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An den inneren Ufern Indiens
Eine Reise entlang des Ganges
Buch von Ilija Trojanow
Sprache: Deutsch

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Beschreibung
Der Ganges wird in Indien Ganga genannt, in respektvoller Anrede Gangaji, in liebevoller Hinwendung Ganga Mataji (Mutter Ganges). Sadhus (Eremiten) und Pujaris (Priester) kennen weitere 108 oder gar 1000 Namen des Ganges. Es gilt ihnen alsSünde, Ganga "Fluß" oder "Wasser" zu nennen.
I.
Tropfen von der Locke Gottes
Der Mann zieht die Ziege in den Ganges hinein, bis ihr das Wasser gegen den Mutterleib schwappt. Mit nassen Händen streicht er ihr über den prallen Bauch. Er bespritzt sie, er flüstert ihr ins Ohr. Dann führt er sie aus dem Wasser, und die Ziege wirft kaum spürt sie Ufer unter den Hufen zwei Zicklein. Der Hirte schneidet die Nabelschnur ab, nimmt die Neugeborenen auf seinen Arm und macht sich auf den Weg ins nahe gelegene Dorf. Der Fluß strömt bedächtig weiter, Fährmänner decken mit ruhigen Pinselstrichen die Kiele der umgedrehten Boote mit Teer ab. Zwei Sadhus füllen ihre Gefäße und grüßen in Gottes Namen. Einige Kühe schlappen lustvoll Wasser. Die Geburt erscheint so selbstverständlich wie das Brummen einer Fliege, wie die Hornhaut auf der Ferse des Fischers. Sie hinterläßt nur ein Stück Nabelschnur auf dem hellbraunen Sand und die Erinnerung an die Entnabelung.
Nicht alles kommt so leise zur Welt. Ganga bricht mit einem anhaltenden Schrei aus dem Gletscher, fällt zur Erde und läuft los, ungestüm, halsüberkopf, um sich schlagend. Shiva hat seinen Kopf hingehalten, Ganga hat sich seines Hauptes bemächtigt; hart beim Aufprall, sanft beim Abfließen stürzt sie von seiner Stirn hinunter, perlt von seinen Locken herab. Ihr stürmisches Rauschen, sein starres Schweigen, unbeweglich bis in die letzte Furche seines Antlitzes. Die Kaskaden schütteln sein Haupt, rütteln ihn aus seiner Versenkung.Shiva kann nicht mehr an sich halten, richtet sich auf und schwingt seine Damru-Trommel. Es klingt wie Eis, das splittert, sich unentwegt spaltet, bis es nur noch aus Tropfen besteht, die von seinen Lippen fallen. Ganga ergreift Shivas Hände, die beiden wirbeln um den Augenblick der Schmelze herum. Der Takt vieler Tropfen wird zu einem Sturzbach.Der Sog schluckt alles, das Echo der Selbstvergessenheit, die eingeschlafenen Felsen, die zwei Hörner, die über demGletscher ragen, als sei dieser die faltige Stirn einer altehrwürdigen Kuh.
Nicht so schnell, haucht die atemlose Ganga.
Schneller, ruft der erregteShiva.
Sie wirbeln weiter.
Ich lag schon Stunden wach, mit Kopfschmerzen, von der Ekstase der Geburt um den Schlaf gebracht. Früh am Morgen waren wir in Gangotri aufgebrochen zu einem langwierigen Aufstieg von zwanzig Kilometern und tausend Höhenmetern. Den Gletscher hatten wir kurz vorSonnenuntergang erreicht und sogleich unser Zelt aufgeschlagen zu nahe am Wasser, wie sich herausstellte. Meine Begleiterin Pac, eine Fotografin, deren Augen im Laufe der Reise alle Schattierungen zwischen Grün und Braun durchwanderten, schlief, ungestört von dem unablässigen Rauschen. Der Mund des Gletschers war nur einige hundert Meter entfernt. Von der dünnen Luft an der Nase herumgeführt, bildete ich mir ein, den Gletscher stöhnen zu hören. Ich trat aus dem Zelt, in die Kälte von viertausend Metern Höhe.
LeuchtendeEisstücke trieben vorbei, Sturzbäche trommelten gegen Felsbrocken, mitten imStrudel tanzte Shiva wie ein Schamane in Trance, ein Medizinmann bei der Beschwörung der Fruchtbarkeit den Tanz von Entstehen und Vergehen. Seiner Trommel entsprangen tausende Töne: die schmatzenden Lippen des Pujaris, dasGlockenspiel des Ganga-Tempels in Gangotri, das Flattern orangener Wimpel, die hupenden Busse bei Uttarkashi, das Ratte
Der Ganges wird in Indien Ganga genannt, in respektvoller Anrede Gangaji, in liebevoller Hinwendung Ganga Mataji (Mutter Ganges). Sadhus (Eremiten) und Pujaris (Priester) kennen weitere 108 oder gar 1000 Namen des Ganges. Es gilt ihnen alsSünde, Ganga "Fluß" oder "Wasser" zu nennen.
I.
