Dekorationsartikel gehören nicht zum Leistungsumfang.
Andere Kinder wohnen auch bei ihren Eltern
Buch von Paul Maar
Mehr von: Oetinger Verlag
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
Wenn ein Schriftsteller in der Ich-Form erzählt, nehmen seine Leser meistens an, er erzähle von sich selbst und habe alles genau so erlebt, wie es in der Geschichte beschrieben ist. Auch wenn der Ich-Erzähler doch Kilian Busser heißt und nicht Paul Maar.
Deshalb möchte ich zuerst einmal sagen: Sowohl Kilian als auch seine Geschichte sind erfunden. Trotzdem muss ich meinen Lesern ein bisschen Recht geben: Ich erzähle tatsächlich vieles so, wie ich es selbst erlebt habe, als ich so alt war, wie der Kilian im Buch. Auch ich bin bei meinen Großeltern auf dem Land aufgewachsen, auch mein Großvater war Büttner und hat die Fässer noch so gefertigt, wie es im Buch beschrieben ist. Als ich elf Jahre alt war, kam mein Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurück, ich musste meinen Freunden im Dorf Lebewohl sagen, denn wir zogen in die Stadt. Ich fühlte mich einsam in der neuen Umgebung, fand lange keine Freunde und hatte Sehnsucht nach "meinem" Dorf, wo sich alle kannten und mit Vornamen ansprachen. Aber im Gegensatz zu Kilians Eltern hatte meine nichts dagegen, wenn ich Oma und Opa besuchte. Zwei-, dreimal pro Woche schwang ich mich nach dem Mittagessen aufs Fahrrad, fuhr die zwanzig Kilometer bis zu dem Dorf, in dem ich meine Kindheit verbracht hatte, besuchte die Großeltern und meine alten Freunde und fuhr am späten Nachmittag zurück in die Stadt. Weil ich das alles in den 50er Jahren erlebt, habe ich Kilians Geschichte in dieser Zeit angesiedelt. Eine Zeit, die den heutigen Jugendlichen ziemlich fremd vorkommen muss.
Damals war ein Plattenspieler noch ein Luxus, den sich nur wenige Familien leisten konnten. Es gab einen einzigen Fernsehsender, der gerade mal vier Stunden pro Tag Programm ausstrahlte (das Zweite Deutsche Fernsehen kam erst ein paar Jahre später hinzu), und es war keineswegs üblich, in der Familie fernzusehen. Dazu ging man abends in die Gastwirtschaft, wo das einzige Fernsehgerät des ganzen Stadtviertels hoch oben an der Wand angebracht war, sodass alle gut sehen konnten, und schaute sich zusammen mit den anderen Gästen die Krimiserien von Francis Durbridge oder die Caterina-Valente-Show an. Elvis Presley leistete damals gerade seinen Wehrdienst in Deutschland ab und sein Produzent kam auf die schräge Idee, ihn auch in Deutschland populär zu machen, indem er ihn "Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus" singen ließ. Das brachte ihm tatsächlich unter den älteren Deutschen einige neue Freunde ein. Wir Jungen betrachteten das als Verrat an der Rockmusik und hörten eine Zeit lang aus Protest keine Presley-Songs mehr.
Lubber und ich sparten unser Taschengeld und ich brachte ihm aus der Stadt "Rock around the Clock" von Bill Haley and the Comets mit. Das hörten wir dann bei jedem meiner Besuche. Lubber besaß den einzigen Plattenspieler im Dorf, ein winziges Gerät, auf dem man nur die untertassengroßen schwarzen Singles abspielen konnte, keine 33er Langspielplatten. (Die CD war noch lange nicht erfunden).
Wenn ich als Erwachsener zurückschaue auf diese Zeit, begreife ich, dass ich mich selbst isolierte und nicht den geringsten Versuch unternahm, mich an mein neues Zuhause zu gewöhnen. Ich lebte in der Vergangenheit und hatte wenig Interesse an der Gegenwart, auch nicht für die Schule.
