihrem neuen Lebensort reisen.Antonia liebte Boote und das Leben am und auf dem Wasser. Sie hatte ihre früheste Kindheit an einem kleinen Nebenarm der Wissla in der Nähe von Danzig zugebracht und jede neue Phase ihres Lebens hatte bisher mit einer Fahrt über das Meer begonnen. Da war die Reise nach England, als sie gerade einmal acht Jahre alt war, und zehn Jahre später die Überfahrt über den Kanal, mit der ihre Zeit in Wien begann. Und dann die zwei Mal neun Wochen auf hoher See zwischen Amsterdam und Paramaribo, als sie Mitte Zwanzig, auf ihre Weise, den Spuren ihres berühmten Bruders folgte. Dagegen waren allerdings die letzten Überfahrten von Hamburg nach Kopenhagen zur Familie des Grafen Bernstorff und drei Jahre später wieder zurück, um ihre jetzige Stelle in Hannover anzutreten, kaum mehr nennenswert. Wenn das Angebot aus Kurland früher gekommen wäre, hätte sie ja noch entlang der Küste nach Danzig fahren können. Die Reisen übers Wasser ersparten einem doch viele Unannehmlichkeiten, die auf den Landwegen unvermeidlich waren. Und wenn man die Gefahren einer Seereise überstanden hatte, war man dem Leben wie neu wiedergegeben - fortlaufende Achsenbrüche oder im Schlamm steckengebliebene Wagenräder waren nur enervierend. Ein Schwarm Krähen ließ sich unter lautem Gekrächz auf dem großen, alten Weidenbaum neben ihrer Bank nieder, flog aber gleich wieder auf und weiter in Richtung des Kastanienwäldchens am Festungsgraben. Dort waren sie of
1791Möwen im WindAntonia zog sich das Tuch fester um die Schultern zusammen. Es war ein heller Tag an diesem Sonntag im frühen Oktober, aber die Sonne war schon zu schwach gegen den böigen Ostwind, der die Möwen immer wieder ein Stück flussabwärts trieb und die Wimpel über den Bootsmasten laut knattern ließ. Sie war froh um die unbesetzte Bank auf dem Weidendamm gegenüber von Monbijou, da sie nun doch schon über eine Stunde durch Werder und Alt-Cölln unterwegs gewesen war. Die Spree war an dieser Stelle ein gutes Stück breiter als in dem Abschnitt zwischen dem Mühlendamm und der Friedrichsbrücke, der Berlin und Cölln trennte, aber ein richtiger Fluss, wie die Themse oder die Donau, war sie auch hier nicht. Vom Schloss gegenüber konnte man allerdings nur ein paar Dächer sehen, da die Fassade hinter einem ganzen Labyrinth von haushohen Hecken verborgen lag. In Nicolais Beschreibung von Berlin hatte sie gelesen, dass die Residenz von Sophie Dorothea, der Mutter des großen Friedrich, seit ihrem Tode nicht mehr bewohnt war. Im Sommer wurde darin noch gelegentlich getafelt, wie gestern, wo dort große Cour en Robe gewesen war. Die Komtess Wallmoden hatte nicht teilgenommen, doch morgen Abend würden sich wieder alle, die dazugehören wollten, in der Oper versammeln, sodass Antonias Vorstellungsgespräch davor bei der kurländischen Herzogin schon deshalb nicht sehr viel Zeit in Anspruch nehmen konnte. Beim Gedanken daran begann ihr Herz schneller zu schlagen, und sie ermahnte sich, heute möglichst wenig an den morgigen Nachmittag zu denken, an dem über die vertraglichen Grundlagen ihres Neuanfangs entschieden würde. Jetzt war sie schon seit zwei Wochen in der preußischen Metropole, aber obwohl sie die Hofetikette von den meisten gesellschaftlichen Ereignissen dieser Tage dispensierte, war ihr neben der kritischen Aufsichtspflicht über ihre kleine Komtess keine Zeit geblieben, sich die berühmten Plätze und Bauten in Berlin anzusehen - wobei der Trubel der Doppelhochzeit der preußischen Prinzessinnen mit dem Gedränge von über zwanzigtausend Menschen Stadtbesichtigungen ohnehin erst einmal ausgeschlossen hatte. Immer neue Windböen fuhren über das Wasser und verwischten das Spiegelbild der Hecken vom Schlossgarten, kaum dass es im Morgenlicht entstand. Antonia sah die kurzen Wellen gegen die Planken der Boote schlagen, die mit ihren Frachten auf der Spree unterwegs waren, und sah für eine kurze Weile der Fähre zu, die sich von der gegenüberliegenden Seite löste. Diesmal, dachte sie, würde sie ohne Schiff zu ihrem neuen Lebensort reisen.Antonia liebte Boote und das Leben am und auf dem Wasser. Sie hatte ihre früheste Kindheit an einem kleinen Nebenarm der Wissla in der Nähe von Danzig zugebracht und jede neue Phase ihres Lebens hatte bisher mit einer Fahrt über das Meer begonnen. Da war die Reise nach England, als sie gerade einmal acht Jahre alt war, und zehn Jahre später die Überfahrt über den Kanal, mit der ihre Zeit in Wien begann. Und dann die zwei Mal neun Wochen auf hoher See zwischen Amsterdam und Paramaribo, als sie Mitte Zwanzig, auf ihre Weise, den Spuren ihres berühmten Bruders folgte. Dagegen waren allerdings die letzten Überfahrten von Hamburg nach Kopenhagen zur Familie des Grafen Bernstorff und drei Jahre später wieder zurück, um ihre jetzige Stelle in Hannover anzutreten, kaum mehr nennenswert. Wenn das Angebot aus Kurland früher gekommen wäre, hätte sie ja noch entlang der Küste nach Danzig fahren können. Die Reisen übers Wasser ersparten einem doch viele Unannehmlichkeiten, die auf den Landwegen unvermeidlich waren. Und wenn man die Gefahren einer Seereise überstanden hatte, war man dem Leben wie neu wiedergegeben - fortlaufende Achsenbrüche oder im Schlamm steckengebliebene Wagenräder waren nur enervierend. Ein Schwarm Krähen ließ sich unter lautem Gekrächz auf dem großen, alten Weidenbaum neben ihrer Bank nieder, flog aber gleich wieder auf und weiter in Richtung des Kastanienwäldchens am Festungsgraben. Dort waren sie of
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