Tropfen von der Locke Gottes
Der Mann zieht die Ziege in den Ganges hinein, bis ihr das Wasser gegen den Mutterleib schwappt. Mit nassen Händen streicht er ihr über den prallen Bauch. Er bespritzt sie, er flüstert ihr ins Ohr. Dann führt er sie aus dem Wasser, und die Ziege wirft kaum spürt sie Ufer unter den Hufen zwei Zicklein. Der Hirte schneidet die Nabelschnur ab, nimmt die Neugeborenen auf seinen Arm und macht sich auf den Weg ins nahe gelegene Dorf. Der Fluß strömt bedächtig weiter, Fährmänner decken mit ruhigen Pinselstrichen die Kiele der umgedrehten Boote mit Teer ab. Zwei Sadhus füllen ihre Gefäße und grüßen in Gottes Namen. Einige Kühe schlappen lustvoll Wasser. Die Geburt erscheint so selbstverständlich wie das Brummen einer Fliege, wie die Hornhaut auf der Ferse des Fischers. Sie hinterläßt nur ein Stück Nabelschnur auf dem hellbraunen Sand und die Erinnerung an die Entnabelung.
Nicht alles kommt so leise zur Welt. Ganga bricht mit einem anhaltenden Schrei aus dem Gletscher, fällt zur Erde und läuft los, ungestüm, halsüberkopf, um sich schlagend. Shiva hat seinen Kopf hingehalten, Ganga hat sich seines Hauptes bemächtigt; hart beim Aufprall, sanft beim Abfließen stürzt sie von seiner Stirn hinunter, perlt von seinen Locken herab. Ihr stürmisches Rauschen, sein starres Schweigen, unbeweglich bis in die letzte Furche seines Antlitzes. Die Kaskaden schütteln sein Haupt, rütteln ihn aus seiner Versenkung.Shiva kann nicht mehr an sich halten, richtet sich auf und schwingt seine Damru-Trommel. Es klingt wie Eis, das splittert, sich unentwegt spaltet, bis es nur noch aus Tropfen besteht, die von seinen Lippen fallen. Ganga ergreift Shivas Hände, die beiden wirbeln um den Augenblick der Schmelze herum. Der Takt vieler Tropfen wird zu einem Sturzbach.Der Sog schluckt alles, das Echo der Selbstvergessenheit, die eingeschlafenen Felsen, die zwei Hörner, die über demGletscher ragen, als sei dieser die faltige Stirn einer altehrwürdigen Kuh.
Nicht so schnell, haucht die atemlose Ganga.
Schneller, ruft der erregteShiva.
Sie wirbeln weiter.
Ich lag schon Stunden wach, mit Kopfschmerzen, von der Ekstase der Geburt um den Schlaf gebracht. Früh am Morgen waren wir in Gangotri aufgebrochen zu einem langwierigen Aufstieg von zwanzig Kilometern und tausend Höhenmetern. Den Gletscher hatten wir kurz vorSonnenuntergang erreicht und sogleich unser Zelt aufgeschlagen zu nahe am Wasser, wie sich herausstellte. Meine Begleiterin Pac, eine Fotografin, deren Augen im Laufe der Reise alle Schattierungen zwischen Grün und Braun durchwanderten, schlief, ungestört von dem unablässigen Rauschen. Der Mund des Gletschers war nur einige hundert Meter entfernt. Von der dünnen Luft an der Nase herumgeführt, bildete ich mir ein, den Gletscher stöhnen zu hören. Ich trat aus dem Zelt, in die Kälte von viertausend Metern Höhe.
LeuchtendeEisstücke trieben vorbei, Sturzbäche trommelten gegen Felsbrocken, mitten imStrudel tanzte Shiva wie ein Schamane in Trance, ein Medizinmann bei der Beschwörung der Fruchtbarkeit den Tanz von Entstehen und Vergehen. Seiner Trommel entsprangen tausende Töne: die schmatzenden Lippen des Pujaris, dasGlockenspiel des Ganga-Tempels in Gangotri, das Flattern orangener Wimpel, die hupenden Busse bei Uttarkashi, das Ratte
Details
Erscheinungsjahr: 2003
Produktart: Reiseberichte
Region: Asien
Rubrik: Reisen
Medium: Buch
Seiten: 200
Inhalt: 200 S.
ISBN-13: 9783446202290
ISBN-10: 3446202293
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Trojanow, Ilija
carl hanser verlag gmbh & co.kg: Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
Maße: 205 x 125 x 20 mm
Von/Mit: Ilija Trojanow
Erscheinungsdatum: 04.08.2003
Gewicht: 0,298 kg
preigu-id: 102541142
Details
Erscheinungsjahr: 2003
Produktart: Reiseberichte
Region: Asien
Rubrik: Reisen
Medium: Buch
Seiten: 200
Inhalt: 200 S.
ISBN-13: 9783446202290
ISBN-10: 3446202293
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Autor: Trojanow, Ilija
carl hanser verlag gmbh & co.kg: Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG
Maße: 205 x 125 x 20 mm
Von/Mit: Ilija Trojanow
Erscheinungsdatum: 04.08.2003
Gewicht: 0,298 kg
preigu-id: 102541142
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