Die Schulklassen damals waren sehr, sehr groß. Ich erinnere mich, dass weit mehr als 50 Schüler mit mir in fünf langen Bankreihen im Klassenzimmer saßen. Viele Lehrer kannten selbst am Ende des Schuljahrs nicht die Namen aller Schüler. Da fiel es kaum auf, wenn jemand fehlte. Das nützte ich aus, schwänzte immer öfter den Unterricht und fuhr mit dem Schulranzen auf dem Gepäckträger zu meinen Großeltern. Die konnten zwar nicht recht glauben, dass bei uns der Unterricht schon wieder "wegen Krankheit des Lehrers" ausgefallen war, forschten aber nicht weiter nach, weil sie sich so sehr über meine Besuche freuten. Ich unterhielt mich in der Küche mit meiner Großmutter, half meinem Großvater bei der Arbeit in der Werkstatt oder machte einen Rundgang durchs Dorf, in der Hoffnung, alte Freunde zu treffen.
Nach drei Stunden schwang ich mich wieder aufs Rad und fuhr zurück in die Stadt, um rechtzeitig zum Mittagessen zu Hause zu sein. Ganz so, als käme ich geradewegs aus der Schule.
Und da ich auch an den meisten Nachmittagen lieber vierzig Kilometer mit dem Rad fuhr als Hausaufgaben zu machen oder Vokabeln zu lernen, kam es, wie es kommen musste: Ich hatte, wie es unser Klassenlehrer beim Austeilen der Zeugnisse formulierte, "das Klassenziel wie vorauszusehen nicht erreicht" und musste die Klasse wiederholen.
Das war ein großes Glück. Denn in der neuen Klasse fand ich bald Freunde, mit denen ich mich gut verstand. Die Fahrradtouren ins Dorf meiner Kindheit wurden seltener, meine alten Freunde besuchte ich jetzt nur noch in den Ferien. Ich hatte mein neues Zuhause endlich akzeptiert, nun war die Stadt meine Heimat.
Wenn ein Schriftsteller in der Ich-Form erzählt, nehmen seine Leser meistens an, er erzähle von sich selbst und habe alles genau so erlebt, wie es in der Geschichte beschrieben ist. Auch wenn der Ich-Erzähler doch Kilian Busser heißt und nicht Paul Maar.
Deshalb möchte ich zuerst einmal sagen: Sowohl Kilian als auch seine Geschichte sind erfunden. Trotzdem muss ich meinen Lesern ein bisschen Recht geben: Ich erzähle tatsächlich vieles so, wie ich es selbst erlebt habe, als ich so alt war, wie der Kilian im Buch. Auch ich bin bei meinen Großeltern auf dem Land aufgewachsen, auch mein Großvater war Büttner und hat die Fässer noch so gefertigt, wie es im Buch beschrieben ist. Als ich elf Jahre alt war, kam mein Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurück, ich musste meinen Freunden im Dorf Lebewohl sagen, denn wir zogen in die Stadt. Ich fühlte mich einsam in der neuen Umgebung, fand lange keine Freunde und hatte Sehnsucht nach "meinem" Dorf, wo sich alle kannten und mit Vornamen ansprachen. Aber im Gegensatz zu Kilians Eltern hatte meine nichts dagegen, wenn ich Oma und Opa besuchte. Zwei-, dreimal pro Woche schwang ich mich nach dem Mittagessen aufs Fahrrad, fuhr die zwanzig Kilometer bis zu dem Dorf, in dem ich meine Kindheit verbracht hatte, besuchte die Großeltern und meine alten Freunde und fuhr am späten Nachmittag zurück in die Stadt. Weil ich das alles in den 50er Jahren erlebt, habe ich Kilians Geschichte in dieser Zeit angesiedelt. Eine Zeit, die den heutigen Jugendlichen ziemlich fremd vorkommen muss.
Damals war ein Plattenspieler noch ein Luxus, den sich nur wenige Familien leisten konnten. Es gab einen einzigen Fernsehsender, der gerade mal vier Stunden pro Tag Programm ausstrahlte (das Zweite Deutsche Fernsehen kam erst ein paar Jahre später hinzu), und es war keineswegs üblich, in der Familie fernzusehen. Dazu ging man abends in die Gastwirtschaft, wo das einzige Fernsehgerät des ganzen Stadtviertels hoch oben an der Wand angebracht war, sodass alle gut sehen konnten, und schaute sich zusammen mit den anderen Gästen die Krimiserien von Francis Durbridge oder die Caterina-Valente-Show an. Elvis Presley leistete damals gerade seinen Wehrdienst in Deutschland ab und sein Produzent kam auf die schräge Idee, ihn auch in Deutschland populär zu machen, indem er ihn "Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus" singen ließ. Das brachte ihm tatsächlich unter den älteren Deutschen einige neue Freunde ein. Wir Jungen betrachteten das als Verrat an der Rockmusik und hörten eine Zeit lang aus Protest keine Presley-Songs mehr.
Lubber und ich sparten unser Taschengeld und ich brachte ihm aus der Stadt "Rock around the Clock" von Bill Haley and the Comets mit. Das hörten wir dann bei jedem meiner Besuche. Lubber besaß den einzigen Plattenspieler im Dorf, ein winziges Gerät, auf dem man nur die untertassengroßen schwarzen Singles abspielen konnte, keine 33er Langspielplatten. (Die CD war noch lange nicht erfunden).
Wenn ich als Erwachsener zurückschaue auf diese Zeit, begreife ich, dass ich mich selbst isolierte und nicht den geringsten Versuch unternahm, mich an mein neues Zuhause zu gewöhnen. Ich lebte in der Vergangenheit und hatte wenig Interesse an der Gegenwart, auch nicht für die Schule.
Die Schulklassen damals waren sehr, sehr groß. Ich erinnere mich, dass weit mehr als 50 Schüler mit mir in fünf langen Bankreihen im Klassenzimmer saßen. Viele Lehrer kannten selbst am Ende des Schuljahrs nicht die Namen aller Schüler. Da fiel es kaum auf, wenn jemand fehlte. Das nützte ich aus, schwänzte immer öfter den Unterricht und fuhr mit dem Schulranzen auf dem Gepäckträger zu meinen Großeltern. Die konnten zwar nicht recht glauben, dass bei uns der Unterricht schon wieder "wegen Krankheit des Lehrers" ausgefallen war, forschten aber nicht weiter nach, weil sie sich so sehr über meine Besuche freuten. Ich unterhielt mich in der Küche mit meiner Großmutter, half meinem Großvater bei der Arbeit in der Werkstatt oder machte einen Rundgang durchs Dorf, in der Hoffnung, alte Freunde zu treffen.
Nach drei Stunden schwang ich mich wieder aufs Rad und fuhr zurück in die Stadt, um rechtzeitig zum Mittagessen zu Hause zu sein. Ganz so, als käme ich geradewegs aus der Schule.
Und da ich auch an den meisten Nachmittagen lieber vierzig Kilometer mit dem Rad fuhr als Hausaufgaben zu machen oder Vokabeln zu lernen, kam es, wie es kommen musste: Ich hatte, wie es unser Klassenlehrer beim Austeilen der Zeugnisse formulierte, "das Klassenziel wie vorauszusehen nicht erreicht" und musste die Klasse wiederholen.
Das war ein großes Glück. Denn in der neuen Klasse fand ich bald Freunde, mit denen ich mich gut verstand. Die Fahrradtouren ins Dorf meiner Kindheit wurden seltener, meine alten Freunde besuchte ich jetzt nur noch in den Ferien. Ich hatte mein neues Zuhause endlich akzeptiert, nun war die Stadt meine Heimat.
Details
Empfohlen (bis): 14
Empfohlen (von): 12
Erscheinungsjahr: 2002
Medium: Buch
Seiten: 144
Inhalt: 144 S.
ISBN-13: 9783789142345
ISBN-10: 3789142344
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Maar, Paul
Illustrator: Susanne Heeder
verlag friedrich oetinger gmbh: Verlag Friedrich Oetinger GmbH
Maße: 208 x 135 x 15 mm
Von/Mit: Paul Maar
Erscheinungsdatum: 25.08.2002
Gewicht: 0,277 kg
preigu-id: 103569204
Details
Empfohlen (bis): 14
Empfohlen (von): 12
Erscheinungsjahr: 2002
Medium: Buch
Seiten: 144
Inhalt: 144 S.
ISBN-13: 9783789142345
ISBN-10: 3789142344
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Maar, Paul
Illustrator: Susanne Heeder
verlag friedrich oetinger gmbh: Verlag Friedrich Oetinger GmbH
Maße: 208 x 135 x 15 mm
Von/Mit: Paul Maar
Erscheinungsdatum: 25.08.2002
Gewicht: 0,277 kg
preigu-id: 103569204